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Flüchtlinge in Potsdam-Mittelmark: Vom Zelt in die Container

In Bad Belzig müssen 100 Flüchtlinge ab dem Wochenende vorerst in einem Notquartier wohnen. Dem Kreis Potsdam-Mittelmark fehlen 400 Unterkünfte. Jetzt sollen Kommunen Standorte für neue Flüchtlingsheime vorschlagen.

Von Enrico Bellin

Potsdam-Mittelmark - Der Landkreis muss bereits am Wochenende in Bad Belzig Zelte aufstellen, um alle Flüchtlinge unterbringen zu können. Das sagte Fachbereichsleiter Thomas Schulz am gestrigen Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Bad Belzig. „Wir sind in einer Notsituation, die geplanten Erweiterungen in Brück und Bad Belzig werden nicht rechtzeitig fertig“, begründet Schulz den Schritt. Bis Jahresende fehlen der Kreisverwaltung sogar rund 400 Unterkünfte.

Vom Katastrophenschutz und von Privatleuten habe der Landkreis nun ein 20 mal 30 Meter großes Zelt angemietet, in dem 100 alleinstehende Männer untergebracht werden sollen, die Potsdam-Mittelmark aus dem Erstaufnahmelager in Eisenhüttenstadt zugewiesen bekommt. Daneben werden drei Versorgungszelte für die Verpflegung, die medizinische Pflege und als Aufenthaltsraum aufgestellt. Die Männer sollen die Sanitäranlagen einer nebenstehenden Baracke nutzen, die kurzfristig hergerichtet werden sollen.

"Massivst große Unterkünfte" für Flüchtlinge in Potsdam-Mittelmark gesucht

Auf dem Gelände im Weizgrunder Weg entsteht derzeit ein Containerdorf für 156 Flüchtlinge (PNN berichteten). Für die Unterbringung mit Anmietung der Container und Betriebskosten zahlt der Landkreis 235 Euro pro Flüchtling und Monat. Ende August sollen die ersten Bewohner aus den Zelten dort einziehen, Anfang September die letzten.

Auch die Kreisverwaltung ist mit der Zeltlösung unzufrieden. „Es ist aber erst einmal maßgeblich, den Leuten ein Dach über dem Kopf zu geben“, so Schulz. Nach wie vor suche der Landkreis „massivst große Unterkünfte“. Schulz zufolge sei inzwischen jeder Mitarbeiter der Kreisverwaltung damit beschäftigt, nach geeigneten Grundstücken für neue Containerdörfer oder leer stehenden Wohnungen zu suchen. Der Landkreis bekommt pro Woche etwa 30 zusätzliche Flüchtlinge aus Eisenhüttenstadt zugewiesen. Nach neuster Prognose muss er in diesem Jahr etwa 1300 Flüchtlinge aufnehmen, bis zum Jahresende fehlen dadurch Plätze für rund 400 Menschen.

Kurzfristig neue Buslinie nach Beelitz

Im Erntelager des Spargelhofs Jakobs im Beelitzer Ortsteil Schäpe sollen nun 72 Flüchtlinge von September bis Februar unterkommen, danach wird das Haus wieder für die Saisonarbeiter benötigt. Da es in Schäpe an jeglicher Infrastruktur wie Ärzten, Schulen und Kindergärten fehlt, werde der Landkreis laut Schulz kurzfristig eine neue Buslinie in die Beelitzer Innenstadt in Betrieb nehmen müssen.

Weitere 30 Flüchtlinge sollen ab September im Landhotel Götz in der Gemeinde Groß Kreutz (Havel) unterkommen. Außerdem mietet der Kreis für 46 Flüchtlinge Wohnungen unter anderem in Neuseddin und Ziesar an.

Nun sind die Gemeinden gefordert

Alle Gemeinden des Landkreises sind Schulz zufolge aufgefordert, bis Ende der Woche eine Liste mit potentiellen Standorten für Containerdörfer oder freien Wohnobjekten zu erstellen, auch wenn sie in privater Hand liegen. Der Kreis werde dann schnellstmöglich mit den Besitzern über eine Anmietung verhandeln. Die Verwaltung habe selbst drei Grundstücke ins Auge gefasst, auf denen mindestens 150 Flüchtlinge untergebracht werden können, sagte Schulz. Kleinere Einheiten wolle der Kreis nach Möglichkeit nicht betreiben, da der organisatorische Aufwand dafür zu groß sei. Um welche Flächen es konkret geht, will der Fachbereichsleiter erst nach Gesprächen vor Ort sagen. Es handele sich aber um die Planregion 2 des Kreises, zu der die Städte Werder (Havel) und Beelitz sowie die Gemeinden Michendorf und Seddiner See gehören.

In der kommenden Woche will sich Schulz zudem mit Vertretern der Gemeinde Kloster Lehnin treffen, um über den Standort Damsdorf zu beraten. Wie berichtet, wollte der Landkreis dort das ehemalige Kasernengebäude kaufen und bis zu 600 Flüchtlinge unterbringen. Die Gemeinde kam dem Kreis beim Kauf jedoch zuvor, sie will die Anzahl im 1 600 Einwohner großen Ort auf 200 Flüchtlinge begrenzen. Wer den nötigen Umbau der alten Kasernen bezahlt, ist noch offen. Ein Einzug ist frühestens im kommenden Jahr möglich.

Neubau in Bad Belzig

Ebenfalls 2016 soll in Bad Belzig am Standort des Flüchtlingsheims eine Baracke abgerissen werden und an der Stelle ein Neubau für etwa 70 Flüchtlinge entstehen. In der Kreisstadt mit 11 000 Einwohnern sollen dann 314 Flüchtlinge leben, weil auch die Container mindestens viereinhalb Jahre stehen werden und es bereits ein Heim gibt. „Wir haben hier seit 20 Jahren Flüchtlinge, es haben sich feste Hilfsnetzwerke entwickelt“, sagt Bürgermeisterin Hannelore Klabunde-Quast. Zwar haben am Wochenende Unbekannte erneut Steine in die Fensterscheibe des Integrations-Cafés „Im Winkel“ geworfen, so etwas werde es aber immer geben. „Momentan ist es wichtig, den Belzigern zu sagen, dass die Zelte eine temporäre Lösung sind und im September wieder abgebaut werden“, so die Bürgermeisterin. Sonst könnte die bisher hohe Hilfsbereitschaft in der Stadt leiden. Klabunde-Quast betonte auch, dass es in der Region einen Fachkräftemangel gibt, den die Flüchtlinge mildern könnten. Der Kreis solle verstärkt nach Flüchtlingswohnungen auch im berlinferneren Raum suchen, in dem die Mieten günstiger sind.

Die werden inzwischen zum Problem. So bieten viele Privatleute zwar Wohnungen an, die sie an Flüchtlinge vermieten würden. Die dürfen jedoch nicht teurer sein als die jeweils anerkannten Kosten der Unterkunft, die auch Harz-IV-Empfänger erstattet bekommen. Unter anderem wollte die Werderaner Stadtverordnete Claudia Fehrenberg (Freie Bürger) eine Wohnung in Glindow mit eineinhalb Zimmern seit Januar vermieten. Inklusive Strom wollte sie für die möblierte Wohnung 550 Euro im Monat an Warmmiete, erhielt von der Kreisverwaltung jedoch ein halbes Jahr lang keine Antwort.

Der zuständige Sachbearbeiter sagte gegenüber den PNN, dass das Angebot schlicht zu teuer gewesen sei. Auch Thomas Schulz erklärte, man könne nicht mehr Miete für Flüchtlinge als für Harz-IV-Empfänger bezahlen. „Das würde in der Bevölkerung sicher für Unruhe sorgen.“ 

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