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Erzieher, Eltern und Kita trafen sich beim „Kita-Camp“ im Potsdamer Lustgarten - die Einrichtungen blieben geschlossen.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

„Das ist nicht nur eine Kinderaufbewahrungsstelle“: Eltern, Erzieher und Träger protestieren beim „Kita-Kollaps“ für Verbesserungen

Fehlendes Personal, schlechte Ausstattung, fehlende Anerkennung: In Brandenburgs Kitas ist die Unzufriedenheit hoch. Viele Einrichtungen blieben am Montag geschlossen.

Die Unzufriedenheit ist groß. In ganz Brandenburg gingen Erzieherinnen und Erzieher, Träger, Eltern und Kinder am Montag auf die Straße, um beim „Kita-Kollaps“ für bessere Betreuungsbedingungen in Kindertageseinrichtungen zu protestieren. Viele Einrichtungen blieben geschlossen.

In Cottbus trafen sich am Morgen in der Fußgängerzone nach Angaben der Veranstalter rund 600 Menschen. „Das Kita-Gesetz momentan ist nicht ok. Wir haben keine klaren Qualitätsstandards. Der Betreuungsschlüssel ist absolut nicht ausreichend“, sagte Sarah Ostrowski von der Kreiselternvertretung in Cottbus. Die zweifache Mutter sagt, jeden Tag würden sich in der WhatsApp-Chatgruppe Eltern melden, bei denen die Kita ausfalle.

Erzieherin: Anerkennung fehlt

Maren Michaela Brumme ist Erzieherin in der Cottbuser „Kita Humi Kids“. Auch sie beteiligt sich beim Protest „Kita-Kollaps“ in Cottbus. Sie sagt, die Gruppen sind überfüllt. Den Kindern individuell gerecht zu werden, sei bei Ausfällen wegen Krankheit oder Urlaub kaum zu gewährleisten. „Das ist nicht nur eine Kinderaufbewahrungsstelle. Wir legen das Fundament für Schule und Ausbildung“, sagt Brumme. Die Arbeit mache ihr auch nach neun Jahren als Erzieherin Spaß. Aber sie komme an ihre Grenzen. Neben mehr Kolleginnen und Kollegen sei vor allem die Anerkennung des Berufs ganz wichtig.    

380
Aktionen gab es in Brandenburg zum „Kita-Kollaps“

Wie schwer es ist, neue Erzieherinnen und Erzieher für den Job zu begeistern, weiß Gregor Steinbach, Vorstandsmitglied beim Humanistischen Jugendwerk Cottbus. Der Verein betreibt in der Stadt zwei Kitas in freier Trägerschaft. Für Steinbach ist die unterschiedliche Finanzierung in Deutschland ein Problem. „Wenn den Erziehern in reicheren Ecken mehr Geld geboten wird, ein Jobticket, dann entscheiden sich natürlich viele dafür, dorthin zu gehen“, sagt er.

Das derzeitige Kita-Gesetz habe einen „schwammigen“ Qualitätsbegriff. Das führe zu Ärger mit den Kommunen. In Cottbus streite man sich mit der Stadt über die Finanzierung der Küchenkraft. Für die wolle die Stadt nur acht Stunden bezahlen, für den Job seien jedoch – mit Vorbereitung von Frühstück, Vespa, Obstpause und mehr – 20 Stunden nötig. Auf dem restlichen Stundenlohn bleibe die Einrichtung nun sitzen.

Ständige Erzieherwechsel belasten Eltern

Auch in Michendorf (Landkreis Potsdam-Mittelmark) gibt es Engpass beim Kita-Personal. Wegen ständiger Wechsel der Erzieher musste Tabea Köppe die Kita-Einrichtung für ihre Kinder wechseln. „Mein Sohn hatte 15 Erzieher innerhalb eines Jahres“, sagt die vierfache Mutter. Das habe den Sechsjährigen stark belastet und sich auf seine Entwicklung ausgewirkt. „Er sagte zu mir: ‘Mama, ich möchte meine Erzieherin wiederhaben. Da sind nur Leute, die kenne ich nicht’“, berichtet Köppe am Telefon.

Mit der neuen Einrichtung ist Köppe zufrieden. Aber die stetigen Wechsel, immer neue unbekannte Gesichter, hätten ihrem Sohn zugesetzt. „Er musste nach dem Weggang erstmal vier Monate zu Hause betreut werden“, so die Ingenieurin.

„Man macht sich Sorgen um die Sicherheit der Kinder, wenn so viel Personal fehlt, dass nicht alle beaufsichtigt werden können.“ Das Ministerium rechne sich den Betreuungsschlüssel „schön“, sagt Köppe. „Urlaub, Krankheit, das wird alles nicht bei der Personalplanung bedacht. Wenn der Winter kommt, müssen wir wieder mit Schließungen und Ausfallzeiten planen.“ Die Gemeinde müsse für zusätzliche Springer sorgen. Eine Stelle hat Michendorf bereits ausgeschrieben.

Man macht sich Sorgen um die Sicherheit der Kinder.

Tabea Köppe, Mutter aus Michendorf

Neues Kita-Gesetz gefordert

Beim „Kita-Kollaps“ gab es laut den Veranstaltern landesweit fast 380 Aktionen. Die Teilnehmenden fordern höhere Bildungs- und Betreuungsqualität für Kinder, bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für Fachkräfte sowie mehr Kitaplätze und ein neues Kita-Gesetz mit eindeutigen Vorgaben unter anderem für Finanzierung und Qualitätsstandards.

Minister: nicht schnell lösbar

„Auf die Schnelle“ sei dem Personalproblem nicht beizukommen, so Brandenburgs neuer Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) am Montag im „Inforadio“. Das Land habe bereits die Ausbildungskapazitäten im Kita-Bereich drastisch ausgeweitet. Laut Freiberg plant das Kabinett zudem, 1000 zusätzliche Erzieher-Stellen bis 2025 zu finanzieren.

Petra Budke, Vorsitzende und Sprecherin für Bildung und Kinder bei den Grünen im Brandenburger Landtag, betonte: „Leitungsfreistellung, mehr Zeit für Fortbildung, Fachkräfteoffensive, multiprofessionelle Teams in die Kitas - wir alle wissen, dass noch viele weitere Verbesserungen in den Kitas notwendig sind, um die Kitas zu Orten zu machen, an denen sich alle Beteiligten wohlfühlen.“

Die Brandenburger Linksfraktion schrieb bei Twitter: „Politische Entscheidungsträger*innen müssen endlich Farbe bekennen und nicht am länger am alten Gesetz herumdoktern. Neues Kitagesetz muss her, Finanzierung klären, bessere Bedingungen für das Personal schaffen, Fachkräfteoffensive“.

Seit langem gibt es in Brandenburg Streit über die Reform des Kita-Rechts. Sie war eigentlich bis Anfang 2023 geplant und soll unter anderem die Finanzierung transparenter gestalten, auch um Differenzen der Beiträge in den Städten und Gemeinden abzubauen.

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