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Spielzeugabenteuer. „Der standhafte Zinnsoldat“ in der Theaterfassung von Nathalie Wendt mit Caspar Bankert, Amelie Schmidt und Gerda Pethke.

© Thomas M. Jauk

Kindertheater als komödiantisches Dauerfeuer: „Der standhafte Zinnsoldat“

Quirlig, bunt und ziemlich abgehoben: Die Potsdamer Adaption des Kunstmärchens verbindet Puppenspielslapstick mit philosophischen Abhandlungen.

Von Oliver Köhler

Die Erzählung „Der standhafte Zinnsoldat“ des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen, bereits 1838 erschienen, ist eigentlich keine adäquate Kindergeschichte. Ein traurig-rühriger Plot, der letztlich mit dem Verbrennungstod der Protagonisten endet. Ganz anders dagegen die Adaption von Nathalie Wendt, die seit dem 24. März im Hans Otto Theater zu sehen ist. „Spielzeugabenteuer“ heißt das Kindertheaterstück hier. Quirlig, bunt, schräg – und weit entfernt vom Original.

Regisseurin Nathalie Wendt, die an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Puppenspiel studierte, verlegt die Geschichte in einen schrill-fetzigen Rahmen, der von Anfang an so exaltiert wirkt, dass es fast surreal ist. Bühne und Kostüme (Julia Bosch) sind quietschbunt, die Schauspieler Caspar Bankert, Gerda Pethke und Amelie Schmidt haben richtig Spaß an der Übertreibung – und dennoch erreicht der Senkrechtstart schnell eine Flughöhe, die etwas zu abgehoben ist.

Keine harmonische Welt

Fritzi (Gerda Pethke) hat Geburtstag und bekommt Spielzeug: einen Teddybär, ein Keyboard, und einen einbeinigen Zinnsoldaten. „Zinn“, wie der sich nennt, ist nicht nur aus einem Schwermetall, sondern offenbar so lädiert, dass sich die Freude bei Fritzi in Grenzen hält: „Meine Soldaten sollen aber stark und unbesiegbar sein!“ Nun ist Zinn (Amelie Schmidt) aber nicht militärisch, sondern schüchtern und warmherzig, eher ein Nussknacker als ein Offizier.

Und die Spielzeugwelt ist alles andere als harmonisch: Bald sei Flohmarkt, da werde aussortiert, droht Springteufel Jack (Caspar Bankert), überhaupt gebe es den Flohmarkt wohl gar nicht, in Wahrheit drohe nämlich die Mülltonne. Generell seien Spielzeuge überflüssig – ein redundantes Relikt auf dem Weg in die Erwachsenenwelt. Letztlich soll bei der Aufräumaktion ausgerechnet die zarte Tänzerin in der Flohmarktkiste landen. Zinn sieht seine Chance gekommen: Um den Verlust zu verhindern, springt er als Ablenkungsmanöver kurzerhand aus dem Fenster – und verliert sich in der Kanalisation.

Die Spielzeuge bilden im Stück ein heterogenes soziales Biotop, eine Gruppe zwischen Konkurrenz und Zusammenhalt: menschlich, allzumenschlich eben, wie Nietzsche schrieb. Auch die Inszenierung rüstet philosophisch auf: Die schwergewichtigen Dialoge über Leben und Hoffnung, denen kaum ein Kind zu folgen in der Lage sein dürfte, zielen klar auf die Erwachsenen. Den Kindern bleibt der Slapstick der Figuren. Diese sind künstlerisch so toll umgesetzt, dass sie keine Langeweile aufkommen lassen: Die Verschmelzung von Mensch und Figur gelingt überragend, vermengt wird das Ganze mit reichlich Musik und Gesang. Auf spielerischer Ebene gibt es nichts auszusetzen.

Tolle Effekte, konfuse Erzählung

Auf erzählerischer Ebene jedoch wirkt das Ganze irgendwann reichlich konfus, das können auch die tollen Effekte nicht kaschieren. Die Geschichte nach dem Fenstersturz wird lapidar erzählt, es kommt wohl eine Ratte vor und ein Fisch – und auf einmal ist der Zinnsoldat wieder da. Da wurde leider zu viel Fokus auf das Figurenspiel gelegt, die Geschichte nur noch halbherzig verfolgt. Dabei hätte eine stringentere Erzählweise viel erreicht. So bleibt eine grellbunte Mischung aus schrägen Figuren und philosophischen Abhandlungen über die Welt der Spielzeuge, die den Erwachsenen verschlossen ist.

Die Erzählung selbst tritt also im komödiantischen Dauerfeuer in den Hintergrund. Empfehlenswert ist das Stück dennoch. Weil es einen gewissen Zauber aus dem gelungenen Puppenspiel bezieht, dem sich auch Kinder nicht entziehen können. Und weil die Geschichte versöhnlich bleibt: Am Ende wartet nicht der Feuertod, sondern der Zusammenhalt der Spielzeugfiguren.   

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