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NUR EIN TAG
von Martin Baltscheit

REGIE: Jennifer J. Whigham
BÜHNE & KOSTÜME: Matthias Müller
DRAMATURGIE: Sina Katharina Flubacher
MUSIK: Tobias Dutschke

Auf dem Bild
v.l. Fabian Raabe, Laura Maria Hänsel, Jacob Keller

Foto: Stefan Gloede

honorarfrei bei Nennung des Copyrights

© Stefan Gloede/Stefan Gloede

Premiere im Kindertheater : Das fabelhafte Sterben

Am Freitag fand die Premiere des Kindertheaterstücks „Nur ein Tag“ im Hans Otto Theater statt. Ein tragisch-schönes Stück.

Von Oliver Köhler

Das Traurige ist im Witzigen am besten aufgehoben, das war schon immer so. Und kann man das tabuisierte Thema Tod und Abschied für Grundschüler und Grundschülerinnen witzig verpacken? Es geht, sogar gut – und das ist die wichtigste Erkenntnis des Stücks „Nur ein Tag“ von Martin Baltscheit, das am Freitag (3. März) unter der Regie von Jennifer J. Whigham in der Reithalle des Hans Otto Theaters Premiere feierte.

Der Fuchs (Fabian Raabe) und das Wildschwein (Jacob Keller) sitzen zu holzigem Froschgequake an einem als Uhr gebauten Teich und angeln, während die Kinder noch ihre Plätze suchen – der Beginn des Stückes schleicht sich einfach ein unter flüsternden Kommentaren der Kids. Was passiert da eigentlich? Da regt sich was im Teich: Eine Eintagsfliege (Laura Maria Hänsel) schlüpft, streckt sich – „Lass uns gehen!“, drängt das Wildschwein. „Ich will sie nicht kennenlernen.“ Was bringe es denn, wenn man sich am Ende gut versteht, und gleich wieder auseinandergehen muss? Doch zu spät: Die Eintagsfliege hat die beiden längst entdeckt.

Jogginganzüge, Basecap und Schnurrbärte

„Ich bin der schlaue Fuchs und das ist ein fettes Schwein!“ – das erste Kindergelächter ist dem Trio gleich sicher. Dabei wirken Fuchs und Wildschwein in Jogginganzügen, Basecap und Schnurrbärten eher wie Super Mario und Luigi, das Comichaft-Groteske (Bühne und Kostüme: Matthias Müller) ist das Rückgrat der Inszenierung. Derweil weiß die Eintagsfliege nichts von ihrem Schicksal – also wird kurzerhand stotternd erklärt, dass es der Fuchs sei, der nur den einen Tag zu leben habe. „Wer nur einen Tag hat, der braucht das ganze Glück in 24 Stunden!“, verkündet die Eintagsfliege, unwissend über das eigene Ableben – wohl an! Die Eintagsfliege wird zum treibenden Keil und versucht, den kurzlebigen Fuchs zu seinem Glück zu verhelfen. Dabei ist es ihr eigenes Glück, und alle bis auf sie wissen es.

Aber was braucht denn ein Fuchs zum Glücklichsein? Schule, na sicher: Das Konzept kennen die Gäste ja. Und es ist eben auch Mitmach- und Reinruftheater, klar. Aber ist Schule das Richtige? Vielleicht doch lieber eine zünftige Hühnerjagd. „Ich bin vegan“, mault der Fuchs zwar erst, schleicht sich aber dann doch in den handelsständischen Hof mit mittelbäuerlicher Hühnerzucht ein.

Slapstickmoment jagt den nächsten, grölende Kinder, dazu dieses zum Schreien komische Fuchs-Wildschwein-Gefrotzel. Der schwierige Kampf um die Aufmerksamkeit der Kinder gelingt dem Stück überraschend gut, die Konstellation wird überdreht, ohne jemals albern zu wirken. Slapstick für die Kleinen, Satire für die Großen: Für Erwachsene ist das Stück dagegen auf einer fast frivolen Ebene komisch, etwa wenn in einer kalauernden Beziehungsszene Fuchs und Wildschwein als Egon und Hannelore ihr Eheleben zelebrieren.

Aber es ist ein durchweg humanistisches Narrativ, ganz mit den klassischen Elementen einer Fabel, bis hin zur Moral – und in das Witzige donnert unvermittelt wieder die ganze Tragödie des Sujets hinein: Leute, hier wird heute noch gestorben! Aber es ist eben auch ein Plädoyer für ein sinnvolles Leben: „Niemand weint über das Leben, und deswegen sollte auch niemand über den Tod weinen.“ Das Gegenteil verkörpert die sekundenzählende grantige zweite Eintagsfliege (Tobias Dutschke), die während des Stückes für eine wunderbar schräge Klanginstallation sorgt, die fast ein wenig untergeht: „Wer backt schon zum Frühstück Brötchen, wenn man abends ins Gras beißen muss?“

Der Abschied kommt dann doch, und er wird in seinem ganzen hoffnungsvollen Anstrich inmitten der grünen Bühne nur umso tragischer. „Doch ein Ende gibt es, weil’s ein Ende geben muss“, singen alle ganz leise, als es dann doch kein Zurück mehr gibt. Immerhin, das Stück tut gut daran, den schwierigsten Teil nicht zu verschweigen oder in Pastelltönen zu verwaschen. Man darf, man soll, ja man muss auch traurig sein. So versöhnlich das ist, so tief steckt dann auch der Kloß im Hals, wenn der verdiente Applaus kommt. Was für ein tragisch-schönes Stück!

„Nur ein Tag“ von Martin Baltscheit, nächste Aufführungen am Sonntag, 5. März, 15 Uhr und am Montag, 6. März, 9 Uhr und 11 Uhr.

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