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Nach dem vermissten Elias aus Potsdam wird seit einer Woche gesucht, auch in Berlin.

© dpa

Tipps für Eltern zum Fall Elias: Kinderpsychologin „Wichtig ist, nicht zu dramatisieren“

Besser nicht verschweigen: Die Kinderpsychologin Birgit Elsner erklärt im PNN-Interview, wie Eltern mit ihren Kindern über den Fall Elias sprechen sollten.

Frau Elsner, wegen der Vermisstensuche nach Elias hängen überall in Potsdam Suchaufrufe mit dem Gesicht des Jungen. Was sollten Eltern aus Ihrer Sicht antworten, wenn sie von ihren Kindern danach gefragt werden?

Grundsätzlich sollte man zwei Dinge beachten. Wichtig ist es, dem Kind keine übermäßige Angst zu machen. Gleichzeitig sollte man aber auch auf die Fragen der Kinder eingehen – auch wenn das für manche schwierig und unangenehm sein kann.

Also sollten Eltern diesen Vermisstenfall nicht verschweigen?

Ja. Schweigen könnte bei Kindern tatsächlich noch mehr Unsicherheit hervorrufen. Das Kind merkt, dass etwas passiert ist – und das wiederum kann dramatisierende Gedanken hervorrufen, was da geschehen sein könnte. Man sollte also die Fragen der Kinder ernst nehmen.

Die Frage ist dann aber doch: Wie erkläre ich es meinem Kind am besten?

Wichtig ist, nicht zu dramatisieren. Es ist doch so: Keiner weiß bisher, was genau passiert ist – das kann man genau so erklären. Man kann also sagen: Alles, was wir wissen, ist, dass ein Kind raus zum Spielen gegangen ist, seitdem verschwunden ist und sich nun alle große Sorgen machen. Dazu sollte man sagen, dass dies eine Ausnahmesituation ist und es deswegen auch diese große Öffentlichkeitskampagne gibt – mit all den Suchaufrufen, die auch Kinder überall wahrnehmen. Dazu sollte man noch kurz – gerade wenn das Kind nachfragt – die verschiedenen Möglichkeiten erklären, was nun passiert sein könnte.

Dann kommt man automatisch darauf, dass Elias auch das Opfer eines Verbrechens geworden sein könnte. Was sollten Eltern dabei beachten?

Ich empfehle dringend, dabei auf drastische Schilderungen oder Schreckensszenarien zu verzichten, um unbegründete Ängste zu vermeiden. Konkret reicht es dabei, wenn Eltern erklären, dass ein böser Mensch Elias gegen seinen Willen mitgenommen haben könnte. Das kann man verantworten: Böse Charaktere kennen auch junge Kinder schließlich schon aus Märchen und Comic-Geschichten. Aber man sollte eben nicht zu stark ins Detail gehen.

Wenn Eltern auf ein mögliches Verbrechen zu sprechen kommen, werden sie auch ihr Kind vor Gefahr warnen wollen. Was empfiehlt sich an dieser Stelle?

Es gibt da verschiedene Ansätze. Viele Eltern sagen ja, gehe gleich weg und meide jeden Kontakt zu Fremden. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass Kinder dieses Herangehen anfällig für sexuellen Missbrauch BEmacht – insofern, dass Kinder im Fall des Falles sich nicht mehr trauen, darüber zu sprechen.

Warum?

Einfach weil Kinder dann glauben, sie hätten etwas falsch gemacht – und verheimlichen das Geschehene.

Und wie können es Eltern besser machen?

Der bessere Ansatz ist Kinder zu sensibilisieren und ihnen zu erklären, dass es gute und schlechte Menschen gibt. Gleichzeitig sollte man den Kindern Stärke und genügend Selbstvertrauen mitgeben, ihnen zeigen, dass sie im Zweifel „Nein“ sagen sollten. Dazu sind viele Gespräche nötig, keine Frage. Und noch einmal: Angst ist in diesem Fall kein guter Ratgeber. 

Was ist, wenn das Kind fragt: „Kann mir das auch passieren, dass ich verschwinde?“

Dann sollte man klar machen, dass Kind bei einem Verbrechen das Opfer ist und sich das nicht immer verhindern lässt. Aber: BEMan kann dem Kind sagen, dass sich das Risiko verkleinern lässt, wenn es bestimmte Verhaltensregeln einhält: Sage uns, wo du hingehst und sprich mit uns über Sorgen. Bleib mit deinen Freunden zusammen. Gehe nicht alleine durch einsame oder dunkle Gegenden. Sei wachsam gegenüber Fremden und steige nicht zu ihnen ins Auto.

Welche Sprache sollte man wählen?

Man sollte sich so ausdrücken, dass die Kinder auch verstehen, um was es geht. Dabei man muss abstufen, ob man die Erklärung einem Zehn- oder einem Vierjährigen gibt. Ein Beispiel ist das Thema, dass es gute und böse Menschen gibt. Bei kleineren Kindern wird man das nur so vereinfacht darstellen können – älteren Kindern können Eltern dann auch erklären, dass es Menschen gibt, die lieb tun, aber Böses im Schilde führen. Wichtig ist dabei, solche Sachen mit den Kindern ruhig zu besprechen, damit sie keine unnötigen Ängste bekommen.

Das Gespräch führte Henri Kramer

ZUR PERSON:

Birgit Elsner ist Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Potsdam. Die 46-Jährige forscht unter anderem zur kognitiven Entwicklung in der frühen Kindheit.

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