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Liberal und konservativ. In Potsdam werden Rabbinerinnen und Rabbiner beider Strömungen ausgebildet. Und auch der interreligiöse Austausch trägt Früchte.

© dpa

85 Jahre nach dem Pogrom: So erinnert Potsdam an den 9. November 1938

Der Violinist Daniel Hope hält die Oberlinrede und spricht auf dem jüdischen Friedhof. Dort ist einer seiner Vorfahren, Potsdams erster Rabbiner, begraben.

Am 9. November 1938 wurden auch in Potsdam jüdische Einrichtungen geschändet und zerstört. Die Synagoge am Wilhelmplatz, dem heutigen Platz der Einheit, wurde wohl nur deshalb nicht in Brand gesteckt, weil sie direkt an das Postgebäude grenzte. Nutzbar war das Gotteshaus nach dem Sturm von SA, SS und ihren Gefolgsleuten nicht mehr, sagt Tobias Bülloff, wissenschafticher Mitarbeiter für Erinnerungskultur in der Stadtverwaltung. Auch der jüdische Friedhof am Pfingstberg und jüdische Geschäfte in der Stadt seien vor 85 Jahren Ziel von Angriffen der Nazis gewesen.

Anlässlich des Jahrestags wird am Donnerstag ab 11 Uhr auf dem jüdischen Friedhof an den Pogrom erinnert. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Evgeni Kutikow, sowie Susanne Krause-Hinrichs vom Förderverein des Friedhofs werden Kulturministerin Manja Schüle und Oberbürgermeister Mike Schubert (alle SPD) Grußworte sprechen.

Bevor Landesrabbiner Ariel Kirzon das Kaddish-Gebet spricht, wird Daniel Hope eine Rede halten. Der Violinist ist dem Jüdischen Friedhof in besonderer Weise verbunden, da dort einer seiner Vorfahren, der erste, 1760 ernannte Rabbiner Potsdams, Michel Hirsch (Jechiel Michel), begraben liegt.

Hope wird auch am Donnerstagabend ab 19 Uhr in der Oberlinkirche die traditionelle Oberlinrede zum Jahrestag halten. Das Oberlinhaus kündigt an, dass sich Hope darin mit der Suche nach seinen familiären Wurzeln, zu denen südafrikanisch-irisch-katholische Einflüsse mit protestantischer Prägung sowie jüdisch-deutsche Vorfahren zählen, beschäftigen wird. Zuvor, ab 18 Uhr, findet auf Einladung der Stadt Potsdam das Gedenken am Ort der früheren Synagoge am Platz der Einheit statt.

Am Sonntag wird dann der Berliner Gofenbergchor ab 16 Uhr in der Kirche St. Peter und Paul am Bassinplatz Lieder in jiddischer und hebräischer Sprache singen. Während des Programms werden zudem Augenzeugenberichte aus der Reichspogromnacht in Potsdam vorgelesen. Einer dieser Augenzeuge, der das Erlebte später im Exil in Palästina aufschrieb, war Ludwig Levy. Er flüchtete noch 1938 aus Potsdam. Wer es nicht schaffte, der Verfolgung des Naziregimes zu entkommen, wurde in Lager und Gettos deportiert. So wurden die letzten Potsdamer Juden am 16. Januar 1943 nach Riga deportiert.

Geschädigten mussten selbst für ihre Schäden zahlen

Wie unmenschlich und bürokratisch zugleich das Hitler-Regime die Auslöschung jüdischen Lebens plante, ist im Protokoll einer Konferenz, zu der führende NS-Vertreter um Hermann Göring nur drei Tage nach der Pogromnacht in Berlin zusammenkamen, nachzulesen. Es sollte verhindert werden, dass deutsche Versicherungen für die am 9. November entstandenen Sachschäden von Juden aufkommen. In der Sitzung am 12. November einigten sich die Beteiligten darauf, dass die Geschädigten selbst für ihre Schäden zahlen müssten.

Diese Konferenz habe die nächste Stufe der Radikalisierung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung auf dem Weg zur sogenannten Endlösung markiert, heißt es in der Ankündigung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur szenischen Lesung aus den Protokollen, die am Sonntag (12. November) von 11 bis 13 Uhr im Potsdam Museum am Alten Markt unter dem Titel „Da soll der Jude den Schaden bezahlen - der 9. November 1938 als Versicherungsfall“ stattfindet. Die Beiträge der Konferenzteilnehmer werden unter der Regie von Sabine Hering von unterschiedlichen Sprechern vorgetragen. Für die Teilnahme wird eine Anmeldung per E-Mail unter anmeldung.potsdam@fes.de erbeten.

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