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Dreharbeiten: Wie „Amélie“ für Berlin

Der Prenzlauer Berg in Babelsberg: Oliver Ziegenbalg verfilmt Wladimir Kaminers „Russendisko“

Babelsberg - Dieses Berlin gibt es in Berlin gar nicht mehr: Vor dem Café Sperrgebiet stehen Gartenstühle mit abgeplatzter Farbe, drinnen baumeln Bastlampen über den Tischen, der Friseur gegenüber heißt „Die Frisur“, die Bewohner darüber haben ihre baufälligen Balkone mit roten Plastikplatten verkleidet, nur ins Schaufenster des Konsum-Ladens haben sich erste Spuren der westlichen Warenwelt verirrt – ein leuchtender Weihnachtsmann komplettiert die Festtagsdeko mit Kunstbaum und grünen Kugeln. Die Straße, in der Prenzlauer Berg noch aussieht wie vor 20 Jahren, steht auf dem Gelände der Filmstudios in Babelsberg.

Dort stehen derzeit Matthias Schweighöfer, Friedrich Mücke und Christian Friedel als deutsch-russisches Trio Infernale vor der Kamera: Unter Regie von Oliver Ziegenbalg bringen sie Wladimir Kaminers Kultbuch „Russendisko“ auf die Leinwand. Erzählt wird die Geschichte der drei russischen Freunde Wladimir, Mischa und Andrej, die im Sommer 1990 nach Berlin ziehen, um hier ihr Glück zu machen.

Einen russischen Akzent und dunkle Haare wie sein Alter Ego hat sich Schweighöfer alias Wladimir dafür nicht zulegen müssen, wie er am Rande der Dreharbeiten erzählte: Kaminer habe dem Filmteam einen künstlerischen „Freifahrschein“ gegeben – „Hauptsache, diese Energie und Lust am Leben kommt rüber“. Am Set herrsche deshalb ein permanenter „Energie-Amok“. Auch Christian Friedel, der mit seiner Rolle als Lehrer im Drama „Das weisse Band“ international bekannt wurde, wirkte angesteckt. Der Dreh sei spontan, es werde viel improvisiert: „Das macht mir unglaublich viel Spaß“, schwärmte er.

Neun Jahre trug sich Produzent Christoph Hahnheiser mit der Idee für eine Verfilmung von „Russendisko“. Zehn Autoren versuchten sich daran, die 52 Kurzgeschichten aus dem Buch in eine Filmhandlung zu stricken – und dabei dem Kaminer-Kosmos mit seinen liebevoll-skurrilen Figuren treu zu bleiben. Auch einen Regiewechsel hat es gegeben: Nach fünf Drehtagen trennte sich Hahnheiser von Regisseur Oliver Schmitz („Türkisch für Anfänger“) und fand Ersatz in Drehbuchschreiber Oliver Ziegenbalg. „Wir hatten eine unterschiedliche Vision vom Film. Ich möchte eine emotionale Komödie, ein Großstadtmärchen für großes Publikum erzählen, eine Art ,Amélie‘ für Berlin“, sagt Hahnheiser.

Damit das auch überzeugend aussieht, verpflichtete er den japanisch-französischen Kameramann Tetsuo Nagata, der unter anderem für das Edith-Piaf-Biopic „La vie en rose“ und „Micmacs“ von Amélie-Regisseur Jean-Pierre Jeunet filmte.

Auch das weibliche Element darf natürlich nicht fehlen: im Film verkörpert durch Peri Baumeister als Wladimirs spätere Frau Olga und deren beste Freundin, gespielt von Susanne Bormann („Der Baader Meinhof Komplex“). Für die gebürtige Kleinmachnowerin ist der Dreh in Babelsberg eine Rückkehr an den Ort, wo sie die ersten Schritte beim Film machte: Mit acht Jahren, kurz vor der Wende, stand sie in Babelsberg für „Treffen in Travers“ vor der Kamera.

Aber auch das Berlin, das jetzt in Babelsberg entsteht, kennt sie aus eigener Erinnerung: „Ich war in den 1990er Jahren viel in Berlin und habe gefeiert, im Tacheles, E-Werk, Tresor“, erzählt sie: „Die Stimmung damals in Prenzlauer Berg vermisse ich heute manchmal.“

Dass das vom Medienboard geförderte 6,5-Millionen-Euro-Projekt nach den Anlaufschwierigkeiten auf dem richtigen Weg ist, sei beim Bergfest klar geworden, sagte Produzent Hahnheiser: Olga Kaminer, Wladimirs Ehefrau und „kritischer Geist“ der Familie, habe vor Rührung geweint, als sie die ersten Szenen gesehen habe: „Sie sagte: Genau so war es.“ 2012 startet der Film in die Kinos.

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