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Nicht eingeladen: Ud Joffe (M.) von der Synagogengemeinde wurde gegenüber den Vertretern des Landes ausfällig.

© Ottmar Winter

Eklat bei Baustellenrundgang für Potsdamer Synagoge: Wieder Streit ums Gotteshaus

Die Arbeiten für die Potsdamer Synagoge in der Schloßstraße sind im Zeitplan und Budget - aber nicht alle sind zufrieden. Beim Baustellenrundgang für die Presse kam es zum Eklat.

Potsdam - Eigentlich gab es an diesem Montag nur gute Nachrichten zu verkünden auf der Synagogenbaustelle in der Schloßstraße: Das Bauprojekt, das nach jahrelangem Zwist im November 2021 endlich mit der Grundsteinlegung starten konnte, liegt trotz der Liefer- und Personalengpässe im Baugewerbe bislang im Zeitplan. Die Decke des zweiten Obergeschosses ist geschalt, der hohe Rundbogen des Eingangsportals und die sieben Bogenfenster des Synagogenraums sind damit von außen bereits deutlich zu erkennen. Es fehlen noch zwei weitere Geschosse. Am 26. August soll Richtfest gefeiert werden. Das Gebäude kann – wenn alles weiterhin glatt läuft – Ende kommenden Jahres fertig werden und vielleicht schon im Januar 2024 übergeben, drei Monate früher als geplant. Das sagte Kulturministerin Manja Schüle (SPD) bei einem Presserundgang über die Baustelle gemeinsam mit dem Architekten Jost Haberland, Günter Jek vom Berliner Büro der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. (ZWST) und Gerit Fischer, der technischen Geschäftsführerin des Brandenburgischen Landesbetriebs für Liegenschaften und Bauen (BLB).

Die Bogenfenster des Synagogenraumes sind bereits zu erkennen.
Die Bogenfenster des Synagogenraumes sind bereits zu erkennen.

© Ottmar Winter

Dominiert beziehungsweise massiv gestört wurde der Termin jedoch von einem nicht eingeladenen Gast: Ud Joffe, dem Vorsitzenden der Potsdamer Synagogengemeinde und Kritiker des Haberland-Entwurfs. Er erschien mit einigen Unterstützer*innen vor der Baustelle und berief sich auf eine vermeintliche Ankündigung in den PNN für einen Rundgang für Interessierte – die es so nicht gegeben hat. Die Vertreter*innen des BLB ließen ihn kurzfristig beim Presserundgang dabei sein. Dabei fiel Joffe Haberland dann mehrfach aufgebracht ins Wort. Er bezeichnete den Architekten unter anderem als „Verbrecher“, zog Vergleiche mit der DDR-Diktatur und der Nazizeit, warf schließlich auch den anwesenden rbb-Journalisten „Propaganda“ vor und schubste einen Journalisten der deutschen Presseagentur (dpa).

Architekt Haberland weist Vorwürfe zurück

Joffe warf dem Architekten Haberland und dem Land als Bauherren lautstark und in scharfen Worten Änderungen an den in mehreren Workshop-Runden mit den jüdischen Gemeinden überarbeiteten Plänen vor: „Jetzt fangen Sie wieder an, alles zu versauen, was wir gemacht haben!“ Joffe beklagte etwa ein fehlendes Durchreiche-Fenster zwischen Küche und Café im Erdgeschoss, eine zu lange Brüstung für die sogenannte Frauenempore, und die Konstruktion der Mikwe, also des rituellen Tauchbades, im Kellergeschoss. Dieses sei entgegen den Absprachen so gestaltet worden, dass es für Chabad-Juden nicht nutzbar sei – nämlich mit einem gemeinsamen Becken für beide Geschlechter. Joffe sprach von einem „Verbrechen gegen meine Gemeindemitglieder“ und rief: „Dieses Gebäude wird am Ende nicht koscher sein!“

Architekt Jost Haberland, Rabbiner David Gewirtz, Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und Finanzstaatssekretär Frank Stolper (v.l.n.r.) am künftigen Mikwe-Becken.
Architekt Jost Haberland, Rabbiner David Gewirtz, Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und Finanzstaatssekretär Frank Stolper (v.l.n.r.) am künftigen Mikwe-Becken.

© Sören Stache/dpa

Architekt Haberland wies die Vorwürfe zurück. Bei der Konstruktion der mit Regenwasser gespeisten Mikwe habe man sich vom Rabbiner und Mikwe-Experten Meir Posen beraten lassen. Dieser habe das Bad bei einem Besuch vor Ort abgenommen und werde das Projekt auch weiter begleiten. Joffe berufe sich bei seinen anderen Kritikpunkten offenbar auf ältere Planungen, sagte Haberland den PNN. „Kleinere Änderungen“ seien aus statischen Gründen notwendig geworden: „Seit der Baugenehmigung gab es keinerlei Veränderung.“

Synagogen-Förderverein kritisiert fehlende Beteiligung der Synagogengemeinde

Flankiert wurde Joffes Auftritt von einer Presseerklärung des Synagogen-Fördervereins Potsdam, dessen Vorsitzender Ulrich Zimmermann ebenfalls anwesend war. Der Förderverein zeigte sich verärgert darüber, dass die jüdischen Gemeinden zu dem Pressetermin nicht eingeladen worden waren. Dieses Vorgehen zeige, „dass die Landesregierung das verfassungsrechtliche Grundrecht der Potsdamer jüdischen Gemeinden auf religiöse Selbstbestimmung weiter zu missachten gedenkt“, hieß es. Der Verein und die Synagogengemeinde hatten schon in der Vergangenheit das vom Land gefundene Konstrukt, nachdem die Synagoge zunächst für drei Jahre von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland betrieben werden soll, kritisiert. Die Synagogengemeinde werde seit zwei Jahren von der Beteiligung an der Bauplanung ausgeschlossen, kritisierte der Förderverein jetzt.

So soll die Synagoge mit Gemeindezentrum in der Schloßstraße aussehen.
So soll die Synagoge mit Gemeindezentrum in der Schloßstraße aussehen.

© Repro: Ottmar Winter

Kulturministerin Manja Schüle (SPD) zeigte sich trotz Joffes verbaler Entgleisungen zuversichtlich, dass das Gebäude am Ende von den Gemeinden angenommen wird. „Ich glaube, dass manch leidenschaftliche Debatten, wenn man so ein Haus erstmal erobert hat, endet und das zur gegenseitigen Akzeptanz und Wertschätzung führen kann“, sagte sie. Sie kündigte an, dass es für Jüdinnen und Juden sowie Interessierte einen Baustellenbesichtigungstermin nach dem Richtfest geben wird.

Seit 17 Jahren in Planung

Die Planungen für die Synagoge reichen 17 Jahre zurück. Um die Rückkehr jüdischen Lebens zu fördern, verpflichtete sich das Land 2005, den Neubau zu finanzieren. In einem Architektenwettbewerb setzte sich dann Jost Haberland durch. Um seinen Entwurf entbrannte Streit, an dem sich Potsdams jüdische Gemeinde entzweite. Mitglieder um Ud Joffe, denen der Haberland-Entwurf zu wenig würdig erschien, gründeten die Synagogengemeinde. Mehrere Vermittlungsversuche blieben ohne nachhaltigen Erfolg. Im Sommer 2021 fand das Land mit der ZWST einen neuen Partner für den anfänglichen Betrieb von Synagoge und Gemeindezentrum. Die vom Land getragenen Baukosten werden mit 15,9 Millionen Euro beziffert. Im Erdgeschoss des Gebäudes soll es ein öffentlich zugängliches Café geben. Die Dachterrasse kann für Gemeindefeiern wie das Laubhüttenfest genutzt werden – wegen der Innenstadtlage ist dafür im Innenhof zu wenig Platz, wie Haberland gestern erläuterte.

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