zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Kurz vor dem Verglühen

Vor zehn Jahren startete der Satellit „Champ“ in den Orbit / Am GFZ wurde der Jahrestag begangen

Teltower Vorstadt - Er rast mit einer Geschwindigkeit von acht Kilometern pro Sekunde um die Erde, in anderthalb Stunden schafft er eine Umrundung: Am 15. Juli 2000 startete der Satellit „Champ“ als Gemeinschaftsprojekt des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vom russischen Plesetsk aus in seine damalige Umlaufbahn in 454 Kilometern Höhe. Mittlerweile ist er auf etwa 260 Kilometer gesunken und wird wohl im Herbst verglühen, erklärte GFZ-Direktor Reinhard F. Hüttl am Mittwoch auf dem Telegrafenberg. Dort wurde der zehnjährige Geburtstag des 8,40 Meter langen und gut 500 Kilogramm schweren Satelliten mit einer Kurztagung und einem Sommerfest begangen – den düsteren Aussichten zum Trotz.

Tatsächlich ist die Phase kurz vor dem Verglühen für die Forscher sogar besonders interessant, erklärte Hüttl. Sie erwarten sich aus der niedrigen Höhe noch einmal wichtige Daten von „Champ“. Mit denen hat der Satellit in seiner zehnjährigen Karrierre bereits mehrfach Schlagzeilen gemacht: „Unglaublich: Die Erde ist nicht rund“ titelte zum Beispiel die Bild-Zeitung bei der Vorstellung der sogenannten „Potsdamer Schwerekartoffel“ vor sechs Jahren. Dieses Modell der GFZ-Forscher verdeutlicht, dass die Erde eher einer Kartoffel gleicht – mit Höhenunterschieden von bis zu 200 Metern auf den Meeren. Das Modell sei mittlerweile zur zentralen Referenzfläche für Meeresspiegelmessungen geworden, sagte Hüttl gestern.

Auch die Technik des Satelliten sei beispielgebend für weltweite Nachfolgeprojekte geworden. „Champ“ misst nicht nur das Erdschwerefeld, er liefert auch Wetterdaten, zum Beispiel zu Temperatur und Wasserdampf in der Atmosphäre, die für die Wettervorhersage und in der Klimaforschung genutzt werden können. Außerdem zeichnet der Satellit die Stärke des Erdmagnetfeldes auf.

Auch in diesem Bereich erlebten die Forscher eine Überraschung, wie Hüttl berichtete: So nehme die Stärke des Magnetfeldes, das die Erde vor kosmischer Strahlung schützt und auch das Klima beeinflusst, immer weiter ab – im Südatlantik beispielsweise um zwölf Prozent in den vergangenen 30 Jahren. Gleichzeitig beschleunige sich die Wanderung der Pole ungewöhnlich stark: Der magnetische Nordpol etwa rücke derzeit um 50 Kilometer pro Jahr in Richtung Sibirien vor. Wieso das passiert und was das für Infrastruktur, elektrische Geräte, das Klima, aber auch für die Tierwelt, zum Beispiel den Vogelflug, bedeutet, sei derzeit unklar. Das GFZ plane daher eine „Taskforce“, die sich mit Auswirkungen und möglichen Gegenmaßnahmen befassen soll, sagte Hüttl den PNN am Rande der gestrigen Tagung.

Vor diesem Hintergrund verwies der GFZ-Direktor auch auf die dringend Notwendigkeit von Folgeprojekten für „Champ“ nach dessen Verglühen: „Da darf es keine Datenlücke geben.“ Eine US-amerikanisch-deutsche Satelliten-Mission sei bereits im Orbit, die Europäische Weltraumbehörde ESA plane nun eine weitere Mission mit drei koordinierten Satelliten, die voraussichtlich 2014 starten sollen. Jana Haase

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false