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 „Sieben Tage in Teheran“ erinnert an die 2014 zum Tode verurteilte Iranerin Reyhaneh Jabbari.

© MADE IN GERMANY Filmproduktion

„Sieben Winter in Teheran“ im Kino: Reyhaneh Jabbari starb für die Wahrheit

Der Dokumentarfilm „Sieben Winter in Teheran“ erinnert an die vom iranischen Regime hingerichtete Reyhaneh Jabbari – und zeichnet das Psychogramm einer in die Lüge getriebenen Gesellschaft. 

Das letzte Wort im Film gehört Reyhaneh Jabbari: „Ich hoffe, eines Tages werden meine Wünsche wahr“, sagt die iranische Studentin in einem ihrer letzten Anrufe aus dem Gefängnis. Ihr Wunsch: dass kein Mädchen mehr vergewaltigt werde, dass niemand mehr seine Macht missbrauche und die Rechte der Schwächsten in der Gesellschaft nie mehr missachtet werden.

Jabbari spricht diese Worte im Jahr 2014 in dem Wissen, dass ihre Hinrichtung bevor steht. Sie wurde zum Tode verurteilt, weil sie 2007 als 19-Jährige einen Mann, der sie ihrer Aussage nach unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in eine leere Wohnung gelockt habe und vergewaltigen wollte, in Notwehr erstach.

Tod nach einem Schauprozess

Der Mann allerdings war vermutlich ein Geheimdienstmitarbeiter – und das iranische Regime rächt die Seinen, um seine Machtbasis aufrechtzuerhalten. Jabbari wird gefoltert, ihr wird der Rechtsbeistand verweigert und die Familie unter Druck gesetzt. Gerüchte über sie sollen ihren Ruf beschädigen. Schließlich wird sogar ein Richter, der die einseitigen Ermittlungen kritisiert, ausgetauscht.

Sein Nachfolger verurteilt die junge Frau in einem Schauprozess zum Tode nach dem Gesetz der Vergeltung, auch als Blutrache bekannt. Damit reicht die Justiz die Verantwortung über das Schicksal Jabbaris an die Hinterbliebenen des Getöteten weiter. 

Wie eine Collage verwebt der Dokumentarfilm „Sieben Winter in Teheran“ der Berliner Regisseurin Steffi Niederzoll Interviews, Spielszenen, in Puppenhausgröße nachgebaute Originalschauplätze, heimlich im Iran aufgenommene Film-, Foto- und Tonaufnahmen und die Anrufe aus dem Gefängnis. Die Briefe Jabbaris spricht die Cannes-Gewinnerin Zar Amir Ebrahimi („Holy Spider“) ein.

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„Sieben Winter in Teheran“ erinnert an die Geschichte der jungen Frau, deren Tod 2014 weltweit Proteste auslöste; aber auch den Kampf ihrer 2017 nach Deutschland geflohenen Mutter Shole Pakravan, ihrer zwei verbliebenen Töchter und des aufgrund von Repressalien im Iran zurückgebliebenen Vaters gegen die Todesstrafe.

Kein journalistischer Film

Eindrucksvoll erzählen sie von ihren Bemühungen, die Familie des mutmaßlichen Täters zur Vergebung zu bewegen. Und dass ihre Tochter die Wahrheit, dass sie in Notwehr gehandelt habe, nicht für ein milderes Urteil verraten wollte. Der Film wirft auch ein Licht auf den systemischen Rahmen, in dem sich der Fall abspielte: die Politisierung des Falles national wie international, aber auch die Alltäglichkeit von sexualisierter Gewalt im Iran.

So ist der auf der letzten Berlinale mehrfach ausgezeichnete „Sieben Winter in Teheran“ ein dokumentarischer, aber explizit kein journalistischer Film, wenn auch er mit journalistischen Methoden arbeitet. Niederzoll, die durch den persönlichen Kontakt mit der Familie zu ihrem Thema fand, ist parteiisch.

Dennoch gelingt es ihr, das Psychogramm eines totalitären Systems zu zeichnen, das die Opfer- und Täterrollen verwischt. Menschen werden aus Selbstschutz zum Lügen getrieben. Die Regisseurin dokumentiert einen Staatsapparat, der sich mittels Lügen, Psychoterror und dem Schüren von Angst und Paranoia selbst am Leben hält.

Durch die nach Deutschland geschmuggelten Fotos, Videos und Tonaufnahmen gibt Niederzoll dem Publikum Einblicke in die streng überwachten Gefängnisse Teherans und lässt das Publikum noch einmal Jabbaris junge Stimme hören, mit der sie für ihre eigene Wahrheit eintritt. Eine Wahrheit, für die sie bereit ist zu sterben.

Gefährlich ist sie, diese Wahrheit – auch deswegen bleiben vermutlich viele Beteiligte im Abspann anonym. Und diese Gefahr ist auch in Europa nicht gebannt. In dem vor wenigen Monaten erschienen Buch „Wie man ein Schmetterling wird“ erzählen Pakravan und Niederzoll, dass der Richter, der Reyhaneh Jabbari zum Tode verurteilte, noch 2020 in Deutschland einreiste. Er, der Reyhaneh nahe legte, dass sie sich lieber hätte vergewaltigen lassen sollen, statt in Notwehr zu handeln, und sie „verwestlicht“ nannte, besuchte seine im Westen lebenden Töchter.

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