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Potsdam und die Synagoge: Land delegiert Synagogen-Streit

Über Jahre versuchte das Land Brandenburg zwischen den zerstrittenen jüdischen Gemeinden in Potsdam zu vermitteln, ohne Erfolg. Nun übernimmt der jüdische Wohlfahrtsverband die Verhandlungen mit den Gemeinden und auch Trägerschaft für ein jüdisches Zentrum in der Innenstadt

Innenstadt - Im Potsdamer Synagogen-Streit geht das Land vier Jahre nach der Baustopp-Notbremse neue Wege: Statt der miteinander überworfenen jüdischen Gemeinden soll nun die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. (ZWST) der Partner für den auf Eis liegenden Neubau in der Schlossstraße sein. Der Wohlfahrtsverband, der wie das Deutsche Rote Kreuz oder die Arbeiterwohlfahrt zu den sechs Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland gehört, soll zunächst die Verhandlungen mit den jüdischen Gemeinden über Aussehen und Nutzungskonzept des Hauses übernehmen und später auch Träger der Einrichtung sein. Das Land werde sowohl für die Bau- als auch für die Betriebskosten des neuen „jüdischen Zentrums mit einer Synagoge“, wie es nun offiziell heißt, aufkommen. Das erklärten die brandenburgische Kulturministerin Sabine Kunst (SPD) und Abraham Lehrer, Vorstandschef der Zentralwohlfahrtsstelle und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, am gestrigen Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Ob damit der gordische Knoten wirklich durchschlagen ist, wie Ministerin Kunst am Dienstag sagte, bleibt abzuwarten. Bei den zwei jüdischen Gemeinden, die laut Staatssekretär Martin Gorholt erst am Montag über das neue Modell informiert wurden, gab es am Dienstag jedenfalls keinen Jubel. Sowohl Mykhaylo Tkach vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde als auch Ud Joffe von der Synagogengemeinde wollten sich auf PNN-Anfrage nicht zu der neuen Lösung äußern. „Kein Kommentar“, hieß es von Tkach, „Dazu sagen wir nichts“, von Joffe. Laut Gorholt haben beide Gemeinden das Modell „klar akzeptiert“. „Die Signale sind positiv“, sagte ZWST-Vorstand Abraham Lehrer. Zum Treffen seien auch die Gesetzestreue Jüdische Gemeinde und die Jüdische Gemeinde Mitzwa eingeladen worden, aber nicht gekommen. Bei den Gesetzestreuen war am Dienstag auf PNN-Anfrage keiner zu erreichen. Mit der ZWST habe man seit Januar über das neue Trägermodell verhandelt, sagte Gorholt.

Die neue Synagoge werde auf Grundlage des Haberland-Entwurfes geplant, sagte Gorholt – einen Konsens zwischen den Gemeinden gebe es zunächst aber nur beim Thema Raumaufteilung. Über das Äußere sei noch nicht gesprochen worden, betonte der Staatssekretär. An dem Haberland-Entwurf, der 2009 als Sieger in einem Architektenwettbewerb gekürt wurde, hatte sich der Synagogen-Streit ursprünglich entzündet: Potsdamer Juden, die den Entwurf als zu wenig sakral kritisieren, gründeten die Synagogengemeinde. Da sich die zwei Gemeinden nicht über das Aussehen einigen konnten, verhängte das Land 2011 einen Baustopp. Die von Staatssekretär Gorholt seitdem geführten Verhandlungen und Mediationsrunden blieben aber letztlich ohne Erfolg.

ZWST-Vorstand Abraham Lehrer zeigte sich nun zuversichtlich, dass das jüdische Zentrum im Spätherbst 2017 bezugsfertig werden kann. Auf einen möglichen Baustart-Termin wollte er sich nicht festlegen lassen – zunächst werde man mit den Gemeinden sprechen. Man sei an einer gemeinsamen Lösung interessiert, werde das Zentrum aber auch bauen, wenn diese nicht zustande komme, betonte er. „Dann wird die ZWST das jüdische Zentrum mit Leben erfüllen“, sagte Ministerin Kunst. Man setze auf einen sachbezogenen Austausch mit den Gemeinden und sei nicht „an den Befindlichkeiten vielleicht auch einiger Personen untereinander“ interessiert, so Lehrer.

In dem jüdischen Zentrum sollen nicht nur Gottesdienste, sondern auch Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, Sozialberatung und Schulungen stattfinden – der Eindruck, dass in der Schlossstraße nur ein Kulturzentrum ohne Synagoge entstehe, sei aber falsch, hieß es. Geplant seien – wie auch bisher – ein Gebetsraum mit 170 Plätzen und ein Veranstaltungsraum mit bis zu 250 Plätzen. Lehrer verweist als Vorbild auf die Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin, die die ZWST seit der Wende als jüdisches Zentrum entwickelt und betrieben hatte – vor zwei Jahren sei sie an die Jüdische Gemeinde übergeben worden.

Wie teuer der Potsdamer Synagogenbau wird, muss laut Ministerium neu kalkuliert werden. Das Land halte weiterhin rund fünf Millionen Euro vor und rechne mit Betriebskosten in Höhe von 300 000 bis 500 000 Euro jährlich. Die ZWST bekomme für die Vermittler- und Trägerrolle kein Honorar, betonte Lehrer.

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