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Landeshauptstadt: Fachtreffen zur NS-Geschichte in Museen

Neuer Vorwurf im Streit um die Lindenstraße

Es ist ein Thema, das nach Ansicht von Experten in ostdeutschen Museen oft zu unkritisch behandelt wird: „Die Geschichte des Nationalsozialismus ist in vielen Museen in Ostdeutschland immer noch ein Randthema“, kritisiert der Museumsverband Brandenburg. Auch die DDR-Diktatur würde von Regionalmuseen nur ungenügend thematisiert: „Es gibt da eine gewisse Beißhemmung“, sagte Irmgard Zündorf vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) der Nachrichtenagentur dpa. Ab dem heutigen Donnerstag widmet sich in Potsdam eine dreitägige Fachtagung dem Thema, der Museumsverband Brandenburg hat dazu Wissenschaftler und Museumsmacher ins Potsdam Museum eingeladen.

Überschattet wird das Fachtreffen von neuen schweren Vorwürfen im Streit über den erst vor wenigen Wochen in der Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 eröffneten Ausstellungsbereich zur NS-Geschichte: Nach Kritik von mehreren Opferverbänden (PNN berichteten) meldete sich jetzt auch Margret Hamm von der Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten erneut zu Wort. Demnach gibt es einen zweiten noch lebenden Zeitzeugen, den das NS-„Erbgesundheitsgericht“ Potsdam einst zur Zwangssterilisation verurteilte - die Stadt war bislang nur von einem überlebenden Opfer aus der NS-Zeit ausgegangen. Die Stadt habe auf das Angebot seitens der AG, einen Kontakt zu vermitteln, nicht reagiert, so Hamm. Der Mann, der mittlerweile die 80 überschritten habe und nicht mehr reisen könne, habe seine Geschichte für das Archiv der AG, die sich bundesweit um die Entschädigung von NS-Zwangssterilisations-Opfern und um Erinnerungspolitik kümmert, zu Protokoll gegeben. „Für die Betroffenen ist das Thema mit sehr viel Scham besetzt“, sagte Hamm den PNN.

Umso enttäuschter zeigte sie sich von der Entwicklung der Dinge. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich der Opferverband nach monatelanger Funkstille aus Potsdam mit einem offenen Brief an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gewandt (PNN berichteten). „Dass es eine Eröffnung gab, habe ich gar nicht gewusst“, sagte Hamm jetzt.

Die Stadt wies die Vorwürfe, die zuvor auch Lutz Boede von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und Günther Knebel von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz erhoben hatten, bereits am Dienstag „mit Entschiedenheit“ zurück. Die Äußerungen seien völlig aus der Luft gegriffen, sagte der zuständige Fachbereichsleiter Kommunikation Dieter Jetschmanegg: „Weder ist es zutreffend, dass wir die NS-Opferverbände nicht eingeladen haben. Noch stimmt es, dass wir Ideen und Wünschen der Opfer und ihrer Verbände keine Beachtung geschenkt haben. Das Gegenteil ist der Fall.“ Der Gebäudekomplex in der Lindenstraße war während des NS-Regimes unter anderem Sitz des Erbgesundheitsgerichts, das dort mindestens 3300 Frauen, Männer und Jugendliche zur Zwangssterilisation verurteilte. Von 1952 bis 1989 war das Haus Untersuchungsgefängnis der DDR-Staatssicherheit. jaha/dpa

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