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Bald wieder gemeinsam unterwegs? Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, und Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

© dpa/Kay Nietfeld

Kommt die nächste Föderalismusreform?: Im Süden der Republik regt sich Widerstand

Bayern will an den Finanzausgleich ran. Aus Stuttgart kommt der Vorschlag, das Verhältnis zwischen Bund und Ländern umfassender anzugehen.

Bayern möchte es erneut anders haben. Die Staatsregierung in München hadert mal wieder mit dem Finanzausgleich. Der wurde zwar zuletzt 2017 reformiert, unter ausgesprochen tätiger Mithilfe des damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Die Neuregelung ist erst seit 2020 in Kraft, offiziell ist nun von einem Finanzkraftausgleich die Rede, wobei auch der Bund in dieses System stärker eingebunden ist als früher.

Aber Seehofers Nachfolger Markus Söder will schon wieder reformieren und hat deswegen auch eine Klage in Karlsruhe in Aussicht gestellt. Der Grund: Der CSU-Chef stößt sich daran, dass Bayern (wie seit vielen Jahren) auch 2022 mit Abstand größter Zahler im Umverteilungssystem ist. Dass im Herbst eine Landtagswahl ansteht, ist eine Ursache für das Beklagen dieses Dauerzustands. Doch wie wären die Aussichten in Karlsruhe?

„Ich glaube nicht, dass eine Klage große Chancen hätte“, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Renzsch, der sich seit Jahrzehnten mit dem Finanzausgleich beschäftigt. „Seit 1999 wurde das Verfassungsgericht zweimal angerufen, einmal vom Saarland und von Bremen, später dann von Bayern und Hessen – beide Male aber wurden die Klagen zurückgezogen, als sich die Länder geeinigt hatten.“

Gegen das eigene Gesetz?

So werde es wohl auch jetzt sein, meint Renzsch: „In München droht man mit dem Gang zum Gericht, um in Gesprächen mit den anderen ein gewisses Druckmittel zu haben.“

Söder und sein Finanzminister Albert Füracker (CSU) haben ohnehin ein Argumentationsproblem, wenn es um die interne Überzeugungsarbeit innerhalb der Länder geht. „Das Gesetz, mit dem der neue Finanzkraftausgleich eingeführt wurde, ist nicht unwesentlich in der bayerischen Staatskanzlei geschrieben worden“, sagt Renzsch. Kann man also beklagen, was man selber einst für gut und richtig befand?

Der Finanzkraftausgleich funktioniert heute so, dass nicht mehr so viele Mittel aus den Landesetats abfließen oder zufließen. Zahler und Nehmer gibt es so gesehen gar nicht mehr. Stattdessen wird schon bei der Verteilung der Umsatzsteuer zwischen den Ländern der größte Teil des Ausgleichs vorweggenommen. Aber natürlich kann man das auch so darstellen, dass es aussieht, als ob das alte System noch gilt. Daher beklagt Söder, Bayern trage mit etwa 9,9 Milliarden die größte Last.

Bund mit im Boot

Ein echter Flop ist der neue Finanzkraftausgleich nicht. „Das Ergebnis ist zweifellos transparenter als der vorherige Ausgleich“, lautet Renzschs Einschätzung. Dass es Seehofer gelungen ist, den Bund mit zehn Milliarden Euro in das System einzubeziehen, dämpft das Ausgleichsvolumen zwischen den Ländern.

„Sonst könnte Söder heute möglicherweise mit noch höheren Zahlen auftreten“, sagt der Politologe von der Universität Magdeburg. „Aber insgesamt hat sich für den Freistaat wenig geändert, was das Verhältnis der Länder untereinander angeht. Und so wird die Opferrolle wieder gepflegt, weil es sich im Wahlkampf gut macht.“  

Es sollte dringend über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern gesprochen werden

Danyal Bayaz, Finanzminister in Baden-Württemberg

Mitkläger wird Söder ohnehin nicht haben. Aber es könnte einen anderen Weg geben, den auch Füracker zuletzt angedeutet hat: eine weitere Föderalismusreform nämlich, von Bund und Ländern gemeinsam ausgearbeitet. Da würde auch Baden-Württemberg mitmachen, wie es aussieht. „Statt mit Klagen vor dem Hintergrund einer Landtagswahl zu drohen, wäre es besser, das Thema in einer Föderalismuskommission zu überprüfen“, sagt der Stuttgarter Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne).

Vermischung als Problem

Sein Kabinettschef Winfried Kretschmann (Grüne) gehört seit vielen Jahren zu denen, die gern etwas mehr Länderautonomie durchsetzen würden. Bayaz hakt sich da ein. In einer Kommission „sollte dann aber nicht nur über das Verhältnis der Länder untereinander, sondern auch dringend über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern gesprochen werden“, fordert er. „Denn da wurden Aufgaben und ihre Finanzierung zuletzt zunehmend vermischt.“

Allerdings hat wohl die Mehrheit der Landesregierungen kein großes Interesse, an der Vermischung viel zu ändern, weil die häufig mit Zuwendungen des Bundes verbunden ist. Renzsch ist entsprechend skeptisch. „Von einer neuen Föderalismuskommission erwarte ich wenig“, sagt er. Andererseits bieten solche Reformrunden die Chance, dass alle sich mit Anliegen einbringen können, die dann in einem Großkompromiss irgendwie unterkommen.

Seehofer und Scholz

So geschah es auch im Verlauf der letzten Föderalismusreform, an deren Ende unter anderem der neue Finanzkraftausgleich stand. Neben Seehofer spielte damals auf Länderseite einer eine prominente Rolle, der mittlerweile im Bund einiges zu sagen hat: Kanzler Olaf Scholz (SPD) nämlich. Auf Bundesseite stehen allerdings derzeit andere Fragen im Vordergrund als Reformen im Bund-Länder-Verhältnis. Es wäre zudem die vierte Föderalismusreform binnen 20 Jahren.

Doch wenn sich die Interessenlagen auf den beiden staatlichen Ebenen in Richtung Reformbedarf entwickeln und wenn sich genügend Mitspieler Vorteile versprechen – dann kann Dynamik in das Thema kommen. Es ist gar nicht so lange her, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für eine Zeitenwende auch in den Bund-Länder-Beziehungen plädiert hat. „Eigenverantwortung, Subsidiarität und Effizienz sind unter die Räder geraten“, schrieb er in einem Zeitungsbeitrag.

„Das nimmt dem Bund haushaltspolitische Handlungsfähigkeit und den Ländern autonome Gestaltungsspielräume“, fuhr Lindner fort. Die sich steigernde Politikverflechtung führe zur „Diffusion von politischer Verantwortung“. Aus seiner Sicht besonders bedenklich: „Der Trend zur wachsenden Mitfinanzierung von Länderaufgaben durch den Bund.“ Wenn er da Änderungen will, muss er allerdings etwas bieten.

Kretschmann antwortete mit der Aussage, der Föderalismus brauche eine Generalüberholung. „Der Bund muss einen neuen Umgang mit den Ländern finden. Er muss sie frühzeitig in seine Planungen einbinden und Finanzierungszusagen einhalten. Wir müssen die Aufgaben zwischen Bund und Ländern entflechten, da die Bürgerinnen und Bürger nur so erkennen können, wer für was verantwortlich ist“ schrieb der baden-württembergische Ministerpräsident in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Er forderte „einen großen Wurf: eine neue Föderalismusreform“. Seither herrschte Schweigen. Nun regt sich wieder etwas in der Südschiene.

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