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Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité

© dpa/Kay Nietfeld

Update

„Bei weitem die wahrscheinlichste Herkunft“: Erste Hinweise auf Marderhund als Überträger von Corona

Eine neue Untersuchung der Erbgutspuren vom Markt im chinesischen Wuhan deuten auf Marderhunde als Corona-Quelle hin. Charité-Virologe Drosten sieht seine Hypothese damit bestätigt.

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Die Möglichkeit, das Coronavirus Sars-CoV-2 sei von Wildtieren auf den Menschen übergesprungen, die illegal auf einem Markt der chinesischen Stadt Wuhan gehandelt wurden, stand neben anderen Theorien seit Beginn der Pandemie im Raum.

Nun hat ein internationales Forschungsteam offenbar neue Hinweise gefunden, die diese These ein Stück weit stützen, wenn auch nicht belegen. Das meldet die „New York Times“ nach einem Bericht der Zeitschrift „The Atlantic“.

Demnach hat ein internationales Forschungsteam in einer Datenbank genetische Spuren entdeckt, die von Abstrichen stammen, die im und um den „Huanan Seafood Wholesale“ Markt in Wuhan ab Januar 2020 genommen wurden, also kurz nachdem die chinesischen Behörden den Markt geschlossen hatten, weil sie einen Zusammenhang mit dem Ausbruch eines neuen Virus vermuteten.

Ein Marderhund.

© Imago/Nature Picture Library/Valeriy Maleev

Zwar befanden sich zum Zeitpunkt der Probennahme keine Tiere mehr auf dem Markt, aber Erbgutspuren verschiedenster Tierarten seien auf Wänden, Böden, Metallkäfigen und Transportwagen, die für den Tierhandel verwendet wurden, entdeckt und in die Datenbank geladen worden.

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Marderhund- und Virus-Erbgut nebeneinander

Auffällig häufig fand das Team, das bestätigten die drei renommierten Virusforscher Kristian Andersen, Edward Holmes, and Michael Worobey „The Atlantic“, neben dem Erbgut von Sars-CoV-2 in den Abstrichen auch große Mengen DNA des Marderhundes Nyctereutes procyonoides, auch Waschbärhund, Tanuki oder Enok, genannt. Die Tiere sind eng verwandt mit Füchsen, ähneln äußerlich aber eher Waschbären. Die Tiere werden vor allem wegen ihres Fells – oft illegal – gezüchtet und gehandelt.

Zwar beweist das gemeinsame Auftauchen von Virus- und Marderhund-Erbgut nicht zwangsläufig, dass Nyctereutes procyonoides auch der Überträger ist. Möglich wäre auch, dass infizierte Menschen die Virus-RNA dort hinterlassen haben und die Marderhunde gar nicht infiziert waren.

Allerdings ist bekannt, dass sich Marderhunde mit Sars-Cov-2 infizieren können. Der Charité-Virologe Christian Drosten hatte im Tagesspiegel-Interview bereits im September 2020 auf Marderhunde oder Zibetkatzen, von denen nachweislich die Sars-Pandemie der Jahre 2002 und 2003 ausging, als mögliche Überträger hingewiesen und daher für eine bessere Überwachung von Nutztieren plädiert.

„Erfahrungsgemäß ist es so, dass die wirklich relevanten Sprünge der Viren von Art zu Art über Brückenwirte laufen, und diese Brückenwirte sind fast immer Nutztiere“, sagte Drosten damals. Auf Nachfrage ergänzt er nun gegenüber dem Tagesspiegel, „dass diese vorläufige Analyse chinesischer Daten meine stets favorisierte Hypothese bestätigt.“

Natürlich müsse man alle denkbaren Theorien ernst nehmen, „aber eine Herkunft aus Carnivoren, insbesondere Marderhunden oder Schleichkatzen, ist bei weitem die wahrscheinlichste Herkunft“, so Drosten. „Dies begründet sich aus dem Wissen über das erste Sars-Virus, wo es genauso war.“

Ein Arbeiter desinfiziert auf einem Wildtiermarkt in Wuhan Käfige. (Archivbild von 2004)

© dpa/EPA/Chang Feng

Allerdings wäre auch der Nachweis eines infizierten Marderhundes auf dem Wuhan-Markt, was nach drei Jahren unmöglich ist, streng genommen nur ein Hinweis, aber kein Beweis, dass die Viren von diesem Tier und dort auf dem Markt auf den Menschen übergesprungen sind.

Allerdings seien die jetzt entdeckten genetischen Daten vom Markt „einer der bisher greifbarsten Beweise dafür, wie das Virus von wilden Tieren außerhalb eines Labors auf den Menschen übergesprungen sein könnte“, schreibt die „New York Times“.

Ein Schlaglicht auf den illegalen Wildtierhandel

Die Ergebnisse zeigten, dass „die Proben vom Markt, die frühe Covid-Linien in sich trugen, mit DNA von Wildtieren kontaminiert waren“, sagte Jeremy Kamil, ein Virologe am Louisiana State University Health Sciences Center Shreveport, der nicht an der Studie beteiligt war. Kamil sagte, dies sei kein schlüssiger Beweis dafür, dass ein infiziertes Tier die Pandemie ausgelöst habe. Aber das werfe „ein Schlaglicht auf den illegalen Tierhandel“.

Die jetzt neu aufgetauchten Proben stammen offenbar von denselben chinesischen Wissenschaftlern, die im Februar 2022 eine Analyse eines Teils dieser Abstrichproben im Fachblatt „Research Square“ veröffentlicht hatten. Allerdings waren sie zu dem Schluss gekommen, dass die entdeckten Virusspuren von infizierten Personen, nicht von dort verkauften Tieren stammen.

Anschließend haben diese Forscher, darunter auch der ehemalige Leiter von Chinas Seuchenkontrollbehörde (CDC) George Gao, die Erbgutsequenzen der übrigen Proben vom Wuhan-Markt in die Datenbank „GISAID“ geladen - offenbar weil es für eine Begutachtung des derzeit „under review“ stehenden „Research Square“-Artikels erforderlich ist, die Rohdaten öffentlich zur Verfügung zu stellen. In diesen Erbgutsequenzen finden sich die DNA-Spuren der Marderhunde.

Allerdings haben die chinesischen Forscher diese Erbgutsequenzen aus der Datenbank inzwischen wieder löschen lassen, ohne Angabe von Gründen. Sie seien „nichts Neues“, sagte Gao dem Fachmagazin „Science“. „Es war bekannt, dass es dort illegalen Tierhandel gab und dass das der Grund war, warum der Markt sofort geschlossen wurde.“

Purer Zufall

Dass die Sequenzen in der kurzen Zeit, in der sie öffentlich zugänglich waren, entdeckt wurden, sei „purer Zufall“ heißt es bei „The Atlantic“. „Science“ zufolge entdeckte Florence Débarre, ein Evolutionsbiologin am französischen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) die Daten bei GISAID. Débarre kontaktierte daraufhin Kristian Andersen vom Scripps Institute in La Jolla und dem Evolutionsbiologen Michael Worobey von der Universität Arizona. Débarre und er, erzählte Worobey dem „ScienceInsider“, seien „sehr offen“ für die Idee einer Laborpanne gewesen, „aber wir wurden immer überzeugter, je mehr Beweise auftauchten, dass es einfach nicht so war, und dass es auf dem Huanan-Markt durch den Wildtierhandel geschah“.

Die Ergebnisse wurden bereits am Dienstag auf einer Sitzung der „Wissenschaftlichen Beratergruppe für den Ursprung neuer Pathogene“ der Weltgesundheitsorganisation diskutiert. Anwesend seien auch die chinesischen Wissenschaftler gewesen, die die Daten kurzzeitig bei GISAID eingestellt hatten.

Offen blieb, warum die Erbgutsequenzen aus den Abstrichen, die ab 1. Januar und 2. März 2020 auf dem Wuhan-Markt genommen wurden, von George Gaos Team nicht längst veröffentlicht wurden und warum sie nur kurzzeitig in der GISAID-Datenbank zu finden waren.

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