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Von Harald Schumann: Der Preis des Vertrauens

In der Finanzkrise muss das Vertrauen in die Banken durch das in den Staat ersetzt werden

Was ist Geld? Warum geben wir ein Leben lang unsere Arbeitskraft und Waren aller Art im Tausch für ein paar bunte Papierstreifen oder eine Datenzeile auf einem Kontoauszug? Die Antwort ist simpel, aber die Konsequenzen daraus sind es nicht. Wir tun es, weil alle anderen es auch tun, weil jedermann darauf vertraut, dass die Papierstreifen und Datenzeilen jederzeit als Tauschmittel akzeptiert werden. Dieses Vertrauen ist aber keineswegs selbstverständlich. Es ist vielmehr das Ergebnis eines über Jahrhunderte mühsam entwickelten Gefüges aus staatlichen und privaten Institutionen, die gemeinsamen Regeln folgen. Das reicht von der Inflationskontrolle durch die Notenbanken bis zum Einlagenschutz für Bankkunden. Werden diese Regeln gebrochen, dann schwindet unvermeidlich auch das Vertrauen. Und genau das ist der Kern der täglich weiter eskalierenden Finanzkrise. Amerikas Banker und viele ihrer Kollegen in Europa haben für mehrere hundert Milliarden Dollar Wertpapiere unter falschem Etikett zu überhöhten Preisen verkauft, die nicht durch tatsächliche Vermögenswerte gedeckt waren. Gleich ob in betrügerischer Absicht oder in kollektiver Verblendung haben sie so eine der kostbarsten Grundlagen des Wohlstands in höchste Gefahr gebracht: Das Vertrauen in das Geldsystem. Seit Monaten demonstrieren die Bankmanager, dass sie sich gegenseitig nicht mehr trauen. Darum geben sie einander keine Kredite mehr, ein Geldhaus nach dem anderen stürzt in die Insolvenz und damit wächst täglich die Gefahr, dass auch ihre Kunden den Glauben verlieren und ihre Einlagen zurückfordern. Käme es dazu, würde das gesamte System binnen Tagen zusammenbrechen und gigantische Wohlstandsverluste wären die Folge.

So stehen zwischen der Krise und der Katastrophe jetzt nur noch die Regierungen. Sie ersetzen das verlorene Vertrauen in die Banken durch solches in den Staat. Aber der Preis dafür ist hoch. Im großen Stil verpfänden sie die künftigen Einkommen ihrer Steuerzahler gegen die Hoffnung, dass irgendwie und irgendwann alles wieder ins Laufen kommt. Das reicht nicht. So richtig es ist, mit allen Mitteln den Zusammenbruch zu verhindern, so zwingend nötig ist es auch, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass nicht wieder diejenigen begünstigt werden, die das Desaster angerichtet haben. Andernfalls wird der Vertrauensverlust ganz schnell auch die Regierenden ereilen und mit ihnen früher oder später auch die Stabilität der Demokratie.

Doch bei dieser Aufgabe haben alle beteiligten Regierungen bisher kläglich versagt. Darum ist das Rettungsprogramm der US-Regierung auch zunächst daran gescheitert, dass viele Abgeordnete ihren Wählern nicht erklären konnten, wie die veranschlagten 700 Milliarden Dollar dereinst aus Bankgewinnen zurück in die Staatskasse fließen sollen. Kaum besser als ihre US-Kollegen agieren auch die deutsche Kanzlerin und ihr Finanzminister. Quasi über Nacht haben sie mehr Geld für eine Bankbürgschaft riskiert, als alle Hartz-IV-Empfänger im ganzen Jahr aus der Bundeskasse erhalten. Aber Frau Merkel hielt es bislang nicht einmal für nötig, diesen Anschlag auf das Geld ihrer Wähler mit einer Rede an die Nation zu erklären, geschweige denn sicherzustellen, dass die Verantwortlichen zur Kasse gebeten werden.

Das kann nicht gut gehen. Entweder die Regierenden stellen sicher, dass die Lasten der Krise halbwegs fair verteilt werden. Oder der Preis für die Rückgewinnung des Vertrauens wird unbezahlbar.

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