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Suizid in Eisenhüttenstadt: Brandenburger Flüchtlingsrat fordert Untersuchung

Der junge Mann aus dem Tschad, der sich im Flüchtlingslager in Eisenhüttenstadt erhängt hat, litt offenbar unter großen psychischen Problemen. Warum das Betreuungspersonal nichts unternahm, ist nur eine der offenen Fragen um den Fall.

Potsdam/Eisenhüttenstadt - Nach dem Suizid eines 20-jährigen Asylsuchenden aus dem Tschad im Erstaufnahmelager Eisenhüttenstadt fordern Flüchtlingsinitiativen eine unabhängige Untersuchung des Falles. "Es gibt hier mehr Fragen als Antworten", sagte Dorothea Lindenberg vom Flüchtlingsrat Brandenburg am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Potsdam. Vermutlich aus Angst vor seiner Abschiebung nach Italien hatte sich der Mann am Mittwoch in der Asyl-Einrichtung erhängt.

Nach Aussagen von Mitarbeitern einer diakonischen Beratungsstelle und von Freunden soll er große psychische Probleme gehabt haben, sagte Lindenberg. Er sei kaum noch aus seinem Zimmer gekommen und sei psychisch auffällig gewesen. Zudem soll er den Suizid angekündigt haben. "Das wirft natürlich die Frage auf, warum das weder dem Betreungspersonal noch dem Medizinischen Fachdienst in der Asyl-Einrichtung aufgefallen ist und warum nicht eine entsprechende psychologische Versorgung eingeleitet wurde", sagte Lindenberg: "Deshalb wollen wir eine unabhängige Untersuchung."

Gemeinsam mit dem Brandenburger Netzwerk für die Erfassung und Versorgung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge (KFB) habe der Flüchtlingsrat das Innenministerium mehrfach auf die mangelhafte medizinische und psychologische Versorgung in Eisenhüttenstadt aufmerksam gemacht. Bisher habe sich aber nichts Wesentliches verändert, kritisierte Lindenberg.

Nach Angaben des Landesinnenministeriums gab es für den Mann keinen konkreten Abschiebetermin. Die Berliner linke Initiative "FelS" hatte am Mittwoch verbreitet, dass der 20-Jährige am selben Tag abgeschoben werden sollte. Das sei aber eine Fehlinformation, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Ingo Decker, am Donnerstag in Potsdam: "Unseres Wissens nach gab es noch nicht mal einen Anhörungstermin."

Laut "FelS" sollte der 20-Jährige im Rahmen der sogenannten Dublin II-Verordnung nach Italien abgeschoben werden. Nach der Verordnung kann Deutschland Flüchtlinge ohne Prüfung ihres Asylantrages in den ersten EU-Mitgliedsstaat abschieben, den sie betreten haben.

Mit einer Abschiebung nach Italien sei zwar nicht zwangsläufig die Rückführung von dort in das Heimatland verbunden, sagte Lindenberg. Die Zustände für Flüchtlinge in Italien seien aber katastrophal. Es gebe kaum offizielle Einrichtungen für Asylsuchende und die wenigen vorhandenen seien schlecht. "So landen die meisten Flüchtlinge auf der Straße und sind als Obdachlose ständigen rassistischen Anfeindungen ausgesetzt."

Über das Schicksal des 20-Jährigen ist bisher wenig bekannt. Laut Ministeriumssprecher Decker war der Mann seit 22. März in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht. Seitdem sei er "mehrfach abgängig" gewesen, so der Ministeriumssprecher. Es sei der erste Todesfall in der Einrichtung. Wann er aus Italien nach Deutschland gekommen war, ist unklar.

Freunden hatte der Mann berichtet, dass er auf seinem Weg durch Deutschland in Dresden Opfer eines rechtsradikalen Übergriffs geworden ist, sagte Lindenberg. Daraufhin habe der Flüchtlingsrat die Opferberatungsstelle in Dresden eingeschaltet. Dort werde gerade dem Vorfall nachgeganen, heißt es.

Am Montag wollen Flüchtingsinitiativen (16 Uhr) im Stadtzentrum von Eisenhüttenstadt gegen die Bedingungen im dortigen Erstaufnahmelager protestieren. (epd)

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