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Landeshauptstadt: Dicke Luft am Bassinplatz

Anwohner und Wochenmarkt-Händler klagen über üblen Geruch. Schuld könnte die Kanalisation sein

Innenstadt - Der üble Geruch zieht manchmal bis in die Benkertstraße hinein. Faulig und kloakig riecht es, nach Fäkalien. Auch Verkäufer und Kunden auf dem Markt rätseln über die Ursache für den Gestank, der seit Anfang Juli über dem Bassinplatz hängt. Hundekot? Ein Defekt an der öffentlichen Toilette? Probleme mit der Kanalisation? Besonders stark roch es in den vergangenen Tagen an der Seite zur Gutenbergstraße hin. „Richtig säuerlich, als ob sich jemand übergeben hätte“, schildert Elfriede Keding, eine Obstverkäuferin aus Werder, den Eindruck. Auch ihre Kunden fragten wegen des Geruchs, bestätigt eine Kollegin am anderen Obststand – eine Potsdamerin, die in diesem Moment mit dem Einkaufsbeutel zum Stand kommt, nickt zustimmend. Selbst im Lebensmittelgeschäft auf der anderen Straßenseite ist das Übel wahrzunehmen, wie ein Verkäufer bestätigt. Zuvor hatten mehrere Anwohner den PNN vom dem unangenehmen Geruch berichtet. Besonders auffällig sei die Geruchsentwicklung nach den teils starken Regenfällen vor einigen Tagen gewesen, so die übereinstimmende Beobachtung.

Beim städtischen Energieversorger Energie und Wasser Potsdam (EWP) hält man Ausgasungen aus der Kanalisation für eine mögliche Ursache, wie EWP-Sprecher Stefan Klotz am Freitag auf Anfrage sagte. Bei einer Überprüfung durch EWP-Mitarbeiter am Freitagvormittag sei zwar kein Geruchsproblem festgestellt worden, auch Beschwerden habe es bei der EWP nicht gegeben. „Wir werden diesen Hinweis aber aufgreifen und weitere Kontrollen und Messungen durchführen“, kündigte der Sprecher an.

Dass es aus den Kanaldeckeln manchmal stinkt, sei normal, erklärte Klotz weiter. Der Luftaustausch über die Lüftungsöffnungen in den Schachtdeckeln der Kanalisation und über die Be- und Entlüftungsleitungen in den Hausinstallationen sei eine technische Notwendigkeit. Die unterschiedlichen Wasserstände bewirken dabei eine Änderung des Luftvolumens im Kanal. Wo genau es dann wegen der Abgasung riecht, hänge beispielsweise von der Sonneneinstrahlung, der Windrichtung und der Lage im Gelände ab.

Wetterlagen wie aktuell mit den hohen Temperaturen begünstigten eine Geruchsentwicklung in den Kanalnetzen, so der Sprecher. Dies liegt zum einen an den beschleunigten biochemischen Prozessen im Abwasser – es fault einfach schneller. Zum Anderen liegt es aber auch an einer Besonderheit des Potsdamer Kanalsystems in diesem Bereich. Denn in der Innenstadt gibt es ein sogenanntes Mischsystem, erklärt Klotz. Dabei werden Schmutzwasser und Regenwasser in denselben Rohrleitungen abgeleitet. Deshalb seien relativ große Rohrleitungen verlegt worden. „Bei trockenem Wetter fließt nur das Abwasser durch die Rohrleitungen, dadurch ergeben sich längere Fließzeiten des Abwassers als bei Regenwetter“, so Klotz.

Dass alles glattläuft, wird regelmäßig kontrolliert. Alle neun Jahre prüfe die EWP den Zustand des Kanalnetzes, die Kanalisation werde dabei unter anderem mit Kameras befahren, erklärte der Sprecher. Am Bassinplatz sei die Kanalisation erst 2013 zur Vorbereitung einer Baustelle geprüft worden. In diesem Jahr stehe zudem die turnusmäßige Prüfung des Einzugsbereiches an. Von den Ergebnissen dieser Prüfungen hängt auch ab, ob und was mittelfristig saniert wird. Sofortmaßnahmen gibt es nur dann, wenn gefährliche Schäden beseitigt werden müssen.

Besonders groß ist der Sanierungsbedarf laut Klotz momentan in der Innenstadt, aber auch in der Berliner, Nauener, Brandenburger und der Jägervorstadt. Dort stammten jeweils 40 Prozent der Abwasserleitungen noch aus der Zeit vor 1938. Weitere 15 Prozent liegen mindestens seit dem Beginn der 1960er-Jahre im Boden. Ein aktuelles Großprojekt wegen der besonders alten Leitungen sei die Sanierung der Friedrich-Ebert-Straße, die voraussichtlich im November dieses Jahres abgeschlossen wird. Sanierungsbedarf gibt es laut Klotz aber auch in Babelsberg: Dort seien rund 60 Prozent der Schmutz- und Mischwasserkanäle mindestens 75 Jahre alt. In der Templiner und Teltower Vorstadt lägen ebenfalls viele alte Leitungen.

Der Bassinplatz war früher ein sumpfiges Gebiet. Es wurde in den 1730er-Jahren im Zuge des Baus des Holländischen Viertels trockengelegt – das Wasser sammelte man im sogenannten „Holländischen Bassin“, wie im Potsdam-Lexikon, das die Stadt gemeinsam mit dem Haus für Brandenburgisch-Preußische Geschichte 2010 herausgegeben hat, nachzulesen ist. Das Bassin verschlammte durch die geringe Strömung der Zu- und Abflüsse zum Heiligen See und zum Stadtkanal aber schnell und wurde bis 1876 zugeschüttet. Die Reste wichen 1949 dem sowjetischen Ehrenfriedhof.

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