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Landeshauptstadt: Der nächste Meilenstein

Der Studio-Babelsberg-Film „The Grand Budapest Hotel“ hat vier Oscars gewonnen – ein neuer Rekord

Babelsberg - Der Oscar ist fast lebensgroß: Spiegelblank ist die goldene Figur, die die Handwerker vom Art Department des Studio Babelsbergs am Montag nach der Oscar-Nacht aus dem Requisitenfundus geholt haben. Sie haben den Goldjungen für den Pressetermin in der Studio- Werkstatt aufgestellt, vor der Wand mit den quadratischen Arbeitsproben der Kulissenbauer: Marmor, Klinker, Feldstein, orientalisches Mosaik, Holzparkett – nichts davon ist echt, auch wenn es selbst noch auf den zweiten Blick so aussieht.

Echt ist dagegen die Freude, die Marco Preßler ins Gesicht geschrieben steht. Er muss nicht viele Worte machen. „Breite Brust“, sagt er und grinst. Preßler war der Projektleiter für die Babelsberg-Koproduktion „The Grand Budapest Hotel“, die in der Nacht zum Montag in Hollywood mit vier Oscars ausgezeichnet wurde. Es ist ein neuer Rekord für die Babelsberger Traditionsfilmstudios, die damit auf insgesamt 14 Oscar-Gewinne seit 2002 verweisen können. Gleichzeitig ist es eine Premiere: Denn erstmals gab es den Oscar für das Produktionsdesign – also die Arbeit, die Preßler und seine Kollegen tagtäglich leisten.

Anruf in Hollywood. Es ist kurz vor 7 Uhr früh in Potsdam, weit nach Mitternacht am Sunset Boulevard, wo die Babelsberg-Chefetage bei der Party der 20th Century Fox im Boa Steakhouse die Oscar-Gala gefeiert hat. Oder noch feiert. „Die Stimmung ist grandios“, ruft Studio-Vorstand Christoph Fisser ins Telefon. „Das ist wirklich ein Erfolg – noch nie hat ein Film, der in Deutschland produziert wurde, so viele Oscars gewonnen“, sagt er und schiebt nach: „Außerdem hat der Film in den Disziplinen gewonnen, in denen unsere Handwerker arbeiten – insofern sind wir überglücklich.“

Neunmal war die Tragikomödie von US-Regisseur Wes Anderson nominiert, genauso oft wie „Birdman“ von Alejandro González Iñárritu. Während der Mexikaner in den Königskategorien Bester Film, Regie sowie Kamera und Drehbuch vier Preise gewann, setzte sich „The Grand Budapest Hotel“ mit der Filmmusik von Alexandre Desplat, beim Szenenbild, Kostüm und Make-up durch. Was in den Augen der Filmwelt als die schwächeren Disziplinen gelten könnten, ist für Studio Babelsberg der Ritterschlag aus Hollywood, ein Ausweis für die Qualität der hier geleisteten Arbeit. „Das sind die wichtigsten Kategorien für den Standort und für Studio Babelsberg“, sagt Christoph Fisser.

Bei Michael Düwel, dem Chef des für Kulissenbau und Ausstattung verantwortlichen Art Departments der Traditionsfilmstudios, klingt das ähnlich: „Das zeigt, dass wir hier in Babelsberg mit unserem Team international auf Augenhöhe sind“, sagt er. Vor zehn Jahren, erinnert er sich, habe er in Verhandlungen über neue Projekte mit US-Filmemachern noch oft die Frage gehört: „Könnt ihr das überhaupt?“ Mittlerweile sei das Vertrauen da, mit den Babelsberg-Leuten das bauen zu können, was gebraucht wird. „Das ist ein Know-how, was sich unsere Teams über die Jahre erarbeitet haben“, sagt Düwel.

Die Gratulationen, die das Studio am Montag aus aller Welt per E-Mail erreichen, unterstreichen das: Aus den USA melden sich Schwergewichte wie Warner Bros. oder Dreamworks. Das US-Branchenmagazin The Hollywood Reporter widmet dem deutschen Filmstudio einen Artikel. „Das ist die beste Werbung für uns und für den Filmstandort“, sagt Studiosprecher Eike Wolf.

Auch aus der Politik regnet es Glückwünsche. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sieht den Oscar für das Szenenbild als „Beweis für das herausragende technische Niveau der Babelsberger Filmstudios“. „Der international wichtigste Filmpreis adelt die Handwerkskunst von Studio Babelsberg“, heißt es bei Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). „Dieser Erfolg zeigt einmal mehr den hohen Rang und das weltweite Ansehen unserer Filmregion“, betont Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Solche Bekundungen wird man gern hören in Babelsberg. Denn die Debatte um die Kürzung der Bundesfilmförderung ist noch nicht vergessen. „Wieder einmal haben wir in Potsdam bewiesen, dass Babelsberg in der ersten Liga der Filmstandorte mitspielt“, freut sich Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD): „Die Landeshauptstadt ist stolz auf ihre Studios.“

Stolz ist auch Projektleiter Marco Preßler. Er hat früh aus dem Videotext vom Oscar-Erfolg erfahren. „Ich freue mich natürlich riesig fürs ganze Team“, sagt er. Allein um die 100 Handwerker koordinierte er für die Arbeit an Wes Andersons bonbonbuntem und bittersüßem Film, der in einem Luxushotel in einem erfundenen Alpenstaat in der Zwischenkriegszeit spielt. Gedreht wurde zum großen Teil im sächsischen Görlitz. Insgesamt bis zu 350 Mitarbeiter waren im Einsatz. „Film ist im Grunde Teamsport“, sagt Kulissenmaler Robert Krüger, der für „Grand Budapest Hotel“ bis zu 40 Maler koordinierte. Krüger ist wie Preßler seit Defa-Zeiten beim Studio. Aber die Nacht durch wach bleiben für die Oscar-Gala? Krüger schüttelt den Kopf: „Ich muss ja am nächsten Tag wieder arbeiten.“

Nach dem Oscar ist vor dem nächsten Drehstart in Babelsberg. Derzeit werden mehrere Projekte vorbereitet. In Bayern beginnt der Dreh von „Eddie the Eagle“, auch über einen Western mit Teenie-Schwarm Robert Pattinson verhandelt Babelsberg (PNN berichteten). Studio-Vorstand Christoph Fisser kündigt weitere „richtig schöne Projekte“ an.

Alles wie sonst also an diesem Montag im Studio? Ja und nein. Man hat mit Sekt angestoßen, aber das hätte man ohnehin, weil Requisitenfundus-Chef Eckehard Wolf seinen 65. Geburtstag feierte. Der Arbeitsalltag im Studio geht weiter und das ist eine gute Nachricht, wenn man an die Sorgen wegen abgesprungener Projekte noch vor einem Jahr denkt.

Dieser Wes-Anderson-Film, das ist in den Monaten seit der Premiere auf der Berlinale vor einem Jahr immer deutlicher geworden, wird bleiben. Nicht nur die Kritiker, auch die Kinozuschauer mochten ihn: Weltweit spielte er rund 174,6 Millionen US-Dollar – 153,4 Millionen Euro – ein. Dutzende Filmpreise hat er abgeräumt. Nun die Krönung mit vier Oscars, mehr noch als für Roman Polanskis „Der Pianist“, der mit drei Oscars bisher den Babelsberg-Rekord hielt.

Ähnlich wie Polanskis Holocaust-Drama könnte auch „The Grand Budapest Hotel“ zum Meilenstein für Babelsberg werden. Nach dem „Pianisten“ öffneten sich seinerzeit für die Babelsberger Studios in Hollywood die Türen. Der Film war seinerzeit die Visitenkarte, mit der Stars wie Kevin Spacey, Quentin Tarantino oder zuletzt Steven Spielberg nach Potsdam gelockt werden konnten. Stars mit großen Projekten und Budgets, wie sie für das Überleben der Studios und damit der Filmhandwerkertradition am Standort entscheidend sind. Dass Babelsberg verdient in dieser Liga spielt, beweisen die Oscars für „Grand Budapest Hotel“.

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