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Vor dem Umzug. Snejana Genze aus Tschetschenien wird mit ihrer Familie den Wohncontainer auf dem Gelände der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) demnächst verlassen.

© Patrick Pleul/dpa

Späte Hilfe für Flüchtlinge: Auf kleinstem Raum

Die Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt platzt aus allen Nähten und ist marode – das soll sich nun ändern

Von Katharina Wiechers

Eisenhüttenstadt – Snejana Genze ist die Unordnung in dem kleinen Raum unangenehm. Immer wieder schlägt die Tschetschenin die Hände über ihrem runden, hübschen Gesicht zusammen und entschuldigt sich: Der Umzug steht an. Endlich. Seit fast vier Monaten lebt Snejana Genze mit ihrer Familie in einem der Container auf dem Gelände der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburgs in Eisenhüttenstadt. Mit ihrem Mann und vier Kindern zwischen 3 und 14 Jahren teilt sie sich das wenige Quadratmeter große Zimmerchen. Nun wurde für die Familie eine Wohnung gefunden, in Wiesenburg (Potsdam-Mittelmark). Die 36-jährige Mutter ist froh: „Wir werden mehrere Zimmer haben, ein eigenes Bad und eine Küche“, sagt sie erleichtert.

Drei Prozent aller Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, muss Brandenburg einer Länderquote zufolge aufnehmen. Für jeden von ihnen ist die ehemalige Kaserne der DDR-Volkspolizei in Eisenhüttenstadt die erste Station. Dort sollten die Asylbewerber eigentlich maximal drei Monate bleiben, bis entweder über ihren Antrag entschieden ist oder sie in Heime oder Wohnungen in den Landkreisen und kreisfreien Städten Brandenburgs verteilt werden können. Doch seit vergangenem Jahr wird diese Frist – wie bei Snejana und ihrer Familie – oft überschritten. Im Durchschnitt 92 Tage blieben die Flüchtlinge 2012 in Eisenhüttenstadt, ganz häufig aber länger. In den Jahren zuvor waren es meist um die 50 Tage.

Grund ist ein massiver Anstieg der Flüchtlingszahlen, wie Sozialstaatssekretär Wolfgang Schroeder (SPD) erklärt. Während 2011 noch 1585 Asylsuchende in Eisenhüttenstadt aufgenommen wurden, waren es 2012 schon 2052. Und den Prognosen zufolge werden es 2013 noch mehr. Der „Stau“ in Eisenhüttenstadt entsteht, weil die Landkreise und kreisfreien Städte nicht schnell genug ausreichend Wohnraum zu Verfügung stellen konnten. Da die Flüchtlingszahlen in den Jahren vor 2012 stark zurückgegangen waren, waren räumliche und personelle Kapazitäten abgebaut worden, die nun angesichts der erneut gestiegenen Zahlen fehlen. Vor allem die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming hinkten deutlich hinterher. Der Prozess sei sehr schleppend angelaufen, sagt Schroeder. Doch mittlerweile seien die Kapazitäten weitgehend wieder aufgestockt worden.

Grund für die gestiegenen Flüchtlingszahlen sind vor allem Kriege in Afghanistan oder Syrien. Auch ethnische Minderheiten wie Roma aus Serbien oder Mazedonien suchen Zuflucht in Deutschland. Die größte Gruppe bilden wie schon in den vergangenen Jahren die Tschetschenen, die wegen des Konflikts mit Russland nach Deutschland fliehen.

Die meisten der derzeit 469 Bewohner in Eisenhüttenstadt – darunter 150 Kinder - leben nicht alleine, sondern müssen sich ihr Zimmer mit mindestens zwei weiteren Personen teilen. Ein typisches Zimmer im Männerhaus ist mit drei Stahlbetten, drei braunen Metallschränken und einem Tisch samt Stühlen ausgestattet. Meist werden Flüchtlinge der gleichen Nationalität in ein Zimmer verlegt, damit sie sich unterhalten können. Manche Wände sind bemalt, auf einem Bild ist eine afrikanische Landschaft zu sehen. „East or West, home is the best” steht dort.

Wenn ganze Familien nach Eisenhüttenstadt kommen, werden sie im sogenannten Familienhaus untergebracht. Zu ihnen gehört auch eine junge Roma-Familie, die seit 20 Tagen in Eisenhüttenstadt ist. Orhan Memdowski, seine Frau und die drei Kinder sind aus Mazedonien nach Deutschland gekommen. Viele seiner Landsleute, die im vergangenen Herbst nach Deutschland gekommen sind, sind mittlerweile wieder zurückgekehrt. Doch er will bleiben. „In Mazedonien gab es für uns keine Arbeit, kein Leben“, erzählt der junge Mann. Zudem sei seine zweijährige Tochter Elif oft krank gewesen, sagt er und streichelt dem Mädchen auf seinem Arm über den Kopf. „Dem Staat in Mazedonien war das egal, hier gibt es einen Arzt für uns“, erklärt er.

Öffentlich beschweren will sich keiner der Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt, doch sowohl das Familien- als auch das Männerhaus auf dem riesigen Gelände sind teilweise sehr heruntergekommen, Heizung und Elektrik müssen dringend erneuert werden. Das räumt auch Innenstaatssekretär Wolfgang Zeeb ein. Noch vor wenigen Jahren sei das Heim in Eisenhüttenstadt nur zu einem Viertel belegt gewesen, weshalb es Überlegungen gab, es zu schließen, erklärt er. Deshalb wurde jahrelang kaum etwas investiert. „Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass wir vielleicht zu lange gewartet haben“, räumt er ein.

Doch nun soll endlich etwas passieren, das Land will 7,5 Millionen Euro für Renovierungsarbeiten ausgeben. Bereits saniert wurden Dach, Fenster und Fassade am Männerhaus, im Sommer 2013 beginnt die Innensanierung. Aktuellen Planungen zufolge könnte es Ende 2015 fertig sein. Das marode Familienhaus wird hingegen ganz abgerissen und neu gebaut, bis 2016 soll es fertig sein. Dann verschwinden wohl auch die blauen Wohncontainer auf dem Innenhof, in dem Snejana Genze mit ihrer Familie wohnt. Doch für sie ist die beengte Zeit in Eisenhüttenstadt dann längst Geschichte. Katharina Wiechers

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