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Projekt "Volumetrisches Zeitzeugnis von Holocaustüberlebenden“ im Filmgymnasium Potsdam. Zeitzeugin Alodia Witaszek am Babelsberger Filmgymnasium.

© Andreas Klaer/PNN/Tagesspiegel

Überlebende des Holocaust: Zeitzeugnis für die Zukunft

Ein Potsdamer Projekt will Holocaust-Überlebende als volumetrische Abbildungen aufnehmen, die letzten Aufnahmen werden gerade abgeschlossen.

Mit ruhiger Stimme erzählt Alodia Witaszek die Geschichte ihrer polnischen Familie im Zweiten Weltkrieg: „Mein Vater war Leiter einer Widerstandsgruppe, die einige erfolgreiche Aktionen durchführen konnte“, sagte die 84-Jährige am Donnerstag im Rahmen eines Zeitzeug:innen-Gesprächs im Filmgymnasiums Babelsberg.

Doch die Gruppe wurde verhaftet und alle Mitglieder hingerichtet. Witaszeks Mutter wurde nach Auschwitz verschleppt, sie und ihre vier kleinen Geschwister wurden getrennt. Es begann ein Leidensweg durch das Kinder- und Jugend-KZ Łódź und ein Gaukinderheim der SS, in dem die damals erst fünf Jahre alte Witaszek „germanisiert“ und von einer deutschen Familie adoptiert wurde.

Gebannt hörten die rund 20 Schüler:innen der 10. Klasse am Donnerstag der Erzählung der Zeitzeugin zu. Es war praktisch die Generalprobe für das, was am Freitag passierte: Witaszek erzählte ihre Geschichte noch einmal, diesmal allerdings aufgenommen in einem volumetrischen Verfahren, so dass sie künftig als virtuelle Person späteren Generationen über die NS-Zeit Rede und Antwort stehen kann.

Von 36 Kameras gleichzeitig gefilmt

Durchgeführt wurde das Ganze von der Filmuniversität Babelsberg und dem Potsdamer Startup Volucap, das ein Studio für volumetrische 3D-Aufnahmen auf dem Gelände des Filmstudios Babelsberg besitzt. Hier wurde Witaszek in einem weißen, kuppelförmigen Raum von 36 Kameras gleichzeitig aufgenommen, die Aufnahmen können später zum Beispiel mithilfe von Virtual Reality-Brillen angeschaut werden.

„Man steht dann einer realistischen und komplett dreidimensionalen Abbildung der jeweiligen Person gegenüber“, sagte Regisseur Christian Zipfel. Ebenso möglich sind aber auch Augmented-Reality-Umsetzungen, bei denen die Zeitzeug:innen zum Beispiel über das Smartphone in die Umgebung eingeblendet werden können.

Das brandenburgische Wirtschaftsministerium fördert das Projekt mit 500.000 Euro. Insgesamt elf Zeitzeug:innen zwischen 81 und 101 Jahren haben bislang teilgenommen, der zwölfte und letzte wird in den kommenden Tagen aufgenommen. Die Gespräche dauern im Schnitt eine Stunde, auch die Holocaust-Überlebenden Ruth Winkelmann und Margot Friedländer sind Teil des Projekts.

Für die Aufnahmen gibt es bestimmte Bedingungen: So dürfen die Zeitzeug:innen keine einfarbige Kleidung tragen. Das hat etwas mit dem Produktionsverfahren zu tun: Am Ende müssen alle 36 Aufnahmen zu einer einzigen zusammengepuzzelt werden, doch um zu wissen, welches Teil wohin gehört, ist Kleidung mit Mustern oder sichtbarer Struktur besser geeignet, als schlichtes Schwarz.

Mobile Ausstellung in Brandenburg

Im kommenden Jahr soll das erste Ergebnis erlebbar sein: Das Gespräch mit Margot Friedländer werde zunächst auf verschiedenen Filmfestivals als VR-Erfahrung präsentiert, später sei auch eine dauerhafte Ausstellung denkbar, so Zipfel. „Wir wollen dieses Archiv an Aufnahmen erst einmal bekanntmachen“, sagte der Projektverantwortliche Björn Stockleben von der Filmuniversität.

Denn das gesammelte Material wird nicht auf einen Schlag aufbereitet und veröffentlicht, vielmehr können Museen oder Gedenkstätten je nach Bedarf ihr Interesse bekunden und dann zusammen mit der Filmuniversität und Volucap eines oder mehrere der Gespräche zu einer VR-Erfahrung verarbeiten. „Für uns stand erst einmal im Vordergrund, diese Gespräche aufzunehmen, solange es noch genügend Zeitzeugen gibt“, sagt Stockleben.

Einen konkreten Plan gibt es auch schon für die Aufnahmen von Ruth Winkelmann: Gemeinsam mit dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte soll im kommenden Jahr eine mobile Ausstellung stattfinden, die durch ganz Brandenburg touren wird. Interessierte sollen der virtuellen Zeitzeugin dann Fragen zu verschiedenen Themen stellen können.

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