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Der Schauspieler Joachim Berger aus dem Ensemble des Hans Otto Theaters liest am ersten Feiertag im Nikolaisaal.

© Thomas M. Jauk

„Mein Weihnachtsbaum war ein Wäscheständer“: Schauspieler Joachim Berger über die Festtage

Das Ensemblemitglied des Potsdamer Hans Otto Theaters liest am 25. Dezember Gogols Erzählung „Die Nacht vor Weihnachten“. Was sie lehrt – und wie er das Fest begeht.

Von Alicia Rust

Herr Berger, Sie sind in „Die Nacht vor Weihnachten“ der Erzähler, das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt spielt Musik von Tschaikowsky und Korsakow. Traurig, dass Sie diesmal nicht singen?
Überhaupt nicht. Ich singe zwar sehr gern, aber so gut dann doch nicht. Ich genieße es, Teil dieser „Konzertlesung“ zu sein, wie der Programmdirektor des Nikolaisaals Michael Dühn dieses besondere Veranstaltungskonzept benannt hat. Die Geschichte von Gogol ist so phantastisch, es ist anspruchsvoll, sie zu sprechen, teilweise sogar auf Musik.

In der Nacht vor Weihnachten soll nach russischem Volksglauben der Teufel besondere Macht über die Menschen haben: Er erfüllt ihre geheimsten Wünsche, fordert dafür aber ihre Seelen. Würden Sie Ihre Seele geben, wenn Sie einen Wunsch frei hätten?
Nein. Es handelt sich um eine phantastische Geschichte, in der vieles möglich ist, was so eigentlich nur in der Oper gelingt. Die Lehre ist, dass man sich sehr genau überlegen muss, mit wem man sich einlässt.

Zum Glück gibt’s ein „Happy End“, es hätte aber auch schief gehen können.
Genau! Noch besser ist das Fazit. Die schöne Oxsana entdeckt nämlich, dass sie den Schmied liebt, als er fort ist. Als er schließlich mit den Schuhen der Zarin zurückkehrt, sagt sie, das wäre eigentlich nicht nötig gewesen. Manchmal braucht es eine Zäsur, um zu merken, was einem fehlt.


Was ist Ihre persönliche Lieblingsgeschichte, besonders zu dieser Zeit?
Es gibt eine wunderbare Geschichte von Isaak B. Singer: „Als Schlemihl nach Warschau ging“. Dabei geht es um jemanden, der in die Ferne möchte und doch wieder genau dort ankommt, wo er losgegangen ist. Durch den Wechsel erlebt er seine Umgebung neu. Am Ende stellt sich eine Art innerer Frieden ein.

Wie halten Sie es mit Weihnachten?
Von mir bekommt niemand etwas zu Weihnachten, ich finde den besinnungslosen Konsum furchtbar. Ursprünglich geht’s doch um die Weihnachtsgesichte, die etwas Wunderbares ausdrückt. Es geht um Güte, um Mitgefühl. Und das wird – durch die Art, wie heute überall der Konsum befeuert wird – gewissermaßen pervertiert.

Können Sie der Weihnachtszeit dennoch etwas abgewinnen? Immerhin „bescheren“ Sie den Besuchern der Konzertlesung auch ein besonderes Erlebnis.
Genau darum geht es: Erlebnisse, Besinnung, Wertschätzung. An den Weihnachtstagen mit lieben Menschen zusammen zu sitzen, gemeinsam essen, sich dessen bewusst sein. Bilder, an die man sich später gern erinnert. Allerdings wohne ich in einem Haus mit sechs Mitparteien, es gibt elf Kinder, insofern bin ich schon vom Weihnachtszauber umgeben.

In Ihrem Wohnzimmer steht kein Weihnachtsbaum?
Der einzige Weihnachtsbaum, den ich je hatte, war ein Wäscheständer. Er wurde für eine Freundin, die aus Japan zu Besuch war, extra mit Lametta und Weihnachtskugeln behängt.

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