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Theaterprojekt an der Montessori-Oberschule.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Zurück in die Zukunft: Ein Potsdamer Schülertheater mit Vision

Ein interaktives Projekt der Montessori-Schule zeigt, wie eine Utopie aussehen könnte. Eine spielerische Auseinandersetzung mit kritischen Fragen unserer Zeit.

Von Alicia Rust

Die ersten Wochen nach den Sommerferien sind für viele Menschen normalerweise kaum ein Grund zur Freude, für die Mädchen und Jungen des neunten Jahrgangs der Montessori-Schule Potsdam hingegen schon. Denn für sie steht der gesamte Monat im Zeichen eines Theaterprojekts. Nach rund fünf Wochen werden sie ihr Stück in wechselnden Hauptrollen an wechselnden Orten innerhalb der Biosphäre aufführen.

Ich bin mit der Erwartung reingegangen, dass wir ein Drehbuch bekommen und dann Theater machen, aber es kam ganz anders.

Mara Fuhrmann, Schülerin der Montessori-Schule Potsdam

„Ich bin mit der Erwartung reingegangen, dass wir ein Drehbuch bekommen und dann Theater machen, aber es kam ganz anders. Erst mal haben wir uns zwei Wochen lang Themen ausgedacht, anhand derer wir das Stück dann geschrieben haben“, erzählt die 14-jährige Mara Fuhrmann. „Herausgekommen ist ein superkomplexes Stück mit sieben Hauptcharakteren“, ergänzt Martha Hoene, ebenfalls 14 Jahre alt. „Reset - Neue Bilder gegen den letzten Krieg“, heißt das Science-Fiction-Epos, welches die 50 Jungen und Mädchen gemeinsam erarbeitet haben. Unterstützt wurden sie dabei von einem Theaterpädagogischen Team, sowie von zahlreichen Experten.

Von der Dystopie zur Utopie

Im Wesentlichen gehe es darum, welche Momente in der Vergangenheit verändert werden müssten, damit bestimmte Entwicklungen oder Katastrophen in der Zukunft verhindert werden könnten. „Eine Dystopie zu verhindern, um eine Utopie zu kreieren“, nennen die Jungschauspieler, womit sie sich in den letzten Wochen beschäftigt haben. Und mal Hand aufs Herz, wer hat nicht schon einmal mit dem Gedanken gespielt, wie es wohl wäre, in die Vergangenheit zurückzureisen zu können? Und wie würde die Welt wohl heute aussehen, wenn wir die Macht hätten, um den Lauf der Zeit zum Besseren zu verändern?

Vor den Sommerferien gab es eine Vorbereitungswoche, gemeinsam mit Theatermacher Lionel Tomm aus Hamburg und Regisseur Jens Neumann aus Berlin, in der das abstrakte oder fantastische Thema so ausgearbeitet wurde, dass daraus ein Gerüst für eine Geschichte entstehen konnte. Dazu galt es zunächst, die Wahl des Genres zu treffen: Etwas Romantisches, ein Krimi oder Thriller, eine Comedy oder gar Fantasy.

Wir kommen einmal im Jahr her und machen den Theaterwahnsinn mit 50 Jugendlichen, die am Ende alle auf der Bühne stehen.

Lionel Tomm, Theatermacher

„Reset ist irgendwie ein bisschen von allem“, sagt Mara, ihre Mitschüler nicken. Herausgekommen sind zwölf Szenen, die so ziemlich alles thematisieren, womit sich die 50 Mädchen und Jungen des neunten Jahrgangs zurzeit beschäftigen. Darunter vier „Kernthemen“: Krieg, Klima und Umwelt, mentale Gesundheit sowie technologischer Fortschritt, wie Lionel Tomm erzählt. 

Theaterwahnsinn mit Methode

Gemeinsam mit Jens Neumann realisiert er bereits zum 16. Mal das Theaterprojekt an der Montessori-Schule im Anschluss an die Sommerferien. Verstärkt wurde das Team erstmals durch Regisseurin Theresa Henning. „Wir kommen immer einmal im Jahr her und machen den Theaterwahnsinn mit 50 Jugendlichen, die am Ende alle auf der Bühne stehen“, sagt der 34-Jährige.

Mara Fuhrmann, Martha Hoene und Lionel Tommy (v.l.).

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Verstärkt wird das Team durch einen Bühnenbildner, einen Veranstaltungstechniker, sowie durch Expertinnen, die bei der Ausarbeitung der Themen unterstützen. „Zum Thema mentale Gesundheit haben wir Schauspieler Kolja Seifert eingeladen, der über Depressionen gesprochen hat“, sagt die angehende Theaterpädagogin Greta Bintz.

Die meisten Proben haben im Wald stattgefunden. Zwischen Bäumen sitzend wurden Themen diskutiert, Dialoge wurden konzipiert, Szenen ausprobiert und wieder verworfen. „Es war beeindruckend, wie klar diese Jugendlichen in der Auswahl ihrer Themen waren und wie viel Expertise sie schon mitgebracht haben, zum Beispiel zum Thema Klima“, sagt Theaterpädagogikstudentin Bintz. Die 22-Jährige ist noch nicht so lange der Altersgruppe der Schauspieleleven entwachsen, daher kann sie sich gut in die Mädchen und Jungen hineinversetzen.

Raus aus der Comfort-Zone

„Das ist ein schwieriges Alter, in der Pubertät ist einem vieles peinlich, aber ich habe die Zusammenarbeit als sehr angenehm empfunden“, sagt Bintz. „Durch die Theaterarbeit wird ganz viel Schamgefühl abgebaut“, sagt die Berlinerin. Das können Mara Fuhrmann und Martha Hoene, beide 14 Jahre alt, bestätigen. „Am Anfang haben wir eine Übung gemacht, da mussten wir alle schreiend durch den Raum laufen“, erzählt Mara. Das habe ganz schön viel Überwindung gekostet. Genau wie die Übung, wo alle im Liegen durch den Raum rollten. „Aber irgendwann ist das Komische normal und es ist eher ungewöhnlich, wenn jemand plötzlich zu cool ist, um mitzumachen“, sagt Martha.

„Durch das Projekt sind wir als Gruppe zusammengewachsen. Es hat geholfen, die Probleme in der Zukunft positiver zu betrachten“, sagt Martha. „Es geht ja um die Frage, wie möchten wir in Zukunft mit anderen Menschen zusammen leben? Und bei uns gibt es einen krasseren Enthusiasmus, als bei den älteren Generationen“, sagt Mara. „Ich fände es schön, wenn wir durch unser Stück viele andere Menschen motivieren würden, die Probleme der Zukunft konstruktiv anzugehen, um sie gemeinsam zu lösen“, sagt die Neuntklässlerin.

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