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Zwölfklässlerin Lena Büchholz (l.) malt unter Anleitung von Restauratorin Dorothee Schmidt-Breitung in der Museumswerkstatt der Zisterzienser-Klosteranlage Neuzelle eine Kopie einer mittelalterlichen Wandmalerei aus der Friedenskirche in Frankfurt (Oder).

© dpa/Patrick Pleul

Engel in leuchtenden Farben: Wo Brandenburger Schüler mittelalterliche Kirchenmalereien kopieren

An der Frankfurter Friedenskirche wurden mittelalterliche Giebelmalereien wiederentdeckt. Sie beschäftigen nicht nur Forscher der Fachhochschule Potsdam, sondern auch Schüler eines Gymnasiums.

Von Jeanette Bederke, dpa

Vorsichtig taucht Lena Büchholz einen Pinsel in das kleine Gläschen mit dem Blattgold. Dann trägt die 17-Jährige die kostbare Farbe auf eine mit Bleistift vorgezeichnete Stelle auf einer grundierten Spanplatte. „Das ist das Gewand eines Engels – mit goldenen Verzierungen“, erklärt die Zwölftklässlerin des Freien Gymnasiums der Rahn Education in Neuzelle (Oder-Spree).

Als Vorlage dienten ihr und den anderen 27 Schülern aus dem schulischen Kunstkurs die großflächigen mittelalterlichen Wandmalereien aus der Friedenskirche in Frankfurt (Oder). „Nachgewiesen ist es bisher nicht, dass damals dort Gold verwendet wurde. Aber die Schüler sollten die Kunstwerke ja in ihre Lebenswelt holen“, erklärt Restauratorin Dorothee Schmidt-Breitung.

In 26 Nischen eines ostwärts gewandten Giebels der Kirche finden sich Reste von Heiligendarstellungen, Fabelwesen, Engel und die biblische Kreuzigungsszene aus dem 13. Jahrhundert. Dass sie zumindest in Fragmenten noch erhalten sind, ist der Geschichte des Gotteshauses zu verdanken: Es erhielt einen neuen Hallenumgangschor, der Giebel verschwand unter dem Chordach und war nicht länger der Witterung ausgesetzt.

Die Kunstwerke gehörten zu den ältesten noch erhaltenen Fassadenmalereien in Brandenburg und seien europaweit einmalig, sagt Mechthild Noll-Minor vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege. „Es gab sie auch in anderen Kirchen, aber sie sind nicht erhalten.“ Wer die Frankfurter Sakralkunstwerke einst geschaffen hat, ist unbekannt. „Wir haben bisher keine Quellen gefunden.“

Forschungsprojekt und Ausstellung zu Giebelmalereien

Das herauszufinden, den Bestand zu dokumentieren und ein Erhaltungskonzept zu erstellen, ist Thema eines mehrjährigen Forschungsprojektes unter der Leitung der Fachhochschule Potsdam, finanziert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt. Es soll auch eine Ausstellung gestaltet werden, weil Kirchenbesuchern der Giebel mit dem mittelalterlichen Kunstschatz weiter verborgen bleiben wird – das Chordach verdeckt nach wie vor den Blick darauf. Wichtigstes Ziel: Die Ausstellung muss Jugendliche ansprechen, um sie für mittelalterliche Kunst zu begeistern.

„Nachgewiesen ist es bisher nicht, dass damals dort Gold verwendet wurde. Aber die Schüler sollten die Kunstwerke ja in ihre Lebenswelt holen“, erklärt Restauratorin Dorothee Schmidt-Breitung.

© dpa/Patrick Pleul

Darum kümmert sich Restauratorin Schmidt-Breitung, Spezialistin für Wandmalereien aus Breslack (Oder-Spree). Sie engagiert sich bereits seit vielen Jahren in der Denkmalpflege-Vermittlung, hat seit zwei Jahren in der ehemaligen Zisterzienser-Klosteranlage Neuzelle eine eigene Museumswerkstatt. Über zehn Jahre lang engagiert sie sich am Rahn-Gymnasium, untergebracht im früheren Klausurgebäude der Anlage. „Der Unterricht erfordert viel Engagement und Zeit, bleibt aber in den Köpfen der Schüler“, erklärt sie ihr Konzept des „Lebendigen Lernens“.

In diesem Sinne hat sie den Gymnasiasten jetzt die Original-Spanplatten organisiert, mit denen die kostbaren Frankfurter Giebelmalereien seit den 1990er Jahren zum Schutz abgedeckt waren. „Je authentischer, umso besser erreichst Du die Jugendlichen.“

Denkmal-Unterricht in der Museumswerkstatt

Lena und ihre Klassenkameraden konnten sich eine der dargestellten Figuren aussuchen, sie auf die Spanplatten zeichnen und mit selbst gemischten Pigmentfarben gestalten, wie sie einst im Mittelalter verwendet wurden: Zinnoberrot, Malachitgrün, blauer Azurit und ein Bleipigment namens Mennige in kräftigem Orange. Mit dieser Farbe hat die 17-Jährige ihren Engel umrahmt, die Flügel grün ausgemalt. „Diese Art von Unterricht ist schon etwas Besonderes – außerhalb der Schule im Kloster-Kreuzgang. Dazu diese leuchtenden mittelalterlichen Farben. Damit kann ich mich gut in die damalige Zeit hineinversetzten“, sagt die Neuzellerin, die Geschichte als Leistungskurs gewählt hat.

Und wenn später Lenas Engel-Bild sogar in der Ausstellung in der Frankfurter Friedenskirche gezeigt würde, wäre sie mächtig stolz, wie sie versichert. „Die besten Arbeiten wählen wir dafür aus“, bestätigt Schmidt-Breitung, die im Auftrag der Stiftung Stift Neuzelle auch als Museumspädagogin tätig ist. In ihrem Denkmal-Unterricht will sie eine Art Lesehilfe der mittelalterlichen Malereien für künftige Ausstellungsbesucher erarbeiten.

Elftklässler des Rahn-Gymnasiums sind unter ihrer Anleitung für einen Film in die Rollen der dargestellten Figuren geschlüpft und stellen sie kurz vor – Jesus, Petrus, einen Phönix oder die Jungfrau Maria. Nachgestellt auf einer großen Wiese und gefilmt mit einer Drohne stehen sie an den Stellen, wie sie auch im Original-Kirchengiebel angeordnet sind. Im Herbst wird die Restauratorin mit neuen Elftklässlern einen Audioguide für die Ausstellung vorbereiten. „Die Schüler schreiben die Texte dazu selbst und sprechen sie in einem mobilen Tonstudio ein“, erklärt Schmidt-Breitung.

Eine Restauratorin mit Lernanspruch

„Sie legt Wert auf emotionales Lernen, ein Punkt, der im schulischen Lernalltag der Wissensvermittlung selten Berücksichtigung findet, Jugendliche aber anspricht“, sagt Denkmalpflegerin Noll-Minor. Das Gymnasium schätze den Denkmal-Unterricht, aufgrund der Kompetenz der Restauratorin, betont Gotthard Dittrich, Geschäftsführer von Rahn Education, die deutschlandweit 40 Bildungseinrichtungen betreibt. Sie habe immer wieder neue Ideen und die Ergebnisse seien fantastisch, meint er. „Denn wenn wir eine Schule in so geschichtsträchtigen Mauern haben, soll sich das auch in den Lernangeboten widerspiegeln.“ Immerhin sei das Kloster Neuzelle seit seiner Gründung 1268 stets auch Bildungsstätte gewesen, sagt Dittrich.

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