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Spielend leicht. Schon in jungen Jahren wird der Grundstein für ein späteres mögliches Suchtverhalten gelegt. 

© picture alliance / dpa

25 Jahre Suchtberatung in Teltow: Der Kampf gegen die Internetsucht

Seit 25 Jahren berät die Awo in Teltow Suchtkranke. Deren Leiter Daniel Zeis erklärt, welche Süchte die Therapeuten heute behandeln und wie man Kinder schützen kann. 

Von Eva Schmid

Herr Zeis, die Awo in Teltow berät seit 25 Jahren Menschen mit Suchtproblemen. Wie sehr haben sich Süchte über die Zeit gewandelt? 
Die Volksdroge Nummer 1 ist und bleibt der Alkohol. Über die Jahre sind Cannabis und Glücksspiel hinzugekommen. Das Glückspiel hat in den vergangenen zehn Jahren durch vielfältige Angebote im Internet deutlich zugenommen. Eine Sucht, die uns heute ebenfalls immer stärker beschäftigt, ist die Medienabhängigkeit, also das pathologische Spielen am Computer.

Was gibt es in Teltow für Besonderheiten? 
Junge männliche Erwachsene, die abhängig sind von Computerspielen, sehen wir immer öfter in der Beratungsstelle. Und das wird zunehmen. Es sind Personen, die schon zum Teil mit fünf Jahren ersten Kontakt mit Spielkonsolen hatten. Die Region Teltow ist zudem mit einem vielfältigem Glücksspielangebot ausgestattet, dort gibt es im Vergleich zum restlichen Landkreis mehr Abhängige. Zieht man aber den Vergleich zwischen Potsdam-Mittelmark und der Landeshauptstadt, dann haben wir im Kreis und damit auch in Teltow mehr Alkoholabhängige.


Wo liegen besondere Herausforderungen?
Die Betroffenen früher zu erreichen, bevor sich ein ernsthaftes Problem mit weiteren Folgeerscheinungen entwickelt hat, ist die größte Herausforderung. Hausärzte können hier beispielsweise eine wichtige Vermittlerrolle einnehmen. Das Umfeld des Betroffenen kann ebenso entsprechende Rückmeldungen geben, um den Besuch bei uns anstoßen. Wir empfehlen: So konkret und zeitnah wie möglich die Dinge ansprechen, verbunden mit dem Wunsch sich helfen zu lassen.

Wie gut lassen sich Süchte heute behandeln?
Vor 25 Jahren hatte man noch einen absoluteren Abstinenzanspruch, Menschen sollten um jeden Preis vom Suchtmittel weggebracht werden. Heute geht es um individuelle Konsumkompetenz, also um einen problemorientierten und kritischen Umgang mit den Suchtmitteln oder Verhaltensweisen – was eine Abstinenz nicht ausschließt. Da wir uns in unserer heutigen Welt kaum den vielen Genüssen entziehen können, geht es darum, einen Umgang damit zu finden.

Der Alkoholiker darf sich also noch ein Bierchen gönnen?
Nicht ganz, es kommt auf die Ziele an, die sich der Betroffene setzt. Wenn es zunächst nur um eine Reduktion des Alkoholkonsums geht, dann ist das in Ordnung. Oft merken Betroffene aber schnell, dass das Reduzieren nicht ausreicht und entscheiden sich dann für die Abstinenz und eine Behandlung. In der Beratung ist uns eine professionelle Abklärung der Problematik wichtig, um entsprechende weitere Hilfen empfehlen zu können.

Woran merke ich, dass mein Konsum kritisch wird? 
Beispielsweise am Kontrollverlust, an der Steigerung des Suchtmittelkonsums, an der Aufgabe von Interessen und Beziehungen. 

Kann man sich und seine Kinder vor Süchten schützen?
Es gibt Schutzfaktoren, die zum Teil auch genetisch angelegt sind. Menschen sind von Anfang an unterschiedlich erregbar, impulsiv, ihr Belohnungssystem ist verschieden. Wichtig ist, dass man Kinder befähigt, nicht gleich belohnt zu werden, sondern auch mal Verzicht zu üben. Sie nicht immer sofort zu belohnen. Es geht darum, sich mit Konflikten auseinanderzusetzen und zu lernen, sie zu lösen. Das Umfeld, die Familie und der Freundeskreis sind dafür wichtig. Sie sollten Ansprechpartner sein, mit denen man Probleme besprechen kann. Beim Thema Medienkompetenz müssen wir alle lernen, wie wir es schaffen, dass Handys, Computer und Konsolen uns nicht krank machen.

Zur Person: Daniel Zeis, 41, ist diplomierter Sozialpädagoge und Suchttherapeut. Mit einer Kollegin leitet er die Ambulante Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke der AWO in Potsdam und Potsdam-Mittelmark.

Hintergrund: Der Großteil der Suchtkranken, die sich von der AWO in Potsdam-Mittelmark beraten und behandeln lassen, hat Probleme mit Alkohol. Sie machen rund 80 Prozent der insgesamt rund 600 Suchtkranken, die pro Jahr von der Awo registriert werden. Abhängige von Cannabis und Glückspielen machen im Kreis jeweils weniger als zehn Prozent aus. Die fünf auf den Landkreis verteilten Beratungsstellen zählen insgesamt knapp 4000 Kontakte pro Jahr, das können sowohl Angehörige sein, die Hilfe suchen oder Menschen, die ihren Umgang mit Suchtmitteln prüfen lassen wollen. Sieben Mitarbeiter sind in den Beratungsstellen in Teltow, Bad Belzig, Werder (Havel), Beelitz und Lehnin im Einsatz. Der Kreis zahlt nur vier Stellen. Mehr Infos zum Angebot unter www.awo-potsdam.de

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