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Landeshauptstadt: Kriegsspiele auf dem Brauhausberg

Kalter Krieg, Friedensdemos und DDR-Spione: Im alten Landtag wird für einen RTL-Achtteiler gedreht

Teltower Vorstadt - Deutschlandfahnen wehen vor dem Backsteinbau auf dem Brauhausberg, der Zaun ist mit Stacheldraht verstärkt, ein paar Militärjeeps und US-Soldaten in Tarnuniform stehen vor dem Eingang und kommen nicht weiter – denn das Tor versperren Demonstranten in bunten Pullovern: „Make love – not war!“ skandieren sie, haben Gitarren dabei und Transparente. Am alten Landtagsgebäude finden derzeit Dreharbeiten für den achtteiligen RTL-Politthriller „Deutschland!“ statt. Die Serie von Ufa-Erfolgsproduzent Nico Hofmann („Unsere Mütter, Unsere Väter“) spielt im Jahr 1983 und erzählt die Geschichte eines jungen DDR-Spions aus Kleinmachnow, der als Soldat in die Bundeswehr eingeschleust wird und in der Hochphase des Kalten Kriegs zwischen die Fronten der Geheimdienste gerät. Nach der guten Hälfte der auf 73 Tage avisierten Drehzeit stellte das Team am gestrigen Montag in der verwaisten Landtagskantine – der Geruch von Erbsensuppe hängt auch Monate nach dem Auszug der Parlamentarier noch in der Luft – die Arbeit und einen ersten Trailer vor.

Und der sieht nach guter Unterhaltung mit Anspruch aus: Untermalt von Hits der Neuen Deutschen Welle – Nenas „99 Luftballons“ oder Peter Schillings „Major Tom“ – lernt der Zuschauer die Hauptfigur, den 23-jährigen Martin Rauch, kennen. Der gerät mittels Betäubung in die Fänge der skrupellosen Stasi und schließlich auf unfreiwilliger Mission in den bunten Westen und die Bundeswehr. Während in den Schaltzentralen der Macht von Ost und West der Ton immer schärfer wird und die Zeichen auf Krieg stehen, bekommt Rauch es mit Friedensbewegten, den Versuchungen des Westens und anderen DDR-Agenten zu tun. Es wird diskutiert, protestiert, getanzt, geküsst, geschossen.

„Wichtig für mich ist, dass ein deutsch-deutscher Stoff erzählt wird – vom letzten Aufbäumen dieser beiden Systeme, bevor die Mauer fiel“, sagt Produzent Nico Hofmann, der Chef der Babelsberger Ufa. Die damalige Zeit sei für ihn prägend gewesen: „Weil wir in Deutschland Kriegsangst gespürt haben.“

Und das nicht von ungefähr, wie Klaas Voß bestätigt: „1983 ist ein vergessenes Krisenjahr“, sagt der promovierte Historiker vom Hamburger Institut für Sozialforschung, der das Filmteam wissenschaftlich berät. Die Phase der Annäherung zwischen Ost und West war vorbei, der zweite Kalte Krieg angebrochen. 1983 sei es durch eine Reihe von Ereignissen zur gefährlichen Zuspitzung gekommen: US-Präsident Reagan bezeichnete die Sowjetunion erstmals als „Evil Empire“ – Reich des Bösen –, die USA kündigten ihr Raketenabwehrprogramm SDI an, die Sowjets schossen eine südkoreanische Passagiermaschine ab. Als die Nato im November 1983 das Übungsmanöver „Able Archer“ plante, bei dem es um das Durchspielen eines nuklearen Angriffs ging, sah man auf Sowjetseite den Ernstfall schon gekommen. Details dazu, wie nah die Welt damals vor dem Atomkrieg stand, seien erst 2013 durch neue Unterlagen bekannt geworden.

Diese Ereignisse bilden nun den Hintergrund für die Serie. „Die Herausforderung war es, die historischen Fakten so zu verdichten, dass es in diese Art der Vermittlung passt und gleichzeitig nicht zu simpel wird“, sagt Klaas Voß.

Die Idee für die Serie hatte eine US-Amerikanerin, die Autorin Anna Winger, die seit zwölf Jahren in Deutschland lebt. Sie habe nach dem Vorbild hochgelobter skandinavischer Serien wie „Borgen – Gefährliche Seilschaften“ ein Stück deutsche Geschichte erzählen wollen – und dabei auch ihre Kinder im Hinterkopf gehabt: „Wie erklärt man ihnen den Ort, an dem sie aufwachsen?“ Da sie weder Ost- noch Westdeutsche ist, seien die Erlebnisse und Erzählungen von vielen Freunden und Bekannten eingeflossen.

Ihr Mann Jörg Winger, Produzent von „Deutschland!“, erlebte die Ost-West-Krise seinerzeit aus der Innensicht: Er war Wehrdienstleistender in der Eifel-Kaserne, die für die Serie nun im Potsdamer „Kreml“ nachgestellt wird – und hörte von dort die sowjetischen Truppen ab. „Da ging es zum Beispiel um Truppenbewegungen, wir wollten wissen: Was tun die?“, erzählt er. Damals habe er auch Sprachunterricht bekommen: „Ich habe sechs Monate lang acht Stunden am Tag Russisch gelernt.“

Solche persönlichen Erinnerungen kann Hauptdarsteller Jonas Nay nicht haben – er ist 1990 geboren, wuchs in Lübeck auf, lebte auch in Rostock. Ost und West, sagt er, spiele für seine Generation eine andere Rolle als damals: „In meiner Wahrnehmung gehört Deutschland zusammen.“ Die Story habe ihn beim Lesen der Bücher gleich gepackt: „Es liegt zeitlich so nah dran und doch so weit weg.“ Die Serie soll 2015 im Fernsehen laufen.

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