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Baustelle Garnisonkirchturm, Breite Straße Potsdam

© Andreas Klaer

Rekonstruktion oder Neubau?: Debatte über Brüche im Potsdamer Stadtbild

Mehr DDR oder mehr Preußen? Über den richtigen Umgang mit dem baulichen Erbe der Stadt wurde im Rechenzentrum diskutiert –  dabei ging es natürlich auch um die Garnisonkirche.

Darf’s ein bisschen mehr sein? Ja – mehr DDR oder mehr Preußen? Über den richtigen Umgang mit dem baulichen Erbe unserer Städte diskutierten am vergangenen Donnerstagabend Experten und Publikum im Potsdamer Rechenzentrum an der Breiten Straße.

Der Moderator des Abends, Achim Saupe vom Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF), vermaß Potsdam gleich zu Beginn der Veranstaltung, indem er der einstigen Residenz- und heutigen Landeshauptstadt bescheinigte, sie sei „die Hauptstadt der Rekonstruktion im 21. Jahrhundert“. Stadtschloss, Palast Barberini und Garnisonkirche sind die prominentesten, aber bekanntlich keineswegs die einzigen Gebäude, mit deren Nachschöpfungen das Stadtbild eine Heilung von Krieg und DDR erfahren soll.

„Ein Armutszeugnis für unsere Zeit“ sei es, wenn wir längst abgerissene Gebäude heutzutage rekonstruieren, sagte ein Student der Potsdamer Fachhochschule in der Diskussion. Die heutige Zivilgesellschaft vermöge es allerdings nicht, gänzlich neue Gebäude hervorzubringen, die auch nur annähernd so hochwertig seien, wie die rekonstruierten Bauten, räumte der junge Mann vom Fachbereich Architektur ein und bekannte zugleich: Etwas bauen, das von uns selbst zeugt – „da sind wir gerade nicht gut drin“.

Die Innenstadt wirkt auf manche wie eine Puppenstube

Widerspruch kam vom früheren Chef des ZZF, dem Historiker Martin Sabrow. Die Rekonstruktionen der vor Jahrzehnten aus dem Stadtbild getilgten Bauten seien eben gerade das, was wir heute bauen und das damit von uns selbst zeuge. Die Gefahr der „Verpuppenstubung“ des Stadtbildes sei allerdings auch nicht von der Hand zu weisen. Sabrow sprach sich dafür aus, dass die baulichen Spuren der DDR sichtbar bleiben. „Ich möchte diese Brüche erlebbar machen“, sagte Sabrow, der Mitglied des Leibniz-Forschungsverbundes „Wert der Vergangenheit“ ist.

Besonders sichtbar wird dieser Konflikt der verschiedenen Zeitschichten am Ort von Garnisonkirche und Rechenzentrum in Potsdam. Dies sei „ein so unbarmherziger Aufeinanderprall gegenläufiger Geschichtserzählungen“, wie man ihn woanders kaum erlebe, sagte Sabrow.

Die Spannung zwischen Rechenzentrum und Garnisonkirche

Er sprach sich zum wiederholten Male für ein Nebeneinander von Garnisonkirche und Rechenzentrum aus. Gerade einmal 1,70 Meter betrage der Abstand zwischen beiden Gebäuden, sagte Anja Engel, Kulturmanagerin im Rechenzentrum. Dass diese merkwürdig anmutende räumliche Situation zuweilen zu Verwirrung führen kann, machte Engel in der Diskussion am Donnerstagabend mit einer Anekdote deutlich: „Warum haben die denn das Rechenzentrum so nah an den Turm gebaut?“, habe sich vor einiger Zeit eine Touristin gefragt.

Eine distanzierte Haltung zu den heutzutage so beliebten, aber eben auch umstrittenen Rekonstruktionen alter Bauten nahm in der Diskussion Magnus Brechtken ein. Der stellvertretende Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin sagte, er vermisse in den gesellschaftlichen Debatten über Rekonstruktionen und Restaurierungen oft den genauen Blick in die Geschichte.

Gelegentlich fehlt der Blick auf die Geschichte

Man müsse sich doch fragen, was die ursprünglichen Gebäude den Menschen früher bedeutet haben. Erst aus dieser präzisen Rückschau werde die Bedeutung der historischen Bauten für uns heute erkennbar. Brechtken führte als Beispiel nationalsozialistische Sprüche auf dem Berliner Olympiagelände an, die erst in neuerer Zeit restauriert worden seien. Der Historiker mahnte eine gesellschaftliche Diskussion über den Umgang mit dieser „Rassenideologie in Stein“ an.

Martin Sabrow hingegen wollte im vollbesetzten Kosmos-Raum des Rechenzentrums am Donnerstagabend den Steinen nicht den Schwarzen Peter zuschieben. „Es sind nicht die Steine, die über den Charakter eines Gebäudes entscheiden“, sagte Sabrow. Ein Haus werde maßgeblich von seiner Nutzung bestimmt.

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