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Der Potsdamer Zahnarzt Andreas Möckel.

© privat

Potsdamer Zahnarzt warnt nach Erkrankung: "Corona haut Sie richtig um"

Der Potsdamer Zahnarzt Andreas Möckel ist nach seiner Covid-19-Erkrankung wieder genesen. Er macht sich Sorgen um Patienten und Kollegen in der Coronakrise.

Potsdam - Seit Dienstag kann er wieder arbeiten gehen. Der Potsdamer Zahnarzt Andreas Möckel hat seine Covid-19-Erkrankung überstanden, ist nach vier Wochen in der Quarantäne wieder fit. Er will davon erzählen, wie sich die neuartige Krankheit für ihn angefühlt hat. Und er macht sich Sorgen: einerseits, wenn es um seine Berufskollegen und das bislang fehlende langfristige Konzept zum Umgang mit dem Virus gerade im medizinischen Bereich geht, andererseits um die teils immer noch fehlende Sensibilität für die Ansteckungsgefahr bei Patienten und auch manchem Kollegen.

"Corona haut Sie richtig um"

Aber von vorn: Andreas Möckel zählt zu den ersten bestätigten Covid-Patienten in der Landeshauptstadt. Wie berichtet hatte er sich bei einem seiner Patienten mit dem Virus angesteckt, am 13. März, einem Freitag, war das. Rückblickend hätten sich am Sonntag erste Anzeichen der Erkrankung bemerkbar gemacht, erzählt der 58-Jährige: breiiger Stuhlgang, beim Spaziergang ein leichtes Frösteln. "Ich habe das nicht weiter ernst genommen." Am Montag erfuhr er von seinem Patienten über dessen Positivtest. Da hatte er abends schon Schüttelfrost, am Dienstagmorgen dann Fieber. Auf Arbeit sei er nicht mehr gegangen, das Gesundheitsamt ordnete einen Test an, zwei Tage später war das Positivergebnis da.

Der Kampf gegen das Virus war zäh. Typische Corona-Symptome wie Husten und Atemnot hätten sich erst am neunten und zehnten Tag eingestellt, berichtet Möckel: "Corona hat viele Gesichter." Zwölf Tage lang habe er Temperaturen zwischen 38 und 40 Grad gehabt, dann ging das Fieber plötzlich innerhalb von Stunden zurück. Am schlimmsten sei es am Tag elf gewesen: "Ich habe hochfiebernd im Bett gelegen, nach Luft geschnappt." Mehrmals sei er kurz davor gewesen, den Notarzt zu rufen. "Corona ist ein Bretterknaller, das haut Sie richtig um", sagt der Zahnmediziner. Auch danach habe sich die Genesung in der Quarantäne noch hingezogen, auch wegen fehlender Bewegung: "Man wird nicht fit, denn die Wege in der Wohnung sind nicht so lang."

Positive Testergebnisse müssen umständlich per Brief oder Fax übermittelt werden 

Auch seine Frau, die ebenfalls in der Praxis arbeitet, und zwei weitere Mitarbeiterinnen steckten sich an und erkrankten - per Test nachgewiesen allerdings nur bei seiner Frau. Die zwei Mitarbeiterinnen hätten zwar coronatypische Symptome entwickelt, nämlich den Geruchs- und Geschmacksverlust, einen Test habe das Gesundheitsamt aber zunächst als nicht erforderlich erachtet.

Probleme habe es dann bei der für medizinisches Personal laut den Richtlinien des Robert-Koch-Institutes erforderlichen "Freitestung" zur amtlichen Feststellung der Gesundung gegeben, schildert Möckel: Für ein solches Gesundungszertifikat müsse man sich 48 Stunden lang gesund fühlen und danach bei zwei Corona-Tests im Abstand von 24 Stunden ein Negativergebnis vorweisen. Bei Möckel selbst fiel der erste Test noch positiv aus, deshalb wurde noch zweimal nachgetestet. Ein Problem: Anders als bei einem positiven Testergebnis wird ein negatives Ergebnis nicht automatisch ans Gesundheitsamt übermittelt, sondern geht zunächst nur an den Patienten, der es dann umständlich per Brief oder Fax ans Amt übermitteln muss. Damit gehe Zeit verloren, kritisiert Möckel. Die vom Bundesgesundheitsministerium angeschobene Gesetzesänderung, die diese Meldepflichten ändern würde und das Prozedere beschleunigen könnte, werde derzeit von den Bundesländern blockiert.

Seit 14 Tagen bemüht er sich um das Gesundungszertifikat für die Mitarbeiterin

Dabei lief es in Möckels Fall sogar noch vergleichsweise zügig. Für seine Mitarbeiterin dagegen bemüht er sich nun bereits seit 14 Tagen mit täglichen Anrufen und Mails um den Bescheid des Gesundheitsamtes, wie er schildert - bislang ohne Ergebnis. Bei ihr sei es bei den laut RKI vorgeschriebenen zwei Freitestungen zu Problemen gekommen: Der im Testzentrum zuständige Arzt habe beim zweiten Testtermin erklärt, dass eine zweite Testung nach einem ersten Negativtest nicht notwendig sei - der Termin platzte. Auch wenn Möckel nicht glaubt, dass die Mitarbeiterin noch krank oder ansteckend ist, könne er ohne das OK vom Gesundheitsamt nicht verantworten, sie wieder arbeiten zu lassen: "Ich brauche die Bescheinigung."

Diese Verzögerungen und teils noch unklare Kompetenzverteilung machen Möckel Sorgen. Denn die Zahl von betroffenen Medizinern und Zahnmedizinern sowie Mitarbeitern werde im Laufe der Coronakrise noch steigen, befürchtet er. Umso wichtiger sei es, Ausfallzeiten von medizinischem Personal durch ein klares Vorgehen möglichst gering zu halten.

Es fehlt am langfristigen Konzept und an Schutzmaterial für Zahnärzte 

Entscheidend sei auch, dass die Zahnarztkollegen mit dem erforderlichen Schutzmaterial, also FFP-Masken und virendichte Brillen, ausgestattet werden, sagt Möckel - das Virus kann auch über die Schleimhäute der Augen in den Körper gelangen. Zahnärtzliche Eingriffe seien nach der Einschätzung des RKI hochrisikobehaftet, betont er: "Die Kollegen machen sich Gedanken und wollen verhindern, dass die Krankheit durch sie unkontrolliert weiterverbreitet wird." Momentan gebe es eine Schutzausrüstung aber nur für den zahnärztlichen Notdienst: "Das ist untragbar", sagt Möckel.

Vonseiten der Landesärztekammer gebe es für das langfristigen Umgang mit dem Coronavirus "noch keine Konzepte", kritisiert der Potsdamer: "Was passiert denn, wenn immer mehr Kollegen erkranken?" Er ärgert sich insbesondere über die Aussage des Landeszahnärztekammerchefes, der auf ähnliche Warnungen eines Kleinmachnower Kieferorthopäden mit Unverständnis reagiert und lapidar erklärt hatte: "Dazu kann ich nur sagen, Augen auf bei der Berufswahl." Das sei "ein Schlag ins Gesicht aller Kollegen", sagt Möckel: "Das bringt mich auf die Palme."

Vorsicht ist wichtig: Ist die Praxis kontaminiert, fällt sie 14 Tage aus

Ein Baustein auf einem Weg zur funktionierenden Zahnarztversorgung in der Coronakrise könne der Einsatz von Kollegen sein, die die Krankheit wie er selbst bereits durchstanden hätten, meint Möckel. Er sei gern bereit, sich an solchen Plänen und auch Tests zu einer möglichen Neuansteckungsgefahr von Covid-Geheilten zu beteiligen.

Aber auch bei Patienten und Medizinerkollegen müsse das Bewusstsein für die Ansteckungsgefahr noch wachsen. So müsse er beispielsweise immer wieder mit Patienten darüber diskutieren, dass diese keine Begleitpersonen in den Warteraum mitbringen sollen. Oder dass sie sich, wenn sie unbestellt kommen, grundsätzlich erstmal telefonisch an die Praxis wenden sollen, damit mögliche Corona-Symptome im Gespräch ausgeschlossen werden können. Selbst Arztkollegen müssten teils noch sensibilisiert werden: In seiner Praxis in der Hegelallee teile er den Wartebereich mit anderen Praxen. Und auch dort habe er zunächst Widerstand erfahren, als er die vom RKI empfohlenen Hygienerichtlinien umsetzen wollte, etwa die telefonische Voranmeldung. Es handele sich dabei nicht um Schikanen, sondern um sinnvolle Vorsichtsmaßnahmen, macht Möckel deutlich: "Ist jemand erstmal drinnen in der Praxis und die Bude infiziert, dann muss die Praxis 14 Tage lang zumachen."

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