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Reizgas durch den Zaun. Der Polizeieinsatz gegen Anhänger des SV Babelsberg 03 nach dem Pokalspiel in Luckenwalde beschäftigt nun den Innenausschuss des Landtags.

© Presseservice Rathenow

Gewalt beim Landespokalfinale von Babelsberg 03: Die wichtigen Fragen bleiben

Der Innenausschuss des Landtags Brandenburgs befasste sich mit Polizeieinsatz gegen Babelsberger Fußballfans, bei dem nach SVB-Angaben 150 Fans verletzt wurden - teilweise sogar schwer. Es gibt erste Erkenntnisse darüber, wie es dazu kommen konnte. Und die Untersuchung geht weiter.

Luckenwalde/Potsdam - Für den gewaltsamen Polizeieinsatz während des Fußball-Pokalspiels des SV Babelsberg 03 (SVB) in Luckenwalde am vergangenen Samstag gibt es weiterhin Aufklärungsbedarf. Auch nach einer Aussprache in der Sitzung des Innenausschusses des Landtages Brandenburg sind relevante Fragen offen. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Fans des SVB und der Polizei sind nach Behördenangaben fünf Beamte und zwei Feuerwehrleute verletzt worden. Der SV Babelsberg spricht inzwischen von 150 Anhängern, die durch den massiven, teils wahllosen Einsatz von Pfefferspray in den Fanblock hinein und durch Schlagstöcke verletzt worden seien. Die Art der Verletzungen gehen dem Verein zufolge von Schnitt- und Platzwunden, Prellungen, Reizungen der Atemwege und Augen bis zu einem angebrochenen Lendenwirbel. Eine Person, die an Asthma leidet, musste reanimiert werden, eine weitere wurde notoperiert.

Andreas Backhoff, Referatsleiter für polizeiliche Einsatzangelegenheiten, verlas vor dem Innenausschuss lediglich den Einsatzbericht der Polizeidirektion West, der auszugsweise auch Teil einer gemeinsamen Presseerklärung der beiden Vereine, des Fußball-Landesverbandes und der Direktion ist, die am Donnerstags veröffentlicht worden war. Zudem räumte Backhoff ein, dass dem harten Einschreiten der Polizei, als Babelsberger Fans nach Spielschluss über die Abzäunung auf das Spielfeld gelangen wollten, ein Kommunikationsproblem zwischen vereinseigenen Ordnern und der Einsatzleitung vorausgegangen war. Die in dieser Situation getroffenen Absprachen seien offenbar unterschiedlich gedeutet worden. „Das ist weiter zu untersuchen“, so Backhoff. Aufzuklären sei, ob der Einsatz von Reizgas gegen Unbeteiligte vermeidbar und andere Maßnahmen möglich gewesen wären.

Unterschiedliche Sichtweisen zwischen Polizei und SVB-Fans

Nach wie vor gibt es zwischen der Darstellung der Polizei und Augenzeugenberichten unterschiedliche Sichtweisen. Und Backhoff blieb weit hinter den Äußerungen von Direktionsleiter Peter Meyritz vom Vortag zurück. Meyritz hatte sein Bedauern für die Verletzten ausgedrückt und erklärt, der massive Einsatz von Zwangsmitteln sollte aufgearbeitet werden.

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So berichtete Backhoff, dass Beamte Reizgas auch hinter die Abzäunung gesprüht hätten, erst nachdem ein Tor geöffnet worden sei und weitere Zuschauer auf den Platz strömen wollten. Zeugen berichten hingegen, dass das Tor erst geöffnet wurde, als vom Reizgas betroffene Zuschauer panisch wurden, sich in dem Block gefangen fühlten und einen Fluchtweg suchten. Daher fragte der CDU-Abgeordnete Sven Petke: „Ist es verhältnismäßig, in einen geschlossenen Block durch einen offenen Zaun eine chemische Substanz zu sprühen? Hat für ein Rechtsgut eine so hohe Gefahr bestanden?“ Ohnehin äußerte Petke, der ausdrücklich seine Mitgliedschaft im FSV Luckenwalde betonte, Zweifel daran, warum den SVB-Fans vor vorherein untersagt wurde, nach dem Spiel mit der Mannschaft auf dem Platz zu feiern. „Es hätte aus Luckenwalder Sicht sicher nichts dagegen gesprochen.“

Alle verabredeten Stufen wurden übergangen

Doch hatten sich beide Vereine in Absprache mit der Polizei im Vorfeld auf diese Maßnahme geeinigt, nachdem drei Wochen vor dem Finale Hooligans bei einem Überfall eines Babelsberger Fanbusses auch Finaltickets gestohlen hatten, sodass eine Gefährdung durch gewaltbereite Fans nicht auszuschließen war.

Problematisch allerdings: Bei den vorangegangen Sicherheitsabsprachen war die spätere Einsatzleitung nicht beteiligt. Daher gab es nach SVB-Darstellung während des Einsatzes keinen Ansprechpartner mit dem nötigen Kenntnisstand über das verabredete mehrstufiges Einsatzkonzept. Demnach sollten zunächst die Ordner die Situation beruhigen. Je nach Lage sollten die Beamten außerhalb des Stadions zunächst in Bereitschaft gehen, in der nächsten Stufe im Stadion in Sichtweite des SVB-Fanblocks Stellung beziehen und erst in letzter Konsequenz vor dem Gästezaun aufziehen. Alle verabredeten Stufen seien übergangen und gleich die höchste Eskalationsstufe gewählt worden.

Gemeinsame Erklärung mit der Polizei wird kritisiert

Durch Backhoffs Bericht im Innenausschuss sieht SVB-Vorstandschef Archibald Horlitz die zuvor getroffene Verabredung einer gemeinsamen Klärung gebrochen: „Das war tendentiös, einseitig und falsch“, sagte er. Es ist keine gemeinsame Aufarbeitung, wenn nur die Sicht der Polizei dargestellt werde. „Wenn die Polizei aus ihrer Sicht die Abläufe schildert, ohne in der Lage zu sein, die bereits zugegebenen Fehler und Missverständnisse in der Kommunikation zu erklären, bringt uns das nicht ernsthaft weiter“, sagte Horlitz.

Der SVB-Chef war zuvor von etlichen Fans für die gemeinsame Erklärung mit der Polizei kritisiert worden. Das käme einem Eingeständnis gleich, dass SVB-Anhänger der Auslöser für den harten Einsatz der Polizei waren, so der Vorwurf. Wie heikel die Lage in Luckenwalde war, zeigt noch ein anderer Umstand: Die Rettungskräfte riefen einen sogenannten MANV aus – einen Massenanfall von Verletzten und Erkrankten. Und das nach einem Einsatz der Polizei. Der Innenausschuss wird sich damit erneut befassen – wenn die Polizei mit ihrer Untersuchung fertig ist. (mit Alexander Fröhlich)

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