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Landeshauptstadt: 90 Minuten ohne Halbzeit

„Fußballgöttinnen“ mit Viola Odebrecht hatte im Thalia Premiere – vor Kickerinnen des 1. FCC Turbine

Babelsberg – „Fußballgöttinnen“: Dieser Filmtitel löst in Potsdam wohl konkretere Assoziationen aus als in den meisten deutschen Städten. Das Thalia war jedenfalls ausverkauft, als sich am Dienstagabend zur Premiere neben dem Filmteam auch noch die gesamte Mannschaft des 1. FFC Turbine Potsdam angesagt hatte. Treue Fans, die der Mannschaft überallhin nachreisen – „Wir sehen einfach jedes Spiel“ – waren ins Kino gekommen, Schals und Fußball-Trikots inklusive. Die Stimmung im Saal war merklich aufgeregter als üblich. Auch die Spiellänge von 90 Minuten hielt der Film ein – allerdings gab es keine Halbzeit.

Viola Odebrecht ist eine der vier „Göttinnen“, die die Berliner Regisseurinnen Nina Erfle und Frédérique Veith in ihrer Dokumentation porträtiert haben. Parallel können die Zuschauer die Geschichten der vier Frauen verfolgen, deren Leben sich um den Fußball dreht. Da ist die 16-jährige Beatrix aus Mainz, die zwar mit ihrer Mutter über abendliche Ausgehzeiten diskutiert, als Schiedsrichterin über 22 Männer aber sagen kann: „Ich sitz“ am längeren Hebel, ich hab“ die Karten in der Tasche.“

Weltmeisterin Viola Odebrecht wiederum ist trotz den Erfolgen im Sport weiter auf der Suche: nach einer beruflichen Perspektive für die Zeit nach dem 30. Geburtstag. „Glück, das ist ja nicht nur Fußball“, weiß sie. Anders sieht es bei Versicherungskauffrau Tina aus, deren Herz nur Platz für zwei hat: ihren Bullterrier und die Offenbacher Kickers, für die sie jede Woche im Stadion sitzt oder besser: singt, tanzt und jubelt – „hier will ich sein“. Publikumsliebling wurde Trautchen Ziegert. Fast drei Jahrzehnte lang war die resolute 62-Jährige Platzwartin beim SV Blau Weiss Berolina Mitte: „Alles tanzt nach meiner Pfeife.“ Die „große Klappe“, die sie gegenüber ihrem mittlerweile verstorbenen Mann nie wagte, hat sie sich bei der Arbeit angewöhnt: „Entwickelt hab ick mich erst uff“m Platz“, sagt Trautchen Ziegert.

„Es geht ja nicht um Fußball ...“, heißt es im Untertitel des Films. Gezeigt wurden vier Frauen auf der Suche nach ihrem Platz im Leben – und der ist zumindest bei dreien tatsächlich der Sportplatz. Kurzweilige und nachdenklich stimmende Momente hielten sich die Waage beim Springen zwischen den verschiedenen Fußballwelten. Im Kino gab es viele Lacher und sogar Szenenapplaus.

Beim anschließenden Sektempfang im Foyer des Thalia wurde weiterdiskutiert und das eine oder andere Autogramm erjagt. Viola Odebrecht war nicht gekommen – zur Enttäuschung der Fans. Sie ist noch bis Ende April in den USA. Jennifer Zietz vom 1. FCC Turbine gefiel der Film gut. Spannend sei vor allem „die Perspektivenauswahl“ gewesen: „Auch mal zu sehen, wie es bei einem Platzwart oder einem Schiedsrichter läuft.“ Nina Erfle erzählte, wie sie auf die Idee zum Film kam: Obwohl „schwerst erfolgreich“, sei Frauenfußball doch „ein ziemlich unbeleuchtetes Feld“. Und dann bei Turbine anzufragen, „das ist ja das Naheliegendste, wenn man in Berlin wohnt“, meinte Ko-Regisseurin Veith. Trautchen Ziegert ist mittlerweile Rentnerin, aber immer noch vier Tage pro Woche auf dem Platz, wie sie verriet: „Ordnung muss sein. Ick brauch ja meinen geregelten Tagesablauf.“Jana Haase

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