zum Hauptinhalt
Englische Bulldogge. Vier von ihnen sollen einen Rentner so schwer verletzt haben, dass er starb.

© imago/Laurent Renault

Tod nach Hunde-Attacke in Worin bei Seelow : Vier Bulldoggen griffen 81-Jährigen an

Der Brandenburger Rentner war beim Rasenmähen, als vier Hunde auf sein Grundstück eindrangen und ihn schwer verletzten. Nach seinem Tod ermittelt nun die Staatsanwaltschaft.

Von Sandra Dassler

Die Szene könnte einem Horrorfilm entstammen: Ein alter Mann mäht auf seinem Grundstück friedlich seinen Rasen, da dringen vom Nachbargrundstück vier Englische Bulldoggen durch den Zaun und stürzen sich auf ihn. Der 81-Jährige versucht verzweifelt, sich vor den Bissen der Hunde zu schützen, erleidet schwerste Verletzungen an Armen und Beinen und wird schließlich ins Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn eingeliefert.

So soll es sich nach bisherigen Erkenntnissen von Polizei und Staatsanwaltschaft in dem kleinen Dorf Worin bei Seelow im Landkreis Märkisch-Oderland zugetragen haben – und zwar bereits am 6. April dieses Jahres. Es war der Gründonnerstag und möglicherweise lag es an den nachfolgenden Osterfeiertagen, dass die Polizei nicht über das Geschehen berichtete und der schlimme Vorfall so zunächst nicht publik wurde.

Mann starb im Unfallkrankenhaus Marzahn

Selbst die Nachbarn des Rentners erfuhren erst kürzlich davon – als mehrere Medien berichteten, dass der Mann gut vier Wochen nach der Hunde-Attacke im Unfallkrankenhaus verstorben sei.

Inzwischen untersucht die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) das Geschehen. „Wir ermitteln wegen fahrlässiger Tötung“, bestätigte eine Sprecherin dem Tagesspiegel: „Zurzeit arbeiten wir mit Hochdruck daran, die genauen Umstände der Attacke zu prüfen.“

Außerdem stehe auch die genaue Todesursache des 81-Jährigen noch nicht fest, sagte die Sprecherin. Für die juristische Bewertung sei es sehr wichtig, ob der Mann direkt an den Folgen der durch die Hunde erlittenen Verletzungen gestorben sei oder ob es noch andere Ursachen gab: „Wir haben deshalb eine Obduktion veranlasst, aber bis das abschließende Ergebnis des gerichtsmedizinischen Gutachtens da ist, kann es noch einige Wochen dauern.“

Vor dem Tod des Rentners waren die Ermittler von fahrlässiger Körperverletzung ausgegangen, weil der Halter der vier Bulldoggen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand bei der Attacke nicht anwesend – und so ein Vorsatz erst einmal nicht erkennbar war. Untersucht wird nun unter anderem, ob er seine Aufsichts- und Sicherungspflichten als Hundehalter verletzt hat.

Keine Aussagen zum Halter der Hunde

Zu weiteren Details, etwa zu der Person des Halters, wollte sich die Sprecherin im Hinblick auf das laufende Verfahren nicht äußern. Auch nicht zu der Frage, wo sich die vier Bulldoggen jetzt aufhalten. Das sei Sache der Polizei und des zuständigen Ordnungsamts, sagte sie. Berichte, wonach die vier Hunde auch nach der Attacke unter Auflagen weiter bei ihren Eigentümern bleiben durften, wollte sie nicht kommentieren.

Der Direktor des zuständigen Amts Seelow, Steffen Lübbe, hält sich dazu ebenfalls bedeckt. „Sie können aber davon ausgehen, dass unser Ordnungsamt den gesetzlichen Rahmen so genutzt hat, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen kann“, sagte er dem Tagesspiegel. Und sprach zugleich den Angehörigen und Freunden des Opfers sein Beileid aus. „Da ist wirklich etwas Schreckliches geschehen – und es kann auch kein Trost sein, dass es sich um einen krassen Einzelfall handelt.“

Doch ist es das wirklich?

Allein im Landkreis Märkisch-Oderland sorgten in den vergangenen Jahren zahlreiche Hunde-Attacken für Schlagzeilen. So hatten etwa in Klosterdorf, einem Ortsteil der Gemeinde Oberbarnim, die Hunde einer Frau dreimal Menschen und einmal auch einen anderen Hund gebissen. Sie waren entweder vom nicht genügend gesicherten Grundstück der Halterin ausgebüxt oder von dieser bei Spaziergängen nicht angeleint worden. Selbst nachdem einer der Hunde einer Fahrradfahrerin in die Ferse gebissen hatte, weigerte sich die Halterin, der Aufforderung der Rettungskräfte Folge zu leisten und das Tier an die Leine zu nehmen.

Die Hundehalteverordnung des Landes muss endlich überarbeitet werden.

David Idczak, Ordnungsdezernent im Amt Märkische Schweiz

Das Amt Märkische Schweiz in Buckow untersagte der Frau schließlich die Haltung aller Hunde und bekam, nachdem diese geklagt hatte, vor Gericht Recht. „Das Verfahren hat allerdings mehrere Jahre gedauert“, sagte der stellvertretende Direktor des Amts Märkische Schweiz, David Idczak, dem Tagesspiegel. Er spricht sich deshalb dafür aus, die „in die Jahre gekommene Hundehalteverordnung des Landes endlich zu überarbeiten, damit wir als Behörde die gesetzlichen Maßnahmen schneller durchsetzen können“.

Nach dem Gesetz tritt die brandenburgische Hundehalterverordnung spätestens am 1. Juli 2024 außer Kraft. Es sei beabsichtigt, sie spätestens zu diesem Zeitpunkt neu zu fassen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage des Tagesspiegels. Zu Inhalten beziehungsweise geplanten Änderungen wollte er allerdings keine Aussagen treffen. „Der Meinungsbildungsprozess ist noch nicht abgeschlossen“, sagte er.

„Beißstatistik“ registriert weniger Angriffe

Zur Zahl der Hunde-Attacken auf Menschen gibt die sogenannte Beißstatistik des Landes Aufschluss. Während Anfang bis Mitte der 2000er jährlich mehr als 400 Fälle gemeldet wurden, waren es seit 2017 weniger als 300. „Im Durchschnitt der letzten 19 Jahre gab es 321 Vorfälle“, sagte der Ministeriumssprecher: „im Durchschnitt der letzten zehn Jahre waren es nur 288, das heißt, die Vorfälle waren tendenziell fallend.“

2022 gab es laut Statistik 299 Beiß-Attacken, daran waren 72 Mischlinge, 55 Deutsche Schäferhunde, 43 Labrador Retriever, 24 Boxer und 18 Rottweiler beteiligt.

Im Landkreis Märkisch-Oderland habe die Zahl der Hunde-Attacken in den vergangenen Jahren allerdings zumindest gefühlt zugenommen, findet hingegen David Idczak: „Das hat auch damit zu tun, dass sich während der Corona-Zeit mehr Menschen einen Hund angeschafft haben, um nicht zu vereinsamen“, sagt er.

Tatsächlich war bereits 2021 in Müncheberg ein Mann von einer Bulldogge schwer verletzt worden. In Hönow wurde erst vor drei Wochen eine Polizistin unvermittelt von einem frei umher laufenden Dobermann gebissen und musste ins Krankenhaus. Beide Orte liegen ebenfalls im Kreis Märkisch-Oderland.

Das Problem sind nicht die Tiere, sondern immer die Halter.

Rico Lange, Landestierschutzverband Brandenburg

Medienberichten zufolge haben die Behörden dort in den vergangenen Jahren im Schnitt jeweils 18 Hunde ihren Haltern weggenommen. Meist waren dafür aber nicht Beiß-Attacken ausschlaggebend, sondern Tierschutzgründe und unsachgemäße Haltung.

Auch wegen solcher Fälle fordert der Vorsitzende des Landestierschutzverbandes Brandenburg, Rico Lange, seit Jahren einen Hundeführerschein. „Das Problem sind ja nicht die Tiere, sondern immer die Halter“, sagt er: „Deshalb sollte jeder Hund im Land registriert und dabei geschaut werden, ob Herrchen und Frauchen auch über die notwendige Sachkenntnis verfügen, verantwortungsbewusst mit den ihnen anvertrauten Tieren umzugehen.“ Laut Brandenburger Innenministerium stimmt man sich über die Frage, ob im Land ein Hundeführerschein verpflichtend eingeführt werden soll, noch mit den zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden ab.

Bislang müssen nur große Hunde registriert werden

Bislang müssen in Brandenburg nur Hunde, die größer als 40 Zentimeter sind oder mehr als 20 Kilogramm wiegen, registriert werden.

Einige Hunderassen und alle Kreuzungen mit ihnen sind derzeit ganz verboten: American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier sowie Tosa Inu. Englische Bulldoggen, die den 81-Jährigen in Seelow attackierten, gehören nicht dazu.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false