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Ralf (l.) und sein Bruder Jans Fangerow machen mit ihren Kaltblutpferden Amigo (l.) und Paco eine Pause in einem Wald mit Küstentannen.

© dpa / Patrick Pleul

Holzrücken mit Kraft und Ruhe: Pferde helfen beim Waldumbau

Die Brüder Fangerow arbeiten mit ihren Kaltblutpferden am Waldumbau. Was anmutet wie Handwerk aus vergangenen Jahrhunderten, können schwere Maschinen bis heute nicht ersetzen.

Von Jeanette Bederke, dpa

„Komm!“, ruft Ralf Fangerow mit einem langgezogenen „O“. Auf sein Kommando hin stemmt sich der polnische Kaltblüter Amigo in das hölzerne Kumt - einen Bügel - um seinen Hals und zieht scheinbar mühelos den tonnenschweren, mächtigen Stamm einer Küstentanne aus einem Waldstück bei Oderberg (Landkreis Barnim). „Brrr“, sagt der Mann hinter dem Geschirr, um das große, kräftige Tier auf dem Waldweg zu stoppen. „Das Kumt ist eine Maßanfertigung, das Pferd schiebt die Last dort hinein“, erklärt Fangerow.

Mehrfach Preise gewonnen

Sein neun Jahre alter tierischer Helfer ist ein echter Zugpferd-Champion. Schon mehrfach hat er bei der größten Kaltblutpferde-Sportveranstaltung Europas, Titanen der Rennbahn, in Brück (Potsdam-Mittelmark) abgeräumt - in den Disziplinen, in denen es um Kraft und Stärke ging. „Unter anderem muss ein 1,2 Tonnen schwerer Schlitten über eine Distanz von 60 Metern gezogen werden“, erklärt Amigos Besitzer. 19 Jahre lang nahmen die Uckermärker Ralf Fangerow und sein Bruder Jens mit ihren Tieren daran teil, Dutzende Pokale und Siegerschleifen zeugen davon.

Die Kaltblüter der Fangerows sind tatsächlich die stärksten Pferde Deutschlands

Thomas Haseloff, dessen Familie Veranstalter der Titanen der Rennbahn in Brück war.

„Die Kaltblüter der Fangerows sind tatsächlich die stärksten Pferde Deutschlands“, sagt Thomas Haseloff, dessen Familie Veranstalter der Titanen der Rennbahn war. Aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland traten dort Teams mit 500 Pferden an. Der Erfolg der uckermärkischen Kaltblüter kommt nicht von ungefähr. „Wir arbeiten tagtäglich mit unseren Pferden“, sagt der 65-jährige Ralf Fangerow, der mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Jens seit 15 Jahren im Angermünder Ortsteil Altkünkendorf (Landkreis Uckermark) die Firma Die Holzrücker führt.

Tonnenschwere Baumstämme

Gemeinsam mit ihren großen, starken Pferden ziehen sie nicht nur tonnenschwere Baumstämme aus unwegsamen Waldgebieten, in denen nicht mit schweren Maschinen gearbeitet werden kann. „Wir sind auch beim Waldumbau im Land Brandenburg dabei, pflügen den Waldboden für Neuanpflanzungen und reißen hier nicht heimische, invasive Traubenkirschen mitsamt der Wurzeln aus“, erklärt Jens Fangerow.

Rückepferde, meist Kaltblüter, können Baumstämme von bis zu einer Tonne über den Waldboden ziehen.

© dpa / Patrick Pleul

„Wir greifen gern auf erfahrene Unternehmer wie die Fangerows zurück“, sagt Jan Engel vom Brandenburger Landesbetrieb Forst. „Der Bedarf ist hoch, doch leider gibt es zu wenige dieser Spezialisten.“ Der Vorteil des Pferdeeinsatzes im Wald: Der Boden sowie der restliche Baumbestand werde geschont, es gebe weder Lärm noch Gestank, beschreibt er. Außerdem könnten die Tiere im Gegensatz zu Maschinen auch in Hanglagen und feuchten Gebieten arbeiten.

900
Kilogramm ist jedes der Arbeitspferde schwer.

Ihre vier Pferde haben die Brüder Fangerow sorgsam ausgesucht. „Sie müssen groß sein, mit einer Widerristhöhe von ungefähr 1,75 Metern, und ungefähr 900 Kilogramm schwer, um richtig Kraft zu haben.“ Zwei Jahre dauere die Ausbildung, bei der es darum gehe, auf Kommando zu hören, erzählen die Holzrücker. Das A und O sei das Vermögen der Tiere, stehen zu bleiben. „Pferde sind Fluchttiere. Wenn die mit Gewicht hintendran einfach losrennen, wird es gefährlich“, meint Jens Fangerow. Er und sein Bruder haben Kaltblüter, von denen es in Europa rund 20 verschiedenen Rassen gibt, schätzen gelernt. „Sie sind ruhig und ausgeglichen, nicht schreckhaft. Was sie einmal gelernt haben, vergessen die nicht wieder“, erzählt der 63-Jährige.

Rund 60 Tiere haben Haseloffs

„Kaltblüter sind unkompliziert und haben ein cooles Gemüt“, bestätigt Haseloff, dessen Familie diese Pferde bereits seit den 1980er Jahren züchtet. Rund 60 Tiere haben Haseloffs aktuell, spannen sie für Touristenausflüge vor Planwagen, nutzen sie aber auch für den Reitsport und therapeutisches Reiten. Die beiden gelernten Schlosser Fangerow haben Kaltblüter, die seit Jahrhunderten als Zugpferde eingesetzt werden, erst nach der Wende kennengelernt. „Wir wollten uns mit einem Kutsch- und Kremserbetrieb selbstständig machen, merkten jedoch schnell, dass damit kein Geld zu verdienen ist“, sagt Ralf Fangerow. Also fingen sie „im Holz an“, wie beide Brüder sagen.

Erst mit sechs Jahren sei das Knochenwachstum der Kaltblüter ausgewachsen. Vorher sollten sie nicht für schwere Arbeiten wie das Holzrücken eingesetzt werden, erklären sie. Etwa neun Jahre lang haben die Pferde nach den Erfahrungen der Fangerows Kraft genug für das Ziehen großer Lasten. Die beiden wollen allerdings nur noch wenige Jahre mit ihren Tieren im Wald arbeiten. „Wir werden nicht jünger, die Arbeitsbedingungen immer schlimmer: Erdwespen, Zecken, Hirschläuse können einen plagen. Die Sommer werden immer heißer, was auch die Pferde an Grenzen bringt“, beschreibt Ralf Fangerow die Situation.

Ihr Handwerk haben sie an ihre Neffen vererbt, Fangerows wollen mit ihren Kaltblütern dann nur noch Hochzeitskutschen oder Kremser fahren. Gern wären sie weiter bei den Titanen der Rennbahn angetreten, doch die Veranstalter-Familie Haseloff wird die beliebte Veranstaltung mit jährlich 30 000 Besuchern nicht mehr ausrichten. „Wir schaffen es nicht mehr, viele Mitstreiter sind inzwischen verstorben. Tierschutzorganisationen machen uns das Leben schwer“, sagt Thomas Haseloff. Mit ihrem Landwirtschaftsbetrieb inklusive Rinderhaltung und Milchproduktion sei die Familie ausgelastet. „Aber die Pferde bleiben unser Hobby“, versichert er.

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