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Bohdan Zhuk mit dem Sunny Bunny – Preis für den besten queeren Film des Molodist Festivals.

© privat

Festivalmacher Bohdan Zhuk: „Wir planen ein queeres Filmfestival in Kiew“

Bisher gibt es beim Molodist Filmfestival die LGBTIQ-Reihe „Sunny Bunny“ – im Sommer soll sie unabhängig werden. Ein Gespräch Bohdan Zhuk vom Orga-Team.

Bohdan Zhuk, der Sunny Bunny Award des Molodist Festivals wird am Freitag mit dem Special Teddy ausgezeichnet. Wie ist dieser Preis für den besten queeren Film des Kiewer Molodist Festivals entstanden?
Es begann 2001 als Reihe mit LGBTIQ-Filmen beim Molodist Festival, die vom Festival-Direktor Andriy Khalpakhchi und vom TV-Moderator Anatoliy Yeremar, einem der ersten offen schwulen Prominenten in der Ukraine, gegründet wurde. Das Programm und der Preis sind vom Teddy Award der Berlinale inspiriert. Es ist zudem einfach ein süßer Name, der im Ukrainischen noch eine zweite Bedeutung hat: Sonjatschnyi Sajtschyk nennt man die Reflexion der Sonne in einem Spiegel oder einem Glas.

Wie wurde die Sunny Bunny-Reihe aufgenommen?
Gut, denn das Publikum des Molodist-Festivals, das seit 1970 existiert, war bereits daran gewöhnt, dass dort sehr unterschiedliche und auch experimentelle Werke laufen, zum Beispiel von Fellini oder deutschen Regisseuren wie Fassbinder. Von daher passten queere Filme – meist sind es zehn bis zwölf Langspielfilme – gut ins Programm.

Für die LGBTIQ-Community wurde Sunny Bunny zu einem wichtigen Treffpunkt, denn es gab besonders in dessen Anfangszeit keine großen queeren Kulturveranstaltungen. Außerdem gab es in der Zeit vor den Streamingportalen kaum eine andere Möglichkeit überhaupt queere Filme zu sehen.

Mit homofeindlichen Aktionen hatte der Sunny Bunny nicht zu kämpfen?
Soweit ich weiß, gab es nur kleinere Vorfälle, etwa als christlich motivierte Protestierer ein Festivalplakat vor einem der Kinos verbrannten. Sehr kindisch. Und 2014 wurden während einer Sunny-Bunny-Vorstellung Rauchbomben geworfen, wobei niemand verletzt wurde, aber der Saal ausbrannte.

Dabei diente die Queerfeindlichkeit wahrscheinlich nur als Tarnung: Immobilienentwickler hatten seit Jahren erfolglos versucht, die alte, zentral gelegene Gegend von Kiew, in der das Kino liegt, unter ihre Kontrolle zu bekommen, um dort eine Mall oder ähnliches zu bauen. Bei einem Anschlag gegen ein LGBT-Event würde sich kein öffentlicher Protest regen, so die Kalkulation. Bewiesen werden konnte das allerdings nie.

Funktioniert hat es aber hoffentlich auch nicht.
Nein, hat es nicht. Es gab einen großen Protest, bei dem sogar Bürgermeister Vitali Klitschko zum ersten Mal mit queeren Aktivisten auf der Bühne stand. Zwar hat er nichts zu LGBTIQ-Rechten gesagt, aber es war dennoch bemerkenswert. Das Kino wurde übrigens renoviert, auch mit der Hilfe von Fundraising-Kampagnen durch queere Aktivisten. Bei Sunny Bunny hatten wir ab dann mehr Sicherheitspersonal und die Zusammenarbeit mit der Polizei wurde verstärkt.

Das Molodist Festival hat im Dezember wieder stattgefunden. Wie lief diese Kriegsausgabe?
Es war eine sehr reduzierte Ausgabe, bei der rund 70 Filme liefen. Normalerweise sind es 200 bis 250. Nur die beiden Hauptwettbewerbe fanden statt, es gab aber keine Industrie-Events, Panels oder Workshops wie sonst.

Dann ist auch der Sunny Bunny ausgefallen?
Ja. Dafür planen wir im kommenden Juni ein eigenständiges Sunny Bunny-Festival in Kiew. Diese Idee hatten wir schon länger und jetzt starten wir damit. Es wird eine Fortsetzung des alten Programms sein, aber insgesamt größer, da es ein eigenständiges Festival sein wird. Beim Molodist wollen wir weiterhin präsent sein.

Kann man momentan in Kiew eigentlich ins Kino gehen?
Ja, das geht. Zu Beginn der Invasion nicht, aber im Mai oder Juni wurden die Kinos wieder geöffnet. Allerdings ist ab 23 Uhr Sperrstunde in Kiew und die Metro fährt nur bis 21.30 Uhr, weshalb die späteren Vorstellungen wegfallen. Wenn es Luftalarm gibt, spielen manche Kinos weiter, andere nicht. Da sich einige ohnehin in Kellern befinden, können sie als Schutzraum funktionieren.

Welche Auswirkungen hat der Krieg auf den Kampf um queere Rechte in der Ukraine?
Als marginalisierte Gruppe ist die queere Community in mancherlei Hinsicht stärker betroffen als die Mehrheitsgesellschaft, was vor allem für die besetzten Gebiete gilt. Von dort fliehen die Menschen ja schon seit 2014, weil sie in Lebensgefahr sind. Auf der anderen Seite gibt es einen Anstieg der queeren Sichtbarkeit, weil sich viele Menschen im Militär geoutet haben. Das hat die Akzeptanz im vergangenen Jahr stark beschleunigt. Denn es ist klar, dass wir alle dasselbe Ziel haben und denselben Gegner. Wir wollen die LGBTIQ-Militärangehörigen auch auf dem neuen Festival repräsentieren, denn derzeit entstehen einige Filme zu dem Thema.

Wie sieht das Sunny Bunny-Progamm sonst aus? Laufen auch queere Filme aus der Ukraine?
Wir haben immer versucht, eine große Vielfalt von Filmen aus verschiedenen Ländern zu zeigen. Ich persönlich finde gerade das queere Kino aus Brasilien besonders spannend. Die ukrainische Filmszene ist generell nicht sehr groß und es gibt eigentlich fast keine Filme mit queeren Themen in Spielfilmlänge, allerdings einige Kurzfilme.

Wir planen dafür eine Reihe mit Filmen aus der Sowjetzeit und den Neunzigern. Es sind nur wenige, weil die queere Kultur unterdrückt wurde. Aber wir wollen zeigen, dass sie immer Teil unserer Kultur war – und nicht wie von der russischen Propaganda behauptet ein West-Import.

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