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Steffen Freiberg, SPD, Brandenburgs künftiger Bildungsminister

© dpa/Michael Bahlo

Die drei größten Baustellen: Was Brandenburgs neuer Bildungsminister Steffen Freiberg wuppen muss

Ministerin Britta Ernst (SPD) ist zurückgetreten, fundamentale Probleme im Bildungssystem der Mark sind geblieben. Nachfolger Steffen Freiberg hat Großbaustellen übernommen.

Nach dem Rückzug von Ministerin Britta Ernst (SPD) wächst der Druck, eine Generalinventur und einen Neustart im krisengeschüttelten Bildungssystem Brandenburgs vorzunehmen. Zumindest braucht sich Steffen Freiberg (ebenfalls SPD), der designierte Nachfolger, dafür nicht einzuarbeiten. Ehe der gebürtige Rostocker vor einem Jahr von Ernst nach Potsdam geholt wurde, war er einige Jahre Bildungsstaatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern, wie Brandenburg ein teils extrem dünn besiedeltes Flächenland. Viel Zeit hat der Neue nicht, da die Legislaturperiode in einem Jahr endet. Was sind die drei Großbaustellen, die Freiberg vorrangig anpacken muss?

Ohne Lehrer kein Unterricht

Brandenburg braucht allein schon für das neue Schuljahr 2023/2024 etwa 1800 neue Lehrer, die nicht in Sicht sind. Eine Werbekampagne ist vorbereitet, aber noch nicht gestartet. Eine Lücke von 200 bis 400 fehlenden Pädagogen wird erwartet. Ernst wollte dafür landesweit 200 Lehrerstellen in Schulassistenzstellen für die berlinfernen Regionen umwidmen, damit dort Lehrer entlastet werden, die dann wenigstens Basisunterricht geben können.

Da dafür im Umland ausgerechnet Förderstunden für schwächere, benachteiligte Schüler:innen gestrichen wurden, scheiterte Ernst. Freiberg muss darunter schnell einen Schlussstrich ziehen. Das Problem: Der Instrumentenkoffer ist nicht groß. Eine Alternative zumindest wäre wie in anderen Bundesländern die Erhöhung der im Bundesvergleich moderaten Pflichtstundenzahl für Lehrer (Grundschulen 27 Wochenstunden, Oberschulen, Gesamtschulen, Gymnasien 25 Stunden). Es würde allerdings die Gewerkschaften auf die Barrikaden treiben.

Brandenburgs Bildungszeugnis: Note Sechs

Die Schulen sind zu schlecht, die Lerndefizite zu groß, die Abbrecherquote ist hoch. Beim jüngsten unabhängigen IQB-Vergleichstest haben die Viertklässler in Deutsch und Mathematik miserabel abgeschnitten. Brandenburg landete bundesweit auf dem vorletzten Platz, wie einst bei der PISA-Studie.

Der dramatische Befund spielte in der Politik kaum eine Rolle: Die Leistungen der Schüler:innen haben sich seit 2016 nicht verbessert, sondern eklatant verschlechtert. Und das, obwohl in dieser Zeit durch einen Zuwachs an Lehrerstellen die Klassen verkleinert wurden, auf Schüler-Lehrer-Relation von 1:12,6 – mit die beste deutschlandweit. Derzeit werden an den Schulen die Vergleichsarbeiten Vera 8 geschrieben. Es ist zu befürchten, dass die Ergebnisse nicht besser sein werden. Höhere Bildungsausgaben allein helfen also nicht.

Ohne Kommunikation kein Fortschritt

Kommunikation, Stil und Dialog: Da sind die dringendsten Verbesserungen nötig – und möglich, um Blockaden zu überwinden. Das gilt in alle Richtungen.

Zu Lehrern, Eltern und Schülern, die mit Ernst eigentlich durch waren. Nicht nur, aber auch wegen der Stellen-Streichungen ist die Stimmung an den Schulen am Tiefpunkt.

Zur SPD-Landtagsfraktion, wo zuletzt oft Funkstille vor allem zwischen Ernst und dem SPD-Bildungszirkel herrschte, was nicht allein an der Ministerin lag.

Zu den Kommunen und Landkreisen, die die überfällige Reform des Kita-Rechtes blockierten. Eine Voraussetzung ist die schonungslose Analyse, wie die Lage wirklich ist, der Verzicht auf Schönrederei.

Die erste Ansage von Freiberg deutet an, dass er den bisherigen Stil ändern will, für den er als Staatssekretär freilich Mitverantwortung trug. „Es sind mit und neben Corona viele Dinge unerledigt geblieben, die dringend gelöst werden müssen. Das gilt für alle an Bildung und Kinder- und Jugendhilfe Beteiligten.“

Und es gilt in Richtung Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), zu dem Ernst eher ein kühles Verhältnis hatte, der zwar alle möglichen „Task Forces“ installierte und Krisen-Gipfel einberief, aber keinen zur Bildung. Freibergs Trumpf: Ohne Fortschritte an dieser Flanke, die von CDU, Linken, Freien Wählern und der AfD angegriffen werden wird, riskiert Woidke eine SPD-Niederlage bei der Landtagswahl 2024.

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