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Lesung im Waschhaus: Deniz Yücel berichtet aus dem Knast in der Türkei

Anfang 2017 wurde Deniz Yücel in der Türkei verhaftet. Ein Jahr saß der Journalist in einem Gefängnis. Heute stellt er sein Buch über die Haft in Potsdam vor.

Potsdam - Ein Jahr saß der „Welt“-Journalist Deniz Yücel im türkischen Gefängnis. Von Februar 2017 bis Februar 2018 war der 1973 in Flörsheim am Main geborene Sohn türkischer Einwanderer ohne Anklageschrift unter Terrorvorwürfen inhaftiert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Yücel unter anderem als „Agentterrorist“ bezeichnet. Darüber schreibt Yücel nun in seinem gleichnamigen Buch. Am Mittwoch liest er im Waschhaus Potsdam in der Schiffbauergasse. Nach der Lesereise mit insgesamt 50 Terminen wolle er aber einen Punkt setzen und wieder als Journalist arbeiten, sagte Yücel der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Er sei nach wie vor Angestellter der „Welt“ und wolle auch wieder für die Zeitung schreiben – werde allerdings nicht als „Exil-Korrespondent“ über die Türkei berichten. Als Korrespondent müsse man vor Ort sein und er könne bis auf Weiteres nicht in die Türkei reisen, sagte Yücel. Er wolle sich aber weiter mit dem Land beschäftigen. „Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass ich mit alledem nichts mehr zu tun haben will. Ich glaube vielmehr, dass weder die Türkei mit mir fertig ist noch ich mit der Türkei“, sagte er.

Mit seiner Entlassung aus dem Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul durfte Yücel im Februar 2018 ausreisen. Sein Prozess wegen Volksverhetzung und Terrorpropaganda geht jedoch weiter. Nächster Verhandlungstermin ist der 17. Oktober. Yücel sagte, das Urteil sei egal. „Was dieses Gericht sagt, das ist mir völlig gleichgültig. Das Gericht urteilt nicht, es ist ein Ausführungsorgan.“ Die türkische Justiz sei noch nie so „völlig der politischen Führung unterworfen“ gewesen wie jetzt. Nach dem Putschversuch vom Juli 2016 und den sogenannten Säuberungen in der Justiz seien nur noch Opportunisten oder fanatische Anhänger Erdogans übrig geblieben. „Der türkische Staat war noch nie so heruntergekommen wie jetzt“, sagte Yücel.

Die türkische Führung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Seitdem geht die türkische Führung gegen angebliche Gülen-Anhänger, aber auch gegen Oppositionelle vor. Mehr als 100.000 Staatsbedienstete wurden entlassen, darunter Richter und Staatsanwälte. Zehntausende Menschen wurden verhaftet. Auch Deutsche geraten immer wieder wegen angeblicher Terrorverbindungen ins Visier der türkischen Justiz.

Yüzel war im September 2018 in Potsdam mit dem M100 Award des gleichnamigen Mediengipfels ausgezeichnet worden.

Die Lesung mit Deniz Yücel im Waschhaus beginnt 20 Uhr, Einlass ab 19 Uhr. Der Eintritt kostet 15 Euro zuzüglich Gebühren.

(mit dpa)

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