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Szenen, die keiner will. Nach Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Anhängern des SV Babelsberg 03 beim Landespokalfinale in Luckenwalde ist die Frage noch immer offen, ob der harte Einsatz der Beamten notwendig war.

© Jan Kuppert

SV Babelsberg 03: Sprache der Bilder

Der Fußball-Regionalligist SV Babelsberg 03 wehrt sich erneut gegen den Vorwurf, seine Fans hätten den Polizeieinsatz nach dem Landespokalfinale provoziert. Anhand von umfangreichem Videomaterial hat der Verein die Geschehnisse aufgearbeitet.

Es scheint alltägliches Treiben beim SV Babelsberg 03. Der Fußball-Regionalligist weilt derzeit in einem Kurz-Trainingslager und bereitet sich auf die neue Saison vor, Dauerkarten sind in Arbeit, eine Abnahme der baulichen Sicherheitsvorrichtungen im Stadion verlief jüngst ohne Beanstandungen. Doch in einem Punkt will die Vereinsführung noch nicht zur Tagesordnung übergehen. Nach den Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei beim Landespokalfinale in Luckenwalde Ende Mai ist nach wie vor die Frage unbeantwortet, ob der massive Einsatz von Reizgas und Schlagstöcken notwendig war. Die Polizei hat ihre Maßnahmen gerechtfertigt – zuletzt im Innenausschuss des Landtages, auch Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) verteidigte das Vorgehen. Doch das entstandene finale Bild von radikalen Fußball-Rowdies kann und will der SVB nicht stehen lassen.

Am Dienstag hat die Vereinsführung Journalisten das Videomaterial der Szenen nach Spielschluss gezeigt, das von drei Kameras von Nulldrei-TV aus verschiedenen Perspektiven aufgezeichnet wurde. „Vermummte, die Vorbereitungen trafen, sich zu bewaffnen“, wie Innenminister Schröter es gesehen haben will, zeigen zumindest diese Aufnahmen nicht. Zu sehen sind zunächst die SVB-Spieler, wie sie nach Spielende singend auf den Babelsberger Fanblock zugehen. Torjäger Andis Shala bahnt sich den Weg an zwei uniformierten Polizisten vorbei, die Minuten nach Abpfiff unmittelbar vor dem Zaun zum Fanblock stehen. Shala klettert auf den Zaun und stimmt dort gemeinsam mit Fan-Vorsänger René Kulke einen Jubelgesang an. Auf dem Rasen – gut 15 Meter vor dem Fanblock – singt und tanzt die Mannschaft. Direkten Zugang zum Abklatschen mit ihren Anhängern haben die Spieler nicht, da sich eine Polizeikette etwa einen Meter vor dem Zaun postiert hat. Vorbereitungen zu einem massiven Platzsturm, wie es später im Polizeibericht steht, sind – zumindest in dem Mitschnitt – nicht zu erkennen. Gleichwohl: Einige Fans klettern über den Zaun, um zu den Spielern zu gelangen, werden aber sofort energisch zurückgedrängt. Selbst als einige SVB-Spieler schließlich doch direkt am Zaun stehen, werden sie rüde von Polizisten gestoßen – etwa Torhüter Marco Flügel.

Selbst als sich die Situation wieder beruhigt hatte, wurde Reizgas gesprüht

Dann zeigen die Aufnahmen einen Moment der Unsicherheit: Fans winken den Spielern zu, sie sollen näherkommen, doch die zögern. Als daraufhin einige weitere Anhänger über den Zaun auf den Platz springen, eskaliert die Situation: Die Polizei sprüht den Männern Tränengas entgegen – auch durch den Zaun hindurch gegen Unbeteiligte, die zumindest nicht erkennen lassen, dass sie auf den Platz wollen. Am Boden liegen Verletzte. René Kulke, der kurz zuvor noch mit SVB-Stürmer Shala den Gesang intonierte, bekommt eine Reizgas-Ladung in den Rachen gesprüht. Ein als Sanitäter gekennzeichneter Polizist schlägt einem Fan, der auf dem Platz steht und gestikuliert, einen Teleskopstab über den Kopf. Der Fan nimmt seine Mütze ab, Blut fließt aus einer Platzwunde. Durch und über den Zaun fliegen Fahnenstangen auf die Polizisten. Nach etwa fünf Minuten gibt ein Zauntor nach, durch das weitere Anhänger auf den Platz wollen – sie werden sofort zurückgedrängt, wiederum durch Einsatz von Reizgas. Letztlich sind es etwa ein Dutzend Fans, die auf dem Rasen stehen. Sie schreien die Polizisten an, gestikulieren erregt, versuchen teilweise mit körperlichem Einsatz gegen die Beamten zu den Verletzten zu gelangen.

All das passiert unmittelbar am Zaun, einen Rückzug auf eine Deeskalationsposition auf ein paar Meter Entfernung, wie es in den Stellungnahmen der Polizei heißt, hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben – zumindest zeigen es die vorliegenden Aufnahmen nicht. Selbst als sich nach etwa acht bis zehn Minuten die Situation beruhigt hatte, ist eine Sequenz zu sehen, in der ein Polizist Reizgas durch den Zaun direkt ins Gesicht eines Mannes sprüht.

SVB-Chef Horlitz: Diskrepanz zwischen Polizei-Behauptungen und tatsächlichen Geschehnissen

Die unschöne Bilanz: Nach SVB-Angaben 150 verletzte Fans. Wenige Tage nach dem Einsatz hatte die Polizei in einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem SVB Fehler eingeräumt, sich in den jüngsten Stellungnahmen im Innenausschuss indes für Härte und Mittel gerechtfertigt. „Ich denke, die Bilder sprechen für sich und zeigen eine deutliche Diskrepanz auf zwischen dem, was nachträglich behauptet und was tatsächlich passiert ist. Es wird deutlich, dass anders reagiert hätte werden können“, so SVB-Vorstandschef Archibald Horlitz. Mit Blick auf die kommende Regionalliga-Saison, in der gegen Lok Leipzig, Energie Cottbus und den BFC Dynamo Risikospiele erwartet werden, hält es der SVB für notwendig, dass das Bild vom gewaltbereiten SVB-Fußball-Fan korrigiert wird.

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