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Neue Ausstellung in der Villa Schöningen in Potsdam. „Frauen in Conversation“ von Michael Schmidt.

© Andreas Klaer

Dialog der Weiblichkeit: Starke Frauen in der Potsdamer Villa Schöningen

Mal sind es Porträts, mal sind es nur Details eines Körpers: Die Schau „Frauen in Conversation“ des verstorbenen Fotografen Michael Schmidt erweist sich als aktuell – und durchaus kritisch.

Von Alicia Rust

Es sind vor allem junge Frauen zwischen 14 und 30 Jahren alt, die der im Jahr 2014 verstorbene Autodidakt Michael Schmidt in Serie fotografiert hat. Ihr Blick ist stets in die Kamera gerichtet. Selbstbewusst, geradeaus, direkt. Manchmal handelt es sich um ein Porträt, ein anderes Mal werden nur Details eines Körpers gezeigt: Oberschenkel, Brüste, Kniekehlen. Bekleidet, mitunter auch nackt. Die Weiblichkeit kommt als Akt direkt daher, manchmal wird sie durch Kleidung kaschiert oder allenfalls angedeutet. Den Hintergrund bildet stets eine weiße Fläche.

„Diese Leerstellen sind Teil des Konzepts der Ausstellung ‚Michael Schmidt – Frauen in Conversation‘“, sagt Sonia Gonzaléz, Kuratorin der Villa Schöningen. Der Raum, in dem die Frauen porträtiert wurden, sei immer gleich. Nichts, was ablenken würde, nur das Motiv selbst. „Dabei handelt es sich keineswegs um eine dokumentarische Arbeit, sondern um eine künstlerische“, betont Gonzaléz. Die Foto-Serien, die mal aus zwei Motiven und mal aus 35 Fotografien bestehen, wurden bewusst den Werken von zwölf unterschiedlichen Künstlerinnen gegenübergestellt: Neben Zeichnungen und Gemälden gibt es auch Skulpturen. 

Die Bildserie des Fotografen Michael Schmidt, im Hauptberuf Polizist, umfasst insgesamt 81 analoge Schwarz-Weiß-Fotografien. Silbergelatineprints werden Bleistiftzeichnungen gegenübergestellt, wie die von der 1974 verstorbenen Jeanne Mammen. Die Skizze aus den 20er Jahren zeigt einen weiblichen Halb-Akt mit Pagenkopf. Ein visueller Dialog zwischen Frauenbildnissen, wenn man sich bei der Betrachtung etwas Zeit nimmt.

Schmidt interessierte nie das perfekte Bild, er dachte immer in Serie.

Sonia Gonzaléz, Kuratorin

Hier und dort wird der Rhythmus einer Foto-Serie auch von einem farbenfrohen Ölgemälde unterbrochen. Die scheinbare Ordnung der Schwarz-Weiß-Fotografien, mit vielen Grauschattierungen, wird durch die Farben konterkariert. Das wirkt an einigen Stellen ungewöhnlich, weil unerwartet.

Man muss sich darauf einlassen, dass die recht nüchternen Fotografien von Schmidt, die allesamt aus den Jahren zwischen 1997 und 1999 stammen, neben Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen stehen, die aus einer anderen Haltung heraus entstanden sind. Wie etwa das 31 mal 23 Zentimeter große Ölgemälde von Jenna Gribbon, das die Lebensgefährtin der Künstlerin im Jahr 2020 mit erhobenen Händen im Garten darstellt: „Mackenzie on the edge of a phallic shadow.“

Auflösung der Individualität

Bei den Fotos hingegen gibt es immer den gleichen Ausgangspunkt: der menschliche Körper. Eine Person, die sich individuell, wie aus der Kombination vieler Einzelmerkmale zusammensetzt. Aus Größe, Form und Linien. Schmidts Aufnahmen lösen die Individualität der Frauen auf, die in einigen Gemälden betont wird. „Schmidt interessierte nie nur das eine, scheinbar perfekte Bild, er dachte und arbeitete immer in Serie“, sagt Kuratorin Sonia Gonzalés.

Für ihn stand nicht die individuelle Frau, sondern die Gemeinsamkeit einer Altersgruppe und ihre kollektive Erfahrung im Fokus. Auch die Anpassung an gesellschaftliche Normen oder Ideale wird in seinen Werken deutlich. Die Wahl der Kleidung vermag etwas über eine Zeit zu verraten, in der die Bilder entstanden sind, oder etwas über die soziale Zugehörigkeit. Wie auch in der bewussten Gestaltung der Körper durch Piercings, Tattoos oder durch die Rasur des Intimbereichs. 

In einer Zeit, in der soziale Medien einen radikalen Individualismus vermitteln und einfordern, tatsächlich aber oft eine Konformität über Inhalte wie Darstellungen herrscht, erweist sich Schmidts Serie „Frauen“ als aktuell und durchaus kritisch. Zu Beginn seines Projekts hatte Schmidt Frauen und Männer in Serie fotografiert, schließlich entschied er sich aber nur für Frauen. Für ihn stellten sie einen stärkeren Wandel in der Gesellschaft dar. Dabei konzentrierte er sich auf ein neues weibliches Selbstbewusstsein.

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