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Die Äpfel blühen. 1991 machte sich Gerhard Neumann mit seinem Erntegarten selbstständig. Tausende Kunden kommen an Sommerwochenenden auf den Hof bei Bornim. Tiere wie Gänse und Wollschweine hält der 72-Jährige für den „Erlebnisbereich“.

© Stefan Gloede

Landeshauptstadt: Der Gartenbauabenteurer

Für die ersten Apfelbäume verpfändete Gerhard Neumann sein Haus: Jetzt wird sein Erntegarten 20 Jahre

Bornim - Auf die Maisonne ist kein Verlass. Das weiß Gerhard Neumann spätestens seit 1997. Bis heute hat er das Datum nicht vergessen, es war der 25. Mai. „Eine Woche vor der Erdbeerernte, die Äpfel hatten schon Walnussgröße“, erzählt der 72-Jährige mit den schlohweißen Haaren. Über Nacht fiel die Temperatur auf minus sechs Grad. „Mir ist alles erfroren“, erinnert sich der Obstgärtner: „Ich habe am nächsten Tag alle Mitarbeiter bis auf drei entlassen.“ Nur weil er seine Gläubiger aufs nächste Jahr vertrösten konnte, überlebte Neumanns Erntegarten den Schlag.

Auf 20 Jahre kann Neumann mit seinen Obstplantagen und dem Hof in der Lennéschen Feldflur bei Bornim mittlerweile zurückblicken. Und oft genug hat es das Wetter auch gut mit ihm gemeint. Heute und morgen soll das Jubiläum gefeiert werden. Ein Buffet wird es geben, der Grill brennt, die Gäste können von Spezialitäten wie den hausgemachten Konfitüren oder dem Traubenmost probieren.

Ganz unbeschwert wird die Feier für Neumann allerdings nicht. Denn am Montag könnte es Bodenfrost geben. „Wir bereiten uns vor“, sagt der Chef. Seit Donnerstag rasieren seine 15 Mitarbeiter das Gras raspelkurz, Sonntag sollen die Erdbeeren unter Folie, der Boden wird zudem im Schichtdienst beregnet, damit der Wärmeaustausch optimal funktioniert – das macht zwei Grad Unterschied, weiß Neumann. „Zwei Grad können über die Existenz entscheiden.“

Dass er mindestens dreimal am Tag den Wetterbericht verfolgt, ist längst eine Selbstverständlichkeit: „Das Wohl und Wehe des Betriebs hängt vom Wetter ab“, sagt der Gärtner. Den Traum vom eigenen Obsthof hatte er schon als Kind: „Gärtnern war das einzige, was mir Spaß gemacht hat, seit ich laufen kann“, erzählt der gebürtige Babelsberger. Er sollte jedoch fast 50 Jahre auf den ersten eigenen Betrieb warten.

Denn zu DDR-Zeiten war die Landwirtschaft bekanntlich in großen Produktionsgenossenschaften, den LPGs, organisiert. Neumann studierte Landwirtschaft und Gartenbau und arbeitete schließlich in Neu Fahrland und Marquardt als Pflanzenschutzagronom, war zuletzt verantwortlich für die Schädlingsbekämpfung auf 3800 Hektar Anbaufläche.

Den Schritt in die Selbstständigkeit wagte er kurz nach der Wende – zum Entsetzen seiner Familie. Denn als er die ersten Apfelbäume auf dem Gelände der liquidierten LPG kaufte, verpfändete er dafür sein Haus. Es war die richtige Entscheidung: 1991 bekam er für seine Äpfel Rekordpreise. „In ganz Europa hatte es Frost gegeben – nur in Brandenburg nicht“, erinnert sich Neumann, der den Betrieb mit rund sechs Hektar damals noch allein schulterte.

Bioäpfel für Babynahrung baute er anfangs an – bis der Preisdruck in der boomenden Biobranche zu groß wurde. Heute hat Neumann auf „kontrolliert-integrierten Anbau“ umgestellt. Dabei wird nur dann gespritzt, wenn es unbedingt nötig ist, erklärt er. In manchen Jahren sei das nie der Fall, in anderen zwei Mal. Die Mitarbeiter zählen regelmäßig die Nutzlinge und Schädlinge auf den Pflanzen, um abzuwägen, was nötig ist.

Rund 51 Hektar hat Neumanns Betrieb heute, neben Äpfeln und Birnen baut er unter anderem Erdbeeren, Stachelbeeren, Brombeeren und Himbeeren an. Zu den 15 Mitarbeitern kommen in der Saison noch Hilfskräfte. Auch drei angehende Gärtner bildete er aus.

Den Weinberg, den er vor fünf Jahren angelegt hat, zählt er zu seinen „Gartenbauabenteuern“ – genau wie der Anbau der alten Apfelsorte Antonowka, nach der ihn russische Spätaussiedler immer wieder gefragt haben. „Mit dem Kaufverhalten ist es wie mit der Mode bei den Schuhen“, sagt Neumann: „Der Kunde braucht ab und zu mal was Neues.“

80 Prozent der Früchte ernten die Käufer selbst – an den Sommerwochenenden kommen Tausende Gäste aus Potsdam, Berlin und dem Umland auf den Hof. Wenn wochentags zu viel Obst hängen bleibt, lädt Neumann auch schon mal Potsdamer Kitas zum kostenlosen Hofbesuch ein. Der Aufenthalt im Erntegarten soll ein Erlebnis sein, sagt Neumann, der mittlerweile selbst mit seiner Frau auf dem Hof wohnt.

An Rente denkt der 72-jährige Vater zweier Kinder und Opa nicht. „Ich wüsste gar nicht, was ich mit meinem Leben machen sollte ohne den Garten“, sagt er und lacht in die Sonne. Wenn die Plantagen bei dem angekündigten Frost unbeschadet bleiben, sieht er 2011 einer „Rekordernte“ entgegen.

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