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Landeshauptstadt: Helfersyndrom

Im Katastrophenfall sollen sie später für Sicherheit sorgen. Dafür übt die Jugendfeuerwehr: Sie ist einer der „helfenden Verbände“, in denen sich Jugendliche ganz unterschiedlich engagieren. Drei Geschichten.

Hauptsache Helfen

Eigentlich sind es ja Mädchen und Frauen, denen ein „Helfersyndrom“ nachgesagt wird. Die Geschichte von Franziska Weber scheint dieses Vorurteil zu bestätigen. Denn die 15-Jährige war bei der Jugendgruppe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), ehe sie zur Jugendfeuerwehr der Freiwilligen Feuerwehr Babelsberg - Klein Glienicke wechselte. Die Rotkreuz-Gruppe hatte sich aufgelöst, erzählt die Potsdamerin. Sie hörte von der Jugendfeuerwehr und ging hin. Hauptsache Helfen.

Als Mädchen war sie bei der Jugendfeuerwehr allerdings allein, als sie vor vier Jahren begann. „Ich fand es eigentlich ganz lustig allein unter Jungs“, erinnert sich die 15-Jährige. Seit kurzem hat sie eine Mitstreiterin. Jeden Samstag trifft sich die siebenköpfige Nachwuchs-Truppe von 9 bis 12 Uhr in der Feuerwache in der Tuchmacherstraße. „Wir lernen, wie man eine Löschwasserversorgung aufbaut, wie man Geräte bedient“, erzählt Franziska. Arbeitsschutzkleidung ist dabei ein Muss – auch wenn der Nachwuchs noch nicht auf „richtige“ Einsätze gehen darf, wie Jugendwart Roland Mannhöfer erklärt. Erst ab dem vollendeten 18. Lebensjahr werden die Jugendlichen in die Freiwillige Feuerwehr übernommen.

Echtes Feuer gibt aber schon vorher: Am vergangenen Samstag war es ein Stapel Holz, das in einer Kleingartensparte in Klein Glienicke verbrannt wurde: Die Feuerwehrjugend durfte den Brand überwachen und am Ende ablöschen.

Allerdings gibt es in Potsdam immer weniger Jugendliche wie Franziska, die bei der Feuerwehr mitmachen wollen. „Mit dem Nachwuchs sieht es sehr schlecht aus“, sagt Mannhöfer. Das ist auch deshalb bedenklich, weil sich die Freiwillige Feuerwehr fast ausschließlich aus ehemaligen Jugendfeuerwehrmitgliedern zusammensetzt, erklärt er.

Rene Schwan zum Beispiel ist sich schon jetzt sicher, dass er sein Hobby später zum Beruf machen will: „Weil es mir gefällt“, erklärt der 16-Jährige. Für den Segelfan spielen aber auch die Kontakte zu anderen Jugendlichen eine Rolle: Einmal im Jahr fahren alle 14 Potsdamer Jugendfeuerwehren zusammen auf Wochenendfahrt. „Man lernt neue Leute kennen“, freut sich Rene.

Bevor er Freiwilliger Feuerwehrmann werden kann, muss er noch einige Prüfungen ablegen: Für die „Leistungsspange“ zum Beispiel wird theoretisches und praktisches Wissen abgefragt und die sportliche Leistung geprüft.

Ob Franziska nach ihrem Abi noch Zeit für die Feuerwehr haben wird, ist nicht so sicher. Denn zum Studieren will sie die Stadt erst einmal verlassen. Ihr Wunschstudium: „Tiermedizin oder Medizin“. Hauptsache Helfen. Jana Haase

Mädchen und Technik

Neben Hobbys wie Mangas zeichnen, mit der Katze spielen und den Freund treffen hat Rebecca Sachs auch noch ein ganz besonderes Hobby – sie engagiert sich ehrenamtlich im Technischen Hilfswerk Potsdam (THW). Seit über vier Jahren ist die heute 19-jährige Studentin der Grundschulpädagogik schon dabei. „Einmal im Monat versuche ich, hier zu sein – bisher habe ich das auch immer geschafft“, sagt Rebecca.

Doch was bewegt ein junges, hübsches Mädchen dazu, sich in einer Welt der Technik und schweren Geräte mit soviel Begeisterung zu engagieren? Für Rebecca liegt das auf der Hand. „Ich möchte den Menschen helfen! Das ist eine sinnvolle Aufgabe für mich“, sagt sie. Außerdem ginge es ja auch darum, Kontakte zu knüpfen und Freunde zu finden. Rebecca verrät sogar, dass sie ihren Freund beim THW kennen gelernt hat, und strahlt über beide Ohren. Generell seinen es wesentlich mehr Jungs als Mädchen, die sich für das THW interessieren. „Ich wünsche mir, dass es bald mehr Mädchen gibt, die erkennen, dass das hier viel Spaß macht und man Freunde fürs Leben finden kann“, so Rebecca. Dafür organisiert das THW sogar einen „Gilfrys“. Dort können interessierte Mädchen das THW kennen lernen und an die Technik herangeführt werden. Außerdem stärke das THW das Selbstbewusstsein. „Früher habe ich mich nicht mal getraut, Menschen anzusprechen, heute ist das kein Problem für mich!“, sagt sie.

Seit knapp vier Jahren ist Rebecca sogar die stellvertretende Jugendgruppenleiterin im Ortsverband Potsdam. Ihre Aufgabe ist es, Kinder und Jugendliche des THWs im Alter von zehn bis 17 Jahren zu betreuen. Sie lernen unter anderem den verantwortungsvollen Umgang mit der Kettensäge. Aber auch Campingausflüge werden unter Rebeccas Leitung durchgeführt. Hierbei solle der Teamgeist gefördert werden, sagt sie.

Mit im Bunde und gerade seine Prüfung „Basis 1“, die dem Abschluss der Jugendgruppe folgt, in der Tasche ist Karl-Friedrich Döpmann. Der 17-jährige Schüler, der gern einmal Mathelehrer werden will, ist seit etwa drei Jahren im THW ehrenamtlich tätig. Nach seiner Reifeprüfung ist er nun in der Fachgruppe „Bergung 1“ untergekommen, die Erste Hilfe leisten und Menschen aus den Autos befreien, falls es einen schweren Unfall gibt, erzählt er. Auch ihm bringt die Arbeit dort eine ganze Menge. Es lehre den Umgang mit seelischer Belastung.

Beide hoffen, auch weiterhin Zeit für das THW zu finden, auch wenn ihr Lebensweg in eine komplett andere Richtung gehen sollte.Sabine Blumrich

Zeit schenken

Bei einem epileptischen Anfall sollte man auf keinen Fall eingreifen. Das wussten auch Anita und David, als ihr Schulkollege plötzlichen einen solchen Anfall hatte. Denn seit die beiden 15-jährigen in Potsdam vor einem Jahr vom Malteser Hilfsdienst zu ehrenamtlichen Schulsanitätern ausgebildet wurden, kennen sich Anita Mann und David Schlereth in Sachen Erste-Hilfe bestens aus. Doch der Schulsanitätsdienst scheint bei beiden Schülern der Montessori-Oberschule nur eine von vielen Sachen zu sein, die sie sich zur Aufgabe gemacht haben. „Wir helfen da wo wir gebraucht werden“, sagt Anita resolut und lehnt sich dabei auf der gemütlichen Couch im Gruppenraum des Malteser Treffpunkts zurück.

Unter den vielen Aufgaben der Malteserjugend gibt es in Potsdam eine Einzigartige: den Jugendbesuchsdienst. Im Rahmen der Besuchsaktionen besuchen die insgesamt sechs Jugendlichen, alte Menschen in Seniorenheimen oder Krankenhäusern, schenken ihnen ihre Zeit und vor allem ein bisschen Aufmerksamkeit. Auch am heutigen Nikolaustag haben sich Anita und David mit ihrer Gruppe eine besondere Aktion überlegt: Sie überraschen alte Menschen im St. Josefs-Krankenhaus mit Geschenken. „Besonders während der Feiertage sind viele Menschen einsam“, betont Anita, und wirkt etwas nachdenklich. Auch David findet, dass niemand in der Weihnachtszeit einsam sein sollte. Deshalb werden sie auch am Freitag, dem 14. Dezember, Obdachlosenhilfe in Berlin leisten.

Bei so viel Engagement fragt man sich natürlich, ob Anita und David auch nach der Schule einen sozialen Beruf ausüben wollen. „Ich will einmal nach Afrika oder Asien“, sagt Anita, und so wie sie es sagt, klingt das wie die selbstverständlichste Sache der Welt. Sie war zwar noch nie dort, aber seit ihr Jugendgruppenleiter ihr von seiner Arbeit dort erzählt hat, hat sie ihren Entschluss nur noch gefestigt. David lässt das mit dem Beruf noch auf sich zukommen, doch er findet: „Ein sozialer Beruf wäre naheliegend.“ Zuerst möchte er aber dafür sorgen, dass, nachdem er im Sommer die Schule verlässt, noch mehr Schulsanitäter ausgebildet werden. In Berlin gebe es weit über 100 Schulsanitäter. „Viele in der Schule kriegen das nicht einmal mit, dass wir Schulsanitäter sind“, sagt David und zuckt mit den Achseln. Außerdem würden die beiden oft nicht wirklich ernst genommen. „Nur weil wir jung sind, wollen sie uns die Verantwortung nicht überlassen", erklärt der Schüler. „Wenn alles nichts hilft, müssen wir halt mal einen Tag lang in unserem Maltesersachen in der Schule rumlaufen“, betont David und grinst schließlich. Ein bisschen müssen die beiden Schulsanitäter dennoch aufgefallen sein, denn Anita fügt hinzu: „Die Schüler aus den unteren Klassen fragen ständig, wann es endlich wieder Schulungen gibt.“Susanna Maier

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