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Grün für das Hanf.

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Die wichtigsten Fragen und Antworten: Wie wirkt das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung?

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das umstrittene Cannabisgesetz beschlossen. Die Regierung läutet damit einen Paradigmenwechsel in der deutschen Drogenpolitik ein.

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Vor einem knappen Jahr, im September 2022, stand Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf einer Bühne in Oldenburg und rief einigen Demonstranten (unter Verwendung eines anderen Begriffs für Joint) zu: „Wann Bubatz? 2023.“

Es sei für ihn „geradezu eine Erleichterung“, so Lindner, dass es in den schweren Zeiten von Krieg, Inflation und Energiekrise noch Menschen gebe, die sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzten.

Nun ist es so weit, am Mittwoch hat die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP das umstrittene Cannabisgesetz im Kabinett beschlossen. Es bedeutet einen Paradigmenwechsel in der deutschen Drogenpolitik.

4,5
Millionen Menschen in Deutschland konsumieren jährlich Cannabis. Hingegen konsumieren 7,9 Millionen Erwachsene bis 64-Jahren in Deutschland Alkohol in gesundheitlich riskanter Form.

Über kaum ein Thema wird so emotional gestritten wie übers Kiffen. Es gibt Menschen, die die Legalisierung längst überfällig finden, die hinter dem Verbot Engstirnigkeit und Gestrigkeit vermuten. Und solche, denen eine liberalere Drogenpolitik vor allem Angst macht.

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Unstrittig ist: In Deutschland konsumieren jedes Jahr rund 4,5 Millionen Menschen Cannabis. Vor allem unter jungen Menschen ist die Droge beliebt. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hatten im Jahr 2021 über 50 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren Erfahrungen mit Cannabis.

Was soll künftig erlaubt sein? Wird sich überhaupt so viel ändern? Und wie gefährlich ist Cannabis, besonders für Jugendliche? Der Überblick.


Wie weit geht die Freigabe?

Von den ursprünglichen Ampel-Plänen einer weitgehenden Legalisierung ist im jetzigen Gesetzentwurf nicht viel übrig. Im Koalitionsvertrag hieß es: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.“

Doch die „lizenzierten Fachgeschäfte“ soll es nur an einigen Modellstandorten geben. Außerhalb davon sollen künftig Anbauvereine, sogenannte „Cannabis Social Clubs“, Lizenzen erhalten, um Hanfpflanzen aufzuziehen und die weiblichen Blüten, die zur Herstellung von Marihuana gebraucht werden, oder das gepresste Harz in Form von Haschisch, an seine Mitglieder weiterzugeben.

Weder Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), unter dessen Federführung das Gesetz erarbeitet wurde, noch Kanzler Olaf Scholz (SPD) sind Fürsprecher einer weitgehenden Legalisierung.

Dazu kommen europarechtliche Bedenken, die die Koalition offenbar aufgeschreckt haben. Laut einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ist umstritten, ob zum Beispiel die „Cannabis Social Clubs“ oder die lizenzierten Fachgeschäfte in Modellregionen mit dem Europarecht vereinbar seien.


Was darf man jetzt?

Ist man 18 Jahre alt oder älter, darf man künftig bis zu drei Pflanzen für den Eigenbedarf anbauen. Eine der größten Änderungen für Konsumentinnen und Konsumenten: Bis zu 25 Gramm Cannabis darf man dem Gesetz zufolge dabeihaben, ohne straffällig zu werden.

Doch die Liste dessen, was verboten oder nur eingeschränkt erlaubt ist, bleibt lang. Ein Beispiel: Zuhause darf man kiffen, mit einer Einschränkung. Im Referentenentwurf heißt es: „Der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist verboten.“

Zu Schulen, Kitas und Turnhallen muss ein Abstand gewahrt werden, im Referentenentwurf war die Rede von 200 Metern. In Fußgängerzonen darf zwischen 7 und 20 Uhr nicht geraucht werden. Selbst in den Vereinsräumen der „Cannabis Social Clubs“ dürfen die Produkte nicht konsumiert werden.

Teilnehmer der Hanfparade in Berlin: Ihnen geht das Gesetz oft nicht weit genug
Teilnehmer der Hanfparade in Berlin: Ihnen geht das Gesetz oft nicht weit genug

© dpa/Annette Riedl

Auch Kiffen und Autofahren bleibt erst einmal verboten: Weiterhin wird ein Grenzwert von einem Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum gelten, der kleinsten sicher nachweisbaren Konzentration. Zu niedrig, findet Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Deutschen Versicherungswirtschaft, er fordert einen Grenzwert von drei Nanogramm.

Im Gesetzentwurf heißt es, das Bundesverkehrsministerium werde Grenzwerte für THC auf „wissenschaftlicher Grundlage untersuchen und ermitteln“. Doch bislang ist das nicht geschehen. Experten und Politiker sind sich uneins darüber, wie eine solche Untersuchung aussehen konnte. Das Verkehrsministerium will nun eine „interdisziplinäre Arbeitsgruppe“ einrichten.

Dies werde derzeit vorbereitet, teilte eine Sprecherin am Dienstag dem Tagesspiegel mit. Bis wann Ergebnisse vorliegen sollen, bleibt offen. In Hintergrundrunden hat sich Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) wenig offen für einen erhöhten Grenzwert gezeigt. Denn Wissenschaftler konnten dem Verkehrsminister nicht sagen, ab welcher Konzentration im Blut THC unbedenklich ist, da jeder Körper den Stoff anders abbaut. 


Warum sind so viele Befürworter unzufrieden?

Dass Cannabiskonsum straffrei wird, sollte eigentlich Grund zur Freude für Befürworter der Legalisierung sein. Doch denen ist der Gesetzentwurf deutlich zu restriktiv. Der Hanfverband Deutschland findet, es gebe „keinen logisch nachvollziehbaren Grund, das Rauchen von Cannabis anders zu behandeln als das von Tabak“.

Ein „NoGo“ sei das Verbot von Cannabiskonsum in den Anbauvereinen, den „Cannabis Social Clubs“. Die Vorstellung, den Konsum dort zu unterbinden, sei „vollkommen unrealistisch und auch unsinnig“. Die Abstandsregeln zu Schulen und Kitas halten sie gar für „verfassungswidrig“.  

Zudem befürchten sie, dass der Schwarzmarkt ohne die Einführung von lizenzierten Fachgeschäften bundesweit nicht „wirkungsvoll ausgetrocknet“ werden könne. Wie schwer es ist, den Schwarzmarkt auszutrocknen, zeigt ein Blick in die USA: Dort ist Gras in 32 Staaten legal, trotzdem schätzt die Beratungsagentur Whitney Economics den Schwarzmarktanteil auf 75 Prozent.

In Kanada kauften 2022 immer noch 31 Prozent der Cannabisnutzer bei Quellen außerhalb der legalen physischen und Onlinegeschäfte. Allerdings bezogen 26 Prozent ihr Cannabis durch informelle Quellen wie Familie, Bekannte und Heimanbau. Bei dezidiert illegalen Quellen im Netz und auf der Straße kauften nur vier Prozent. Dort ist der Markt besonders liberal, das scheint gegen den Schwarzmarkt zu wirken.


Warum sind so viele Gegner unzufrieden?

Den Gegnern der Legalisierung geht der Gesetzentwurf deutlich zu weit. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger befürchtet mehr riskantes Konsumverhalten. „Wer Cannabis aus nichtmedizinischen Gründen konsumiert, wer Cannabis missbraucht, der begibt sich in eine gesundheitliche Gefahr“, sagte er in einer Bundestagsrede.

Im Vergleich zu Alkohol ist Cannabis verhältnismäßig risikoärmer. Alkohol ist ein Zellgift, es greift Zellen und Gewebe direkt an, die psychoaktive Substanz THC wirkt hingegen nur auf körpereigene Rezeptoren im Gehirn. Auf Körperfunktionen wie Atmung, Blutdruck oder Herzfrequenz hat das aber kaum einen Einfluss.

Dennoch hat Cannabis Auswirkungen auf das Nervensystem: So zeigten Forschende, dass bei 48- bis 62-Jährigen die Leistungsfähigkeit bei langem, regelmäßigem Cannabis-Konsum abnimmt. Und auch für Jugendlichen ist Cannabis risikoreich. Für Jugendliche ist Cannabis dennoch gefährlich. Laut einer internationalen Studie, durchgeführt an 799 Jugendlichen, schrumpft die Großhirnrinde durch einen regelmäßigen Cannabis-Konsum zwischen 14 und 19 Jahren. Das passiert normalerweise erst im Alter und kann zu Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisstörungen und sogar Intelligenzminderung führen.

Forscher wiesen auch nach, dass das Psychose-Risiko für Menschen, die täglich Cannabis mit einem THC-Gehalt über zehn Prozent konsumieren, gegenüber Nichtkonsumenten fünffach erhöht ist. Zur Einordnung: Medizinisches Cannabis enthält bis zu 22 Prozent THC und 18- bis 21-Jährige sollen laut Entwurf Cannabis nur mit einem maximalen Anteil von 10 Prozent erhalten.

„Als Faustregel könnte man sagen: Je früher der Einstieg, je höher die Dosis, je regelmäßiger der Konsum, je mehr andere Drogen zusätzlich konsumiert werden und je unangemessener die Situation des Konsums ist, desto riskanter ist der Konsum einzuschätzen“, sagt Janis Schneider, Referent in der Fachstelle für Suchtprävention Berlin.

Cannabis-Konsumenten sind zudem nicht in der Lage, sicher Auto zu fahren. Der Grund: THC heftete sich an Rezeptoren eines körpereigenen Botenstoffs und stört so etwa die Nervenzellen, die Gleichgewicht und Koordination regulieren. THC regt auch die Freisetzung von Dopamin an und stimuliert so das Belohnungszentrum – Konsumenten können so in eine psychische Abhängigkeit geraten.

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