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Von links: Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident von Hessen, begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) neben Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, zur Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am 6. März 2024.

© dpa/Michael Kappeler

Plötzlich sind alle zufrieden: So lief das „Speeddating“ der Länderchefs mit dem Kanzler

Bei ihrem letzten Treffen hatten die Ministerpräsidenten bis in die Nacht mit Olaf Scholz über die Flüchtlingspolitik verhandelt. Diesmal bleibt der Kanzler nur eine gute Stunde.

Als der Kanzler mit zehn Minuten Verspätung vor der Landesvertretung Hessen vorfährt, schrillt eine Alarmanlage. Der Krach kommt von einem abgeschleppten Auto in der Nähe, doch Olaf Scholz lässt sich nichts anmerken. Er wird von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Niedersachsens Landeschef Stephan Weil (SPD) in Empfang genommen, die in der Kälte warten hatten müssen.

Man könnte es als Symbol für diese Ministerpräsidentenkonferenz nehmen. Scholz lässt die Länder warten und bleibt auch nur für eineinhalb Stunden.

Im November hatten die Ministerpräsidenten mit dem Kanzler noch bis tief in die Nacht über die Migrationspolitik verhandelt, dieses Mal sollte alles eine Nummer kleiner ausfallen. Bereits vor dem Treffen hatte die Bundesregierung deutlich gemacht, dass sie nun die Länder in der Pflicht sieht, die getroffenen Vereinbarungen umzusetzen.

Doch angesichts weiter erwartbar hoher Ankunftszahlen – im Januar wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 26.400 neue Erstanträge auf Asyl gestellt – hatten noch am Mittwochmorgen die Ministerpräsidenten der Union Tempo gefordert.

„Das ist ein weltweiter Migrationsdruck, und den kriegen wir hier nicht weg verwaltet“, warnte Hendrik Wüst, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen im ZDF. „Alle bisher getroffenen Maßnahmen sind halbherzig“, kritisierte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) direkt vor den Beratungen und forderte einen „echten Richtungswechsel“.

Hessen will eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten

Doch hinter verschlossenen Türen wurde dann nur wenig über die Migration gestritten. Schon in den Tagen vor dem Treffen hatten sich alle Beteiligten weitgehend auf eine neunseitige Erklärung geeinigt, in der die Beschlüsse vom November bestätigt wurden.

Mehr Tempo wünschen sich die Länder bei der Prüfung, ob Asylverfahren auch in Drittstaaten durchgeführt werden können, das Land Hessen fordert zudem eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten. Die Forderung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nach einer Obergrenze von 60.000 Geflüchteten pro Jahr war am Vormittag kein Thema, wurde dann aber im Beisein des Kanzlers thematisiert. Einen Fortschritt gab es dabei nicht.

Berlin und andere Ballungszentren stoßen bei der Unterbringung, aber auch bei Schul- und Kitaplätzen und an vielen anderen Stellen an faktische Grenzen.

Berlins Regierender Kai Wegner (CDU) fordert weitere Schritte zur Begrenzung der Migration.

Stattdessen hielten Bund und Länder fest, den Flüchtlings-Deal mit der Türkei erneuern zu wollen. Das sei ein „gutes Signal“ befand Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Die Türkei sei in Berlin das Hauptherkunftsland. Wegner forderte weiter Tempo: „Besonders Berlin und andere Ballungszentren stoßen bei der Unterbringung, aber auch bei Schul- und Kitaplätzen und an vielen anderen Stellen an faktische Grenzen.“

Beim Thema Wirtschaft konnten sich die Länder nicht einigen

Strittiger war dagegen das Thema Wirtschaft, das die Länderchefs vor der Ankunft des Kanzlers besprachen. Hier konnten sich die SPD-geführten und die Union-geführten Länder nicht auf ein gemeinsames Papier verständigen. Es sei zu wenig konstruktiven Grundsatzdebatten gekommen.

Die Konservativen machen die Ampel für die wirtschaftliche Lage verantwortlich und fordern eine Steuerreform, die Sozialdemokraten warnen vor Schlechtrederei und würden lieber eine Reform der Schuldenbremse vorantreiben. Beides wird wohl so schnell nicht kommen.

Wir haben gemeinsam in den vergangenen Monaten sehr viel auf den Weg gebracht.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) ist zufrieden mit den Beschlüssen in der Migrationspolitik.

Doch das war dann mit dem Kanzler kein Thema mehr. Und so traten Scholz, Rhein und Weil bereits nach einer guten Stunde sichtlich gut gelaunt vor die Presse.

Es seien gute, konstruktiv und zügige Gespräche gewesen, betonte der Kanzler und erinnerte daran, dass man in den vergangenen vier MPK-Sitzungen die „grundlegendsten Veränderungen“ in der Migrationspolitik in den vergangenen 20 bis 25 Jahren auf den Weg gebracht habe. Man sei weggekommen von einer Politik des Achselzuckens, hin zu mehr Ordnung.

Das lobte ausdrücklich auch Boris Rhein. „Wir haben gemeinsam in den vergangenen Monaten sehr viel auf den Weg gebracht“, sagte der CDU-Politiker und dankte Scholz für dessen Einsatz für die Bezahlkarte, die nun ausgeschrieben ist und im Sommer eingeführt werden soll.

„Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir so viel Geschwindigkeit in das Thema bringen können“, sagte Rhein und widersprach damit doch deutlich seinen Parteifreunden Söder, Wüst und Kretschmer.

Auch beim Thema Asylverfahren in Drittstaaten äußerte Rhein Verständnis, es sei ein „unfassbar komplexes Thema“ bei dem „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ gelten müsse. Der einzige Alarm bleibt an diesem Tag das abgeschleppte Auto.

[Hinweis: In einer früheren Version hieß es, die Forderung von Sachsens Ministerpräsident nach einer Obergrenze sei kein Thema der Besprechung gewesen. Sie wurde aber im Beisein des Kanzlers angesprochen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.]

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