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Bomben im Potsdamer Boden: Explosives Erbe

Nach der Entschärfung ist vor der Entschärfung: Munitionsexperten erwarten weitere Bombenfunde am Hauptbahnhof. Die ILB will die Suche auch auf das Umfeld des Neubaus ausweiten.

Innenstadt - Potsdam stehen am Hauptbahnhof sehr wahrscheinlich noch weitere Bombenfunde bevor: Von dem insgesamt rund 9000 Quadratmeter großen Gelände, das dort derzeit für den Neubau der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) ausgehoben wird, sind erst rund 3000 Quadratmeter fertig abgesucht, sagte ILB-Vorstandschef Tillmann Stenger den PNN am Mittwoch. Die beiden am gestrigen Mittwoch und im vergangenen Dezember entschärften 250-Kilogramm-Bomben waren außerdem nicht die einzigen Funde auf dem Gelände, wie Sprengmeister Mike Schwitzke vom Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes nach getaner Entschärfung sagte: Es seien dort bereits 3,5 Tonnen noch transportfähige Munition gefunden und ohne Evakuierung abtransportiert worden. „Ich bin nach wie vor der Meinung, wir sehen uns hier aufgrund der Belastung des Geländes im Zielgebiet der damaligen Bombardierung nicht das letzte Mal“, sagte Schwitzke.

Auf der heutigen Brache zwischen Hauptbahnhof und Neuer Fahrt befand sich einst ein Güterbahnhof. Während der Potsdamer Bombennacht vom 14. auf den 15. April 1945 stand dort laut Schwitzke zudem ein mit deutscher Munition beladener Zug. Auf den Luftaufnahmen, die die Alliierten seinerzeit vor und nach der Bombennacht vom Stadtgebiet machten, ist das Ausmaß der Zerstörung gut erkennbar. Die Schwarz-Weiß-Fotos sind heute auch die Grundlage für die Arbeit der Bombenexperten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes bei der Suche nach möglichen weiteren Blindgängern.

Die aktuellen Bombenfunde auf der Baustelle sind auch für den Bauherrn von der ILB nicht ganz überraschend: „Wir wussten, auf welches Gelände wir uns hier einlassen“, sagte ILB-Vorstand Tillmann Stenger. Bereits vor Baustart im vergangenen Dezember hatte ein Spezialunternehmen Tiefenuntersuchungen im Raster von 1,50 Meter mal 1,50 Meter vorgenommen. Die nun laufenden Aushubarbeiten an der Oberfläche wurden wegen der möglichen Belastung von Anfang an von Spezialisten begleitet. „Die Bomben sind nicht übersehen worden“, betonte Sprengmeister Schwitzke.

Die ILB will angesichts der bisherigen Entwicklungen in Absprache mit Stadt und Land nun auch das Areal rund um den Neubau untersuchen lassen, wie Vorstandschef Stenger sagte. Insgesamt habe die ILB ein Gelände von rund 20 000 Quadratmetern erworben. Neben dem Neubau sei dort unter anderem ein öffentlicher Park geplant. „Es ist auch unser Interesse, dass das Umfeld kampfmittelfrei wird“, so Stenger. Bisher hätten die Entschärfungen den Zeitplan nicht in Gefahr gebracht – das könne sich aber ändern, wenn weitere Bomben gefunden werden.

Die Kosten für die Munitionssuche durch das Spezialunternehmen trägt die ILB, so Stenger. Für die Entschärfung kommt der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes auf, für die großräumige Evakuierung die Stadt. Die Potsdamer SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein hatte erst Anfang der Woche eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten gefordert.

Dass die jetzt entschärfte US-amerikanische Bombe am 15. April 1945 gefallen ist, hält Sprengmeister Schwitzke für sicher: Denn sie sei erst im Dezember 1944 hergestellt worden – die vor drei Wochen gefundene US-Bombe sogar erst im Januar 1945. Ein Abwurf beim US-Tagesangriff im Juni 1944 ist damit ausgeschlossen. Zwar kamen am 14. April nur britische Flieger nach Potsdam, sie hätten aber auch US-Munition abgeworfen.

Dass es bei den Entschärfungen neuerdings einen Knall gibt, hängt mit neuen Richtlinien vom Kampfmittelbeseitigungsdienst zusammen, erklärte Schwitzke: Wurde der abgeschraubte Zünder früher mit abtransportiert, wird er jetzt vor Ort kontrolliert gesprengt. „So ein Zünder hat die gleiche Sprengwirkung wie eine Handgranate“, erklärt Schwitzke, der am morgigen Freitag seinen 44. Geburtstag feiert.

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