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Kultur: Albrecht Dürer: Der Sohn entwirft, der Vater verkauft

Dürer einmal anders: Nicht als der geniale Maler von Porträts oder Figurengruppen wie den "Vier Aposteln" wird uns der Künstler in der Nürnberger Ausstellung präsentiert, auch nicht in erster Linie als Druckgrafiker, sondern als "ein Künstler in seiner Stadt. Im umgebauten Fembohaus wird ein bislang eher am Rande gestreiftes Forschungsthema behandelt, scheint doch über Dürers Beziehung zu Venedig oder Antwerpen mehr bekannt zu sein als über das Verhältnis zu seiner Heimatstadt.

Dürer einmal anders: Nicht als der geniale Maler von Porträts oder Figurengruppen wie den "Vier Aposteln" wird uns der Künstler in der Nürnberger Ausstellung präsentiert, auch nicht in erster Linie als Druckgrafiker, sondern als "ein Künstler in seiner Stadt. Im umgebauten Fembohaus wird ein bislang eher am Rande gestreiftes Forschungsthema behandelt, scheint doch über Dürers Beziehung zu Venedig oder Antwerpen mehr bekannt zu sein als über das Verhältnis zu seiner Heimatstadt.

Vor allem der Zeichner steht im Mittelpunkt der Betrachtungen. Mehr als 30 aus aller Welt zusammengetragene Zeichnungen von des Meisters Hand präsentieren zu können, ist für Matthias Mende, der für die hochkarätige Schau als Leiter der Graphischen Sammlung Nürnberg verantwortlich zeichnet, durchaus eine Sensation.

Es sind oft in Rot- oder Schwarzbraun gehaltene Federzeichnungen, wie das frühe Selbstbildnis mit der den Kopf stützenden Rechten, ferner Architekturphantasien, Studien zur Proportionslehre, Entwürfe für ein Möbelstück oder Wappen, von Leonardo inspirierte Pferdestudien, biblische Szenen oder ein Selbstporträt mit wallendem Haupthaar in Christuspose.

Weiß und Schwarz

Freilich: Um 1513 entstandene physiognomische Kopfstudien, die in einer Reihe dem Idealantlitz eines weißen Mannes diverse abwertende Zwischenstufen und schließlich karikierend das Profil eines Negers mit wulstigen Lippen gegenüberstellen, würden wir heute als "rassistisch" bezeichnen. Doch Gesichter dieser Art sind Ausdruck des damaligen Schönheitsideals und finden sich schon auf spätgotischen Passionsdarstellungen bei denjenigen Figuren, die Christus martern und verspotten.

Manche der jetzt in Nürnberg ausgestellten Blätter waren für die Andacht bestimmt, wie eine mit Wasserfarben um 1500 meisterlich kolorierte Arbeit, auf der die heilige Anna mit Jesuskind und ihre lieblich lächelnde Tochter Maria Anmut und Intimität verbreiten. Aber vor allem besticht die in dunkelblau gehaltene Präsentation dadurch, dass sie uns neue Erkenntnisse und bislang eher unbeachtet gebliebene Tätigkeitsfelder Dürers näher bringt. So war er unter anderem als Gutachter für Kirchenbauten tätig - wie eine erstmals ausgestellte Expertise Dürers für das Dach der Klosterkirche in Gnadenberg belegt - oder wirkte als gehobener Dekorateur und Gestalter von Tapeten. Auf einem dieser jetzt zu sehenden Riesenholzschnitte, die direkt auf die Wand geklebt und dort koloriert wurden, turnen beispielsweise ein Satyr, eine nackte Schöne und ein Kind inmitten von üppig wuchernder Weinranken.

Schon lange hatten Kunsthistoriker vermutet, dass der junge Dürer am größten Buchprojekt seiner Zeit mitgewirkt hat, an der berühmten Schedelschen Weltchronik. Doch nun glaubt man endlich den Beleg dafür gefunden zu haben: einen kleinen, jetzt ausgestellten Holzstock mit einer Vorzeichnung für den siebten Schöpfungstag. Da der im Buch abgedruckte Holzschnitt aber größer ausfiel als der vorliegende Riss, das Format also nicht passte, scheint es sich um einen frühen Entwurf Dürers für die Chronik zu handeln, als er noch bei Michael Wolgemut in die Lehre ging.

Auch an heute verschwundenen Fassadenmalereien seiner Heimatstadt wirkte Albrecht Dürer mit, wie fünf auf Leinwand aufgezogene farbige Nachzeichnungen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts dokumentieren. Das Stadthaus einer Patrizierfamilie verzierte er ebenso wie 1521 nach seiner Rückkehr aus den Niederlanden das Nürnberger Rathaus, das er mit Heiligenfiguren und biblischen Szenen versah - besaß doch sein Vater in dem multifunktionalen, auch Verkaufsläden beherbergenden Gebäude einen Goldschmiedeladen, in dem er Arbeiten seines Sohnes verkaufte.

Verkauf per Agent

Der war im Übrigen ein glänzender Vermarkter seines Werkes. Kunstagenten verkauften in seinem Auftrag überall in Europa seine Grafiken und sorgten damit für eine Verbreitung seines µuvres. Kenntnisreich und didaktisch überzeugend führt die in neun Abteilungen untergliederte Ausstellung, die ein hervorragender Katalog ergänzt, zunächst in Themen wie "Dürers Anfänge bei Wolgemut" ein. Sie informiert den Besucher über "Meister um Dürer" wie Hans Baldung Grien, Hans Schäufelein oder Hans von Kulmbach und gibt anhand von alten Veduten, Aquarellen und Landkarten einen Eindruck vom Erscheinungsbild Nürnbergs zu Lebzeiten des Künstlers.

Auch die Rolle, die St. Sebald im Leben des Malers gespielt hat, wird ausführlich gewürdigt. In seiner Hauskirche, vom Ausstellungsort nur einen Steinwurf entfernt, befindet sich bis heute Dürers Taufbecken. Devotionalien und Memorabilia wie Münzen oder eine Haarlocke des Künstlers setzen weitere Akzente. Eine exzellente Präsentation, die da die Nürnberger zum 950-jährigen Stadtjubiläum ihrem größten Sohn gewidmet haben: Dürer einmal anders.

Thomas Senne

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