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Auf der Berlinale geht es auch um Körperkontakt: auf der Leinwand und auf dem roten Teppich.

© MACDOUGALL / AFP

Berlinale-Kolumne „Im Film“: Hier geht es um Sex, aber nicht nur

Egal auf welchem Eckchen Erde der Film spielt, es geht immer um eins: es wird gekuschelt. Die Berlinale-Kolumne für den achten Tag.

Um 16 Uhr bin ich zum Sex verabredet. Hoffentlich komme ich nicht zu spät. Ansonsten darf man bei der Berlinale nicht mehr ins Kino rein.

In dem dänischen Film „Sex“ soll es auch um etwas anderes gehen. Laut Programm um „Reue, Begehren, Chaos“. Fast alle Filme der Berlinale handeln davon, egal auf welchem Eckchen Erde sie spielen. Menschen wollen sich, bei allem Chaos auf der Welt, am liebsten lieb haben.

Egal ob nach einem verunglückten französischen Campingplatzurlaub, auf im Drogenrausch versinkenden kanadischen Punkrockpartys oder in der kargen Steppe am Rande der Wüste Gobi – in nahezu allen Filmen wird gekuschelt. In den deutschen außerdem oft genuschelt.

Irgendwas stimmt mit der Berlinale sowieso nicht in diesem Jahr: Ich habe noch gar keinen richtig schlechten Film gesehen. Klar, der Wettbewerb schleppt sich matt dahin wie immer, aber in den vielen Nebenreihen finden sich wie nebenbei eine Menge glitzernder Momente, die die Augen zum Funkeln bringen. Und manche Couch zum Quietschen.

Am meisten knarren die Stühle in den kleinen Kiezkinos, in denen die Berlinale tageweise gastiert. Das „b-ware! Ladenkino“ in Friedrichshain ist eigentlich eine Videothek.

Draußen läuft man durch die schmale schnuckelige Mainzer Straße, in der die Häuser nur noch von Yoga-Studios besetzt sind. Drinnen schlängelt man sich durch enge, verwinkelte Gänge voller DVD-Regale zum kleinen Vorführraum, vor dem alte Filmprojektoren auf Betrachtung warten.

Mit Bier und Popcorn auf der Berlinale

Hier hängen Solidaritätsplakate für die Sozialproteste in Chile, zudem wird die Zeitung „Drecksack“ verkauft, laut Impressum die „Lesbare Zeitschrift für Literatur, herausgegeben von Florian“. Blättern kann man auf plüschigen Sofas, die von einer Discokugel bunt angestrahlt werden; das Bier von der Bar nimmt man einfach mit zu seinem knarzigen Kinostuhl.

Sonst ist das bei der Berlinale nicht erlaubt. Popcorn auch nicht. Das schöne Leben soll man sich beim Zugucken lieber vorstellen.

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Und dann der Film: „Yalda, la nuit du pardon“ – ein Kammerspiel in einem iranischen Fernsehstudio, in dem eine Livesendung produziert wird, in der es einzig um eine Frage geht: Kann eine junge Frau, deren Vater ermordet worden ist von einer anderen jungen Frau, seiner Ehefrau, ihr das verzeihen und sie so vor der Todesstrafe bewahren?

Hin und her geht der Kampf zwischen den Frauen vor den Kameras, bis in jeden Gesichtszug hinein zeigen sie ihre für immer verletzten Gefühle in einer für Frauen gefühllosen Gesellschaft. Das Publikum im Kiezkino hält den Atem an, eineinhalb Stunden lang. Bis zur Entscheidung der einen Frau über die andere, die Regisseurin im Fernsehstudio zählt runter, 5, 4, 3…

Am Ende geht’s immer um eins im Leben: wie zwei Menschen zusammen leben.

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