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Ausstellung „Der sechste Sinn“ im Kunstraum Potsdam.

© Andreas Klaer

Wenn Fantasie auf Wirklichkeit trifft: Abschlussarbeiten der Meisterklasse Ludwig Rauch sind in Potsdam zu sehen

„Der sechste Sinn“ zeigt Kunstfotografien von sechs Absolventen der Meisterklasse Ludwig Rauch im Kunsthaus Potsdam. Verbindendes Element ist die Sinneswahrnehmung.

Von Alicia Rust

Nahezu alle Menschen verfügen über einen sogenannten „sechsten Sinn“, doch kaum jemand vermag dieses Phänomen richtig zu beschreiben. Handelt es sich um eine Wahrnehmung, um ein Gefühl, um Intuition oder Vorhersehung? Und wie lässt sich so etwas in Fotografie übersetzen?

Die Gruppenausstellung im Kunstraum Potsdam, bestehend aus den Werken der sechs Absolventinnen und Absolventen der Meisterklasse Ludwig Rauch, ist der krönende Abschluss einer ganzjährigen Zusammenarbeit. Gezeigt werden Werke von Sabine Dobinsky, Nadja Rentzsch, Rainer Enke, Martin Tscholl, Ruslan Hrushchak und Michael Matthews. Der Titel der Ausstellung wurde bewusst gewählt. Denn diese Bilder zeigen viel mehr, als was nur mithilfe der Technik entsteht. Impressionen, der Fantasie ihrer Schöpfer entsprungen.

Herzstück der Ausstellung

Herzstück der Ausstellung ist eine Wand in Petersburger Hängung im Giebelraum. Hier sind Werke von allen vereint. Man braucht etwas Zeit, um alles auf sich wirken zu lassen. Das größte der insgesamt 42 Bilder misst 1,20 Meter mal 90 Zentimeter, das kleinste im Kunstbild-Wandpuzzle misst 30 mal 40 Zentimeter.

Bei unserem Ansatz ging nicht um die Abbildung der Realität, sondern ausschließlich um das künstlerische Element.

Ludwig Rauch, Dozent der Meisterklasse.

„Die Klasse endet mit dieser Ausstellung und ich habe mir eine Wand gewünscht, an der wir die unterschiedlichen Ansätze zusammen präsentieren“, sagt Dozent Ludwig Rauch. Und mittendrin, quasi als „Bonbon“ im fotografischen Wimmelbild, hängt ein Werk des Meisters selbst. „Ninety percent of your dreams are in vain“, lautet der Titel aus der Serie „Nothing true at all“. Es war der Wunsch seiner Eleven, dass auch der Lehrende mit einem Bild in der Ausstellung vertreten ist.

Traumhaft albtraumhaft

Doch selbst, wenn neunzig Prozent unserer Träume tatsächlich umsonst sein sollten, wie der Titel suggeriert, darf bei der Betrachtung mancher Werke ein bisschen geträumt werden. Rauchs Werk, das mehr wie ein Gemälde anmutet, als wie eine Fotografie, zeigt fünf Cancan-Tänzerinnen, deren Köpfe durch rote Punkte unkenntlich gemacht wurden. Traumhaft albtraumhaft. „Bei unserem Ansatz in der Meisterklasse ging nicht um die Abbildung der Realität, sondern ausschließlich um das künstlerische Element“, sagt der Fotograf.

Ludwig Rauch wurde 1960 in Leipzig geboren. An der dortigen Karl-Marx-Universität studierte er Bildjournalismus. Er ist Mitgründer der Kunstzeitschrift „Neue Bildende Kunst“ und seit 2009 Dozent an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin.
Ludwig Rauch wurde 1960 in Leipzig geboren. An der dortigen Karl-Marx-Universität studierte er Bildjournalismus. Er ist Mitgründer der Kunstzeitschrift „Neue Bildende Kunst“ und seit 2009 Dozent an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin.

© Andreas Klaer

Einige Motive des Potsdamers Rainer Enke wirken ebenfalls wie einem Traum entsprungen. So muten winterfest verpackte Pflanzen im Schlosspark Sanssouci wie Gespenster an; „Tristesse“ heißt das analog fotografierte Bild. Fast alle seine Fotos wurden mit einer Kamera Obscura gemacht, dabei arbeitet der in Potsdam lebende Fotograf mit zeitversetzten Doppelbelichtungen, was den Effekt schemenhafter Collage hervorruft. Enke fotografiert Potsdam seit über drei Jahrzehnten. Er hält Veränderungen fest, ohne sie zu kommentieren. Ihm gelinge das Kunststück, die Zeit einzufangen, sagt Rauch.

Ein Jahr lang haben sich die Talente aus der Meisterklasse getroffen, um ihre Sinne zu schärfen, um einen Diskurs über Fotografie zu führen. Hinzu kamen zahlreiche Ausflüge zur Ausbildung der künstlerischen Wahrnehmung. Ein Besuch bei der Biennale in Venedig war genauso Teil des Konzepts, wie Ausstellungen im Barberini, wie die Abschlussausstellung im Kunsthaus jetzt.

Die jüngsten Absolventinnen und Absolventen sind um die dreißig Jahre alt, die ältesten Ende sechzig.
Die jüngsten Absolventinnen und Absolventen sind um die dreißig Jahre alt, die ältesten Ende sechzig.

© Andreas Klaer

Das Besondere an der Meisterklasse sei, dass alle für die Fotografie brennen, sagt Rauch, doch alle Absolventen entstammen unterschiedlichen Berufen. Die jüngsten Teilnehmer sind um die dreißig, die Ältesten, wie der aus Kanada stammende Komponist Michael Matthews, Ende sechzig.

Sabine Dobinsky, hauptberuflich Mikrobiologin, inszeniert in einer ihrer Arbeiten drei Frauen an einem Tisch, auf dem Melonen liegen. Die Serie heißt: „If not us“, also: „Wer, wenn nicht wir?“ Symbolisch aufgeladen und rätselhaft zugleich. In ihren Kompositionen wird die Darstellung der Frau in der sozialen Wirklichkeit und in der künstlerischen Wahrnehmung thematisiert. „Was ist eigentlich heil? Was ist schön und wahrnehmbar?“, fragt Dobinsky. Fragen der gegenseitigen Wertschätzung treiben sie an. 

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