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Mehr Platz. Vorstand Kamal Mohamad Abdallah, Vereinssprecher Habib Weide und Potsdams Ordnungsbeigeordneter Mike Schubert (SPD, v. l.), hier vor dem ehemaligen Heizhaus, sind froh, dass die Suche nach einem größeren Gebetsraum für die Potsdamer Muslime beendet ist.

© Christoph Freytag, Roberto Jurkschat, Andreas Klaer (2) 

Mehr Platz für Muslime in Potsdam: Neue Moschee: Naheliegende Lösung

Potsdams Muslime bekommen mehr Raum für Freitagsgebete. Das Provisorium in der Biosphäre wird damit beendet. Nach einer komplizierten Suche.

Potsdam - „Mekka ist in dieser Richtung“, sagt Potsdams Ordnungsbeigeordneter Mike Schubert (SPD) und deutet in die Ecke eines kahlen, aber hellen Raumes. Durch schmale vertikale Fenster fällt das Sonnenlicht hinein und verleiht dem Innenraum beinahe etwas Sakrales. Ab Herbst sollen die Potsdamer Muslime hier beten können. Das Provisorium in der Orangerie der Biosphäre wäre dann Geschichte.

Die Stadtspitze hat eine Möglichkeit gefunden, dem Verein der Muslime in Potsdam größere Räumlichkeiten zur Miete zur Verfügung zu stellen. Die Pläne stellte Schubert am Freitagvormittag gemeinsam mit dem Vereinsvorstand vor. Die Lösung für das besonders beim Freitagsgebet massive Platzproblem ist überraschend unkompliziert: Der Verein kann ein an seine bisherigen Räumlichkeiten in der Straße Am Kanal 61 angrenzendes ehemaliges Heizhaus nutzen.

Neuer Gebetsraum für Muslime: Genügend Platz für 200 Personen

Die Vergangenheit sieht man dem in den 1950er-Jahren errichteten Gebäude kaum an, das zwischen dem Wohnblock Am Kanal und einem Garagenkomplex im Schatten hoher Bäume steht. Maschinen und Aggregate sind schon vor langer Zeit verschwunden. Zuletzt diente es als Materiallager. Nur eine Fernwärmeleitung schlängelt sich noch an einer Wand entlang. Sie soll nach außen verlegt werden.

Die Erleichterung steht Vereinsvorstand Kamal Mohamad Abdallah ins Gesicht geschrieben. „Wir freuen uns sehr“, sagt er. Die Räume seien nun groß genug. Weitere Vorteile seien, dass die Gläubigen den Standort schon kennen und die Nachbarschaft schon mit den Betenden vertraut sei. Dennoch verteilen am Freitag Mitarbeiter des Ordnungsamts Infobriefe an die Bewohner der Umgebung. „Ich bitte Sie, sich auch in Zukunft offensiv für Weltoffenheit und Menschlichkeit einzusetzen“, schreibt Schubert darin.

Das Gebäude gehörte bisher der mehrheitlich kommunalen Energie und Wasser Potsdam (EWP). Es verfügt über einen großen Raum, der genügend Platz für die Freitagsgebete, zu denen meist rund 200 Muslime kommen, aber auch für die Vereinsarbeit bietet. Außerdem gibt es bereits eine Toilette und eine bodentiefe Dusche, die für religiöse Fußwaschungen genutzt werden kann. Der Verein der Muslime will sich in die Herrichtung des Heizhauses einbringen.

Verein der Muslime in Potsdam zahlt 1000 Euro Miete pro Monat

Bereits seit Herbst 2016 finden die Freitagsgebete der Muslime, darunter zahlreiche Flüchtlinge, in der Veranstaltungshalle der Biosphäre im Bornstedter Feld statt – getrennt vom Betrieb der Tropenhalle. Dorthin hatte Schubert die Gläubigen im Rahmen einer ordnungsbehördlichen Maßnahme ausquartiert, nachdem die Räume der Al Farouk Moschee Am Kanal zu klein geworden waren: Muslime mussten auf dem Gehweg beten, es kam feindliche Stimmung auf, die AfD nutzte dies und platzierte Infostände parallel zum Freitagsgebet. Um dem verfassungsrechtlichen Auftrag einer freien Religionsausübung gerecht zu werden, bot Schubert in dieser Situation im Rahmen einer sogenannten ordnungsbehördlichen Maßnahme die Biosphären-Halle als Ausweichort an. Klar war jedoch, dass es nur eine Interimslösung sein kann. Die Stadt zahlt für jedes Freitagsgebet 1500 Euro für Miete und Reinigung. Zuletzt hatte das Land 30 000 Euro zur Unterstützung beigesteuert.

Das soll mit dem Heizhaus anders werden: Für dieses soll der Verein der Muslime selbst Miete zahlen – die Rede ist von rund 1000 Euro plus Nebenkosten im Monat. Damit sollen alle Kosten abgegolten sein. Die Summe war das Limit, das der Verein selbst genannt hatte: Der Vorstandsvorsitzende Abdallah betont immer wieder, der Verein lasse sich nicht aus fragwürdigen Quellen finanzieren, verfüge deshalb nur über begrenzte Mittel. „Wir werden die Gläubigen um Spenden bitten“, sagt Abdallah am Freitag.

Vermieter des Moschee-Heizhauses soll die Stadt werden

Die jetzt gefundene Lösung der Moschee im Heizhaus wird von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD ) befürwortet. Die Verantwortlichen hegen wohl auch die Hoffnung, mit der zentralen Lage der neuen Räume der Al Farouk Moschee eine Vereinsarbeit zu befördern, die Flüchtlingen beim Ankommen hilft – ein Quartier weit außerhalb sei allein deshalb nicht infrage gekommen.

Vermieter des Moschee-Heizhauses soll die Stadt werden; per Erbpacht soll das Gebäude von der EWP an den Kommunalen Immobilien Service (Kis) gehen und dann direkt vom Verwaltungsfachbereich vermietet werden. Der Mietvertrag soll laut Schubert acht Jahre laufen.

Eine ähnliche Lösung hatte die Stadt für die Potsdamer Tafel gefunden, die eine neue Ausgabe- und Lagerstätte brauchte. Der Verein, der ehrenamtlich Lebensmittel an Bedürftige verteilt, mietet ebenfalls direkt von der Stadt. Ein städtisches Quartier hatte einst auch die Jüdische Gemeinde Potsdam erhalten – im Gebäude der ehemaligen Feuerwache in der Werner-Seelenbinder-Straße.

Schätzungsweise rund 3000 Muslime in Potsdam 

Etwa ein Jahr hat die Suche nach größeren Räumen für die Potsdamer Muslime gedauert. Man habe sich in Städten mit einer ähnlichen Problemlage umgeschaut so Schubert. Seit in den Jahren 2015 und 2016 viele Flüchtlinge vor allem aus muslimisch geprägten Ländern nach Deutschland gekommen waren, seien auch die Gemeinden in den östlichen Bundesländern deutlich angewachsen. Anders als in den alten Bundesländern fehle jedoch eine gewachsene Infrastruktur. Es gebe wenige Moscheen und häufig seien sie klein.

Wie viele Muslime in Potsdam leben, ist unklar. Religionszugehörigkeit wird nicht statistisch erfasst – es sei denn, man zahlt Kirchensteuer. Selbst der Verein der Muslime weiß nicht so genau, wie viele es sind. Zu den Freitagsgebeten seien im Höchstfall etwa 500 Gläubige gekommen. Man schätze deshalb rund 3000 Muslime in Potsdam. Mit dem neuen Gebetsraum könne sich die Gemeinschaft entwickeln. Die Moschee in der Straße Am Kanal könne zu einem echten Anlaufpunkt für die Gläubigen werden. „Darauf können wir in den nächsten acht Jahren aufbauen“, sagt Vereinssprecher Habib Weide.

Auf die Idee mit dem Heizhaus sei die Stadtverwaltung durch ein Vorbild aus Magdeburg gekommen. Dort habe man ein früheres Heizhaus zur Moschee mit Gemeindezentrum umgebaut. Der Potsdamer Energieversorger EWP habe schließlich mehrere Objekte aus seinem Bestand vorgeschlagen – und eines davon lag direkt im Hof der bestehenden Al Farouk Moschee. „Warum in die Ferne schweifen?“, sagt Schubert.

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