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Kleiner als ein Wolf, größer als ein Fuchs: der Goldschakal wird oft verwechselt.

© imago images/blickwinkel/AGAMI/H. Bouwmeester via www.imago-images.de

Die große Wanderung der „Kleinen Wölfe“: Der Goldschakal siedelt sich in Brandenburg an

Immer mehr der großen Beutegreifer werden in Deutschland gesichtet. Doch den allerersten Nachweis gab es in der Lausitz – und das schon vor 25 Jahren.

Von Sandra Dassler

Die Nachricht kam Tierexperten gleich etwas seltsam vor: „Ein kleiner Wolf wurde auf der A 13 in Richtung Berlin zwischen Ragow und Schönefelder Kreuz überfahren“, hatte die Autobahnmeisterei Ende Februar an den zuständigen Wolfsmanagement-Beauftragten gemeldet. „Aber im Winter gibt es keine kleinen Wölfe mehr“, sagt Anja Kayser, die beim brandenburgischen Landesumweltamt für Säugetiermonitoring zuständig ist.

Größer als Füchse, kleiner als Wölfe

Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass der „kleine Wolf“ zweifelsfrei ein ausgewachsener Goldschakal war. Diese Tiere sind tatsächlich etwas kleiner als Wölfe und etwas größer als Füchse. Sie leben vor allem in Asien, aber auch in den europäischen Balkanstaaten. Seit einigen Jahren breiten sich Goldschakale langsam, aber stetig in nördlicher und westlicher gelegene Länder wie Ungarn, Österreich, Frankreich, der Schweiz, Polen, Dänemark und Deutschland aus.

Auch in Brandenburg gab es immer mal wieder Berichte von Augenzeugen, sagt Thomas Frey vom Landesumweltamt: „Ein Goldschakal soll 2004 im Landkreis Oder-Spree sowie 2007 und 2014 im Landkreis Dahme-Spreewald gesehen worden sein.“

Nachweis auch an deutsch-polnischer Grenze

Im Gegensatz zu diesen, nicht zweifelsfrei belegten „Sichtbeobachtungen“, gilt der Fund des im Februar auf der A 13 überfahrenen Tieres als sicherer Nachweis, sagt Jens Teubner von der Naturschutzstation Zippelsförde bei Neuruppin: „Einen ähnlichen Fall hatten wir im Jahr 2015 direkt im Grenzgebiet auf der Höhe von Schwedt, allerdings auf polnischer Seite.“

Auch in einigen anderen Bundesländern wurden inzwischen einzelne Goldschakale gesichtet, fast immer Rüden. 2021 wurden deutschlandweit 80 Einzelnachweise erbracht, die Dunkelziffer dürfte allerdings hoch sein. Schließlich wird der Goldschakal oft mit einem Wolf, Fuchs oder Hund verwechselt.

Einzigartiger Pfotenabdruck

Der Unterschied besteht zum einen in der Farbe des Fells: Der Goldschakal ist gelblich grau, manchmal auch rötlich und am Rücken sowie an der Schwanzspitze dunkel gefärbt. Zum anderen ist er zweifelsfrei an seinem Pfotenabdruck identifizierbar, sagt Reinhard Möckel: „Nur beim Goldschakal, nicht bei Rotfuchs, Wolf und Hund, sind die beiden mittleren Ballen an ihrem hinteren Ende verwachsen.“

Reinhard Möckel ist seit vielen Jahren Wildtier-Experte und Wolfs-Beauftragter in der Lausitz. Und er hat dafür gesorgt, dass der allererste Nachweis eines Goldschakals in Deutschland nicht verborgen blieb. Denn dieses Tier wurde bereits im Januar 1996 auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohle-Tagebaus im Landkreis Oberspreewald-Lausitz gesehen.

Ein Wolf hat kein braunes Fell.

Reinhard Möckel, Wildtierexperte und Wolfsbeauftragter

„Ein befreundeter Jäger hat mir gesagt, in seinem Revier lebe ein Wolf“, erzählt Reinhard Möckel. Auch andere Zeugen hätten in den darauffolgenden zwei Jahren von einem „Wolf in seinem braunen Sommerpelz“ berichtet. „Ein Wolf hat aber kein braunes Fell“, sagt Möckel: „Und als das Tier dann noch dabei beobachtet wurde, wie es beim Mäusefangen einen Katzenbuckel machte, schwante meinem Informanten, dass es sich um einen Goldschakal handeln musste.“

Nach einer letzten Sichtung im Mai 1997 hörte Reinhard Möckel nichts mehr von dem Tier. Zwei Jahre später erzählte ihm ein Ornithologe, dass er in der Tiefkühltruhe eines Präparators ein seltsames Exemplar gesehen habe: halb Wolf, halb Fuchs. Möckel zählte eins und eins zusammen und sprach den Jäger darauf an. Der gestand zerknirscht, dass er das Tier 1998 aus Mitleid geschossen habe, da es angefahren worden sei.

Keine Zeichen von Gefangenschaft

„Es war eindeutig ein Goldschakal“, sagt Reinhard Möckel: „Und er wies keine Zeichen von Gefangenschaft auf, das heißt, er war allein auf seinen vier Pfoten nach Deutschland gekommen – es war schlichtweg eine Sensation.“

Meine Studenten haben gestaunt.

Matthias Freude, ehemaliger Präsident des brandenburgischen Landesumweltamts

Das sah auch der damalige Präsident des brandenburgischen Landesumweltamts, Matthias Freude, so: „Ich habe das Präparat, das uns der Jäger überlassen hat, mit in meine Vorlesungen genommen. Es war zwar nicht besonders gut, aber meine Studenten haben  gestaunt.“

Der „erste deutsche Goldschakal“ war 40 Zentimeter hoch, 90 Zentimeter lang und wurde später an das Naturkundemuseum Potsdam übergeben. Gegen den Jäger, der ihn zur Strecke gebracht hatte, ermittelte Medienberichten zufolge die Staatsanwaltschaft, denn der Goldschakal gehört nicht zu den im Bundesjagdgesetz aufgeführten jagdbaren Tieren. Im Gegensatz zu Bären, Wölfen und Luchsen ist er in Deutschland allerdings auch nicht besonders geschützt. In der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU wird er hingegen als schützenswerte Art geführt.

Goldschakal ist keine invasive Art

In jedem Fall unterliegt der Goldschakal als wild lebende Tierart dem Bundesnaturschutzgesetz, sagt Reinhard Möckel: „Gemäß Paragraf 39, Absatz 1 darf er nicht mutwillig beunruhigt, ohne vernünftigen Grund gefangen, verletzt oder getötet werden. Außerdem handelt es sich bei ihm nicht um ein vom Menschen absichtlich eingeführtes Neozoon, wie die invasiven Raubsäuger Marderhunde oder Waschbären. Das Vordringen des Goldschakals bis nach Mitteleuropa ist vielmehr ein natürlicher Prozess und als eine Bereicherung unserer Wildtierfauna anzusehen.“

Ohne Konflikte wird das sicherlich nicht bleiben. Schließlich ernährt sich der Goldschakal nicht nur von Pflanzen, Fischen, Amphibien und Kadavern, sondern vor allem von kleinen und mittelgroßen Säugetieren. Reinhard Möckel glaubt, dass es schon jetzt nicht immer nur ein Fuchs ist, der die Gänse und Hühner stiehlt.

Mehrere Lämmer gerissen

Im August 2022 riss ein Goldschakal sogar mehrere neugeborene Lämmer im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau. Der Bauer bekam keine Entschädigung, wie es bei einem Wolfsangriff der Fall gewesen wäre.

Für den Menschen sei der Goldschakal, der meist zu zweit mit demselben Partner oder in einer Familie lebt, nicht gefährlich, sagen die Experten. Er gilt sogar als sehr scheu, vielleicht hat er deswegen den ungerechtfertigten Ruf als „feiger Aasfresser“.

Den Ägyptern waren Schakale heilig

Den Ägyptern war der Schakal hingegen offenbar heilig: Anubis, der Gott, der die Herzen der Toten wiegt, wurde oft mit einem Hunde- oder Schakalkopf dargestellt. Jedenfalls ging man bisher davon aus, dass es sich um einen Schakalkopf handelte.

Ob die Goldschakale in Deutschland heimisch werden können, bleibt abzuwarten. Während viele Experten von einer hier völlig neuen Art sprechen, glauben andere, dass sie auch in früheren Zeiten schon hier lebten, beispielsweise im Schilf von Seen. In Österreich etwa wurden sie deshalb „Rohrwölfe“ oder „Kleine Wölfe“ genannt.

Wölfe sind Todfeinde der Schakale

Im Schwarzwald und in Niedersachsen konnte 2021 und 2022 erstmals jeweils eine Goldschakal-Familie mit hier geborenen Welpen nachgewiesen werden. So weit ist es in Brandenburg noch nicht. Möglicherweise gibt es hierzulande auch zu viele Wölfe, die als die Todfeinde der Schakale gelten.

Aber wer weiß! Das im Februar auf der A 13 vor dem Schönefelder Kreuz überfahrene Tier war immerhin erstmals ein Goldschakal-Weibchen.

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