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Blick auf die zerstörte Potsdamer Mitte.

© Werner Taag

„Nacht von Potsdam“ vor 78 Jahren: Wie sich das Erinnern an den Luftangriff verändert

Die Zerstörung Potsdams am 14. April 1945 präge das Gedächtnis der Stadt, sagt Historiker Tobias Büloff. Die Erinnerungen würden durch den Ukraine-Krieg wieder wach.

78 Jahre nach der verheerenden Bombardierung Potsdams wird am Freitag, 14. April, an die weitgehende Zerstörung der Innenstadt in der Nacht von Potsdam erinnert. Innerhalb von nur 36 Minuten legten die Bomben der Royal Air Force fast 1000 Gebäude in Schutt und Asche, etwa 1600 Menschen starben, 60.000 wurden obdachlos.

„Die Zerstörung Potsdams hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingeprägt“, sagt Tobias Büloff, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Erinnerungskultur im Fachbereich Partizipation und Kommunikation der Stadt, der die Diskussion im Potsdam-Museum zum Jahrestag (Beginn: 17 Uhr) vorbereitet hat. Auf Zeitzeugenberichte wird während des Gesprächs verzichtet.

„Nie wieder Krieg!“

Verblassen die Erinnerungen nicht mit dem zeitlich größer werdenden Abstand und dem Verschwinden der Zeitzeug:innen? Natürlich werde die Zahl der Potsdamer:innen, die die Bombardierung bewusst erlebten, kleiner. Viele Berichte seien aber in Ton- und Videoaufnahmen festgehalten worden, sagt Büloff. Einige Beteiligte hätten auch nur einmal über das Erlebte sprechen und damit abschließen wollen. Die Generation, die die Bombardierung bewusst erlebte, sei sich stets in einer Forderung einig gewesen: „Nie wieder Krieg!“, so Büloff.

Die jüngere Generation schaut plötzlich wieder auf die historischen Ereignisse.

Tobias Büloff, Beauftragter für Erinnerungskultur der Stadt Potsdam

Bei jungen Menschen habe der 14. April zuletzt kaum noch eine Bedeutung gehabt. Doch das habe sich mit dem Ukraine-Krieg geändert. „Die jüngere Generation schaut plötzlich wieder auf die historischen Ereignisse“, sagt der Historiker. Die Nacht von Potsdam rücke damit wieder ins Gedächtnis. Das könnte auch mit den Bildern der zerstörten Städte zusammenhängen.

Tobias Büloff ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Erinnerungskultur im Fachbereich Partizipation und Kommunikation der Stadt Potsdam.

© Andreas Klaer

Die Fotos, die beispielsweise Max Bauer von den Ruinen in Potsdam machte, seien künstlerisch gewesen, erinnerten in ihrer Ausdrucksstärke an Pompeji, sagt Büloff. Deshalb hätten diese Bilder möglicherweise auch das menschliche Leid überlagert. „Aber das ist nur eine These. Letztlich hatten die Menschen danach ganz andere Sorgen“, sagt Büloff. Die Überlebenden suchten Verschollene, mussten eine neue Bleibe finden, wenn sie ausgebombt waren, brauchten etwas zu essen.

„Es gab andere Sorgen als die Klagen über die zerstörte Residenzstadt.“ Dennoch hätten schon damals einige Zeitzeugen das Erlebte zu Paper gebracht. Diese Berichte würden sich von späteren Zeitzeugenerinnerungen unterscheiden. Sie eine jedoch die Klage über den Verlust, so Büloff.

„Ich würde behaupten, dass die preußische Identität das beharrende Element war“, erklärt der 48-jährige Historiker. Das alte Potsdam sei für viele Menschen ein Sehnsuchtsort gewesen. Deshalb sei auch die Zustimmung für den Wiederaufbau der historischen Mitte bei der älteren Bevölkerung größer. Jüngere Menschen könnten damit meist weniger anfangen, so Büloff. Die Erinnerungskultur habe daher eine große Relevanz auch für die Stadtpolitik und die Stadtentwicklung. Und die Beschlüsse zum Wiederaufbau der Potsdamer Mitte würden ja nun auch schon wieder eine halbe Generation zurückliegen.

Wie kann es Frieden geben?

Der von der Kriegsgeneration überlieferte Appell „Nie wieder Krieg!“ wird am Freitag ab 17 Uhr im Potsdam Museum diskutiert. Auf dem Podium sitzen dann neben Bürgermeister Burkhard Exner die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Friedensaktivistin Ute Finckh-Krämer und die 27-jährige Marie Jünemann vom Verein Mehr Demokratie. Vor dem Hintergrund der Nacht von Potsdam solle über heutige Kriegsgefahren und Möglichkeiten für den Frieden gesprochen werden, so Büloff.

In der um 19 Uhr anschließenden Veranstaltung „Museumsfenster“ geht es unter anderem um die Lebensgeschichten des 20. Jahrhunderts und die Bewältigung von Kriegstraumata. Die Glocken der Nikolaikirche läuten ab 22.15 Uhr in Erinnerung an den Beginn des Bombardements vor 78 Jahren.

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