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Bauzäune trennen den Bahnsteig vom bröckelnden Bahnhof. (Symbolfoto)

© Jörn Hasselmann

Sorgenkinder und Hoffnungszeichen: Der Erhalt alter Bahnhöfe in Brandenburg klappt noch nicht überall

Viele denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude in Brandenburg stehen leer. Es fehle das einheitliche Dach der Fürsorge, meint Landeskonservator Drachenberg. Doch es gibt auch Positivbeispiele.

Als der englische König Charles III. kürzlich Deutschland besuchte, nahm er für die Fahrt von Berlin nach Hamburg den ICE. Denn die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen den beiden Metropolen ist eine Vorzeigeroute der Deutschen Bahn AG. Im 30-Minuten-Takt brausen die weißen Schnellzüge von der Spree an die Elbe, in einer Stunde und 45 Minuten erreichen sie ihr Ziel.

Doch entlang der Strecke sieht es nicht so positiv aus. Die klassizistischen Empfangsgebäude der Unterwegsbahnhöfe stehen oft leer, die Fenster sind mit Pappen vernagelt, manche Gebäude eingezäunt. In Friesack ist der leere Bahnhof Anfang Mai sogar ausgebrannt.

„Die im heutigen Land Brandenburg befindlichen Bahnhöfe der Hamburger Bahn und zum großen Teil auch die technischen Anlagen sind denkmalgeschützt“, sagt Landeskonservator Prof. Thomas Drachenberg. „Nach der bekannten Verkaufspolitik der Bahn fehlt dieser architektonischen Perlenkette des frühen Eisenbahnbaus in Deutschland das einheitliche Dach der Fürsorge.“

In Paulinenaue dagegen, einige Kilometer von Friesack entfernt, sucht die Gemeinde aktiv nach einer Nutzung für das alte Bahnhofsgebäude. Denn das Empfangsgebäude befindet sich im Eigentum des Amtes Friesack. Es soll laut Ausschreibung für mindestens 20.000 Euro verkauft werden, wenn sich der neue Besitzer innerhalb von fünf Jahren zu einer Sanierung verpflichtet. Die Kosten dafür allerdings liegen laut Ausschreibungstext bei rund 2,5 Millionen Euro.

Die Stadt Wittenberge hat erkannt, dass ihr großartiges Bahnhofsgebäude für die Stadt so wichtig ist wie ein Schloss für andere Kommunen.

Prof. Thomas Drachenberg, Landeskonservator

Als Positivbeispiel nennt Drachenberg den Bahnhof in Wittenberge: „Die Stadt Wittenberge hat erkannt, dass ihr großartiges Bahnhofsgebäude für die Stadt so wichtig ist wie ein Schloss für andere Kommunen“, sagt Drachenberg. „Sie hat es durch eine kluge und beharrliche Politik geschafft, hier eine realistische Perspektive für innovative zukünftige Nutzungen zu schaffen und dabei das Denkmal zu erhalten.“ Das werde etwa durch Fördermittel des Landes unterstützt.

Anderswo ist es schwieriger, speziell dort, wo für die Bahnhöfe kein Nutzungskonzept vorliegt. „Die Denkmalschutzbehörden der Landkreise können die Eigentümer von Denkmalen dazu zwingen, das Gebäude weiter zu erhalten“, sagt Drachenberg. Dies geschehe auch mancherorts bereits. Mit dem Ist-Zustand allerdings ist der Landeskonservator nicht zufrieden: „Die Hamburger Bahn als Bahnstrecke mit herausragender verbindender Architektursprache der Mitte des 19. Jahrhunderts macht uns als Ganzes trotz der positiven Beispiele noch große denkmalpflegerische Sorgen."

49.000
Euro stellten die Ministerien für Infrastruktur, Kultur und Jugend erneut für die Teilsanierung des Bahnhofs Lindow bereit.

Doch dort, wo private Initiativen einen Bahnhof übernommen haben, kann daraus etwas entstehen: Ein Beispiel ist der Bahnhof Lindow, der sich an der von nur wenigen Zügen am Tag bedienten Nebenbahn von Löwenberg (Mark) über Herzberg (Mark) nach Rheinsberg befindet. Für den Betrieb auf der einst von der Löwenberg-Lindower Kreisbahn AG errichteten Strecke wird das Gebäude, ähnlich wie die Bahnhöfe an der ICE-Strecke nach Hamburg, nicht mehr benötigt.

„Wir möchten in Lindow einen Ort für Begegnungen schaffen“, sagte Sarah Herke von der Genossenschaft „Räume und Menschen“, als sie ihr Projekt Anfang des Jahres in der Potsdamer Staatskanzlei vorstellte. „Der Bahnhof ist das Tor zur Stadt und Treffpunkt für Jugendliche.“ Man wolle in Lindow einen Ort schaffen, wo die 3.000 Einwohner und die zahlreichen Tagesgäste ins Gespräch kommen können. So wurden dort bereits die Filme eines bundesweiten Dokumentarfilmfestivals gezeigt – und nun soll in einem Nebengebäude ein Jugendtreff entstehen.

Dafür stellten die Ministerien für Infrastruktur, Kultur und Jugend am Freitag erneut insgesamt 49.000 Euro aus Lottomitteln zur Verfügung. „Denkmale wie der Bahnhof in Lindow sind nicht nur schön anzuschauen, nicht nur wichtige Teile unseres kulturellen Erbes und nicht nur Paradebeispiele nachhaltiger Nutzung – sie ermöglichen vor allem Austausch und Miteinander“, sagte Kulturministerin Manja Schüle (SPD).

„Das Lindower Bahnhofsprojekt ist dafür das beste Beispiel: Die Macherinnen und Macher vor Ort setzen nicht nur auf den Einsatz nachhaltiger Rohstoffe und die Nutzung erneuerbarer Energien – sie öffnen das mehr als 125 Jahre alte Ensemble auch für Kultur-Events, Dialog-Veranstaltungen und vielfältige Begegnungen“, so Schüle. Und zugleich ist der alte Landbahnhof auf dem Weg nach Rheinsberg auch ein Beispiel dafür, was auch andernorts aus alten Empfangsgebäuden gemacht werden könnte, wenn alle Beteiligten guten Willens wären.

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