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Wölfe reißen Schafe, Menschen schlachten sie.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Löwenzahn und Asphalt: Ein letztes Wort zur deutschen Raubtierpanik

Warum beharren wir noch immer darauf, dass wir uns die Welt untertan machen können? Und woher rührt unsere Panik, wenn Wölfe oder andere Raubtiere auftauchen?

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Pardon, es ist doch noch ein Wort zur Löwin von Kleinmachnow nötig. Nicht, um die Behörden zu dissen – sie haben genau das gemacht, was ihres Amtes ist. Und „die Medien“ haben doch wenigstens für allgemeine Erheiterung gesorgt.

Es soll um uns gehen: Warum herrscht eigentlich solche Angst in Deutschland vor dem wilden Tier? Dass Löwinnen, Luchse, Füchse, Wiesel, Wölfe oder andere Fleischfresser Menschen in Europa auf Leben und Tod attackierten, ist nicht überliefert.

Auch der Fall des von einem Bären „angefallenen“ Joggers in Norditalien ist, nach allen neueren Untersuchungen, wohl ein Fall von Revierverteidigung gewesen. Und sind nun Haus- und „Nutz“-Tiere wie Schafe wirklich gefährdet? Die Statistik jedenfalls spricht eindeutig dagegen.

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Manche Schafe werden gerissen, die allermeisten geschlachtet

Die etwa 1100 Wölfe in Deutschland sollen 2021 angeblich 3400 Schafe „gerissen“ haben. Ganz abgesehen davon, dass sich immer wieder herausstellt, dass verwilderte Hunde als „Täter“ festgestellt werden, was wolfshetzenden Medien dann allerdings nur noch eine kleine Meldung wert ist: In der gleichen Zeit haben Menschen 1,1 Million Schafe „geschlachtet“.

Dem von Menschen betriebenen Verkehr fielen in dieser Zeit mindestens 102 Wölfe zum Opfer – was einer Tötungsrate von 3,6 Prozent entspricht. Wenn Wölfe den gleichen Prozentsatz der nur in Deutschland gehaltenen etwa 1,4 Millionen Schafe „reißen“ wollten, hätten sie gut zu tun: 47 600 Schafe müssten ihr Leben lassen.

Doch Statistik nützt in einer Debatte nichts, in der Bauernverbände zum Sturm auf den Naturschutz rufen, die AfD und Herr Söder populistisch zur Tötung jedes Wolfs aufrufen, der auch nur in weiterer Umgebung eines (!) „gerissenen“ Schafes lebe.

Selbst grüne Politiker in Niedersachsen sind zur „Entnahme“ von „Problemwölfen“ bereit. Wahlkampfzeit. Statt den Bauern angemessene Prämien für ihre verlorenen Tiere zu zahlen, wird von der langen Tradition der deutschen Raubtierangst geschrieben, von den Gebrüdern Grimm etc. pp.

Aber es ist viel einfacher. Wildtiere und gerade Räuber können sich offenbar prächtig in die brutal vom Menschen zugerichtete und ausgebeutete Landschaft, in Dörfer und Städte integrieren. Sie zeigen uns, dass die Behauptung des Menschen, er könne sich „die Natur“ auf Dauer „untertan“ machen, surrealer Unsinn ist. Uns gelingt es ja nicht einmal, Straßenasphalt ohne Riesenaufwand gegen schlichte Löwenzähne zu verteidigen.

Wildpflanzen und Wildtiere „in der Zivilisation“ zeigen dem Menschen, wie klein er eigentlich ist. Doch statt bescheiden unsere Relativität anzuerkennen, reagieren wir, wie Menschen eben reagieren: mit Abschuss. Keine guten Aussichten für das Wildschwein, das Menschen als Löwin sahen.

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