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Szene aus Jin Jiangs Dokumentarfilm "Republic" mit Li Eryang (r), zu sehen im Berlinale-Forum

© Levo Films & Jin Jiang

Doku über junge Leute in China: Die Höhle der Hippie-Bolschewiken

Jin Jiangs Dokumentarfilm „Republic“ im Forum der Berlinale erlaubt einen unvermuteten Einblick in Chinas junge Undergroundszene.

Direct Cinema ist gar kein Ausdruck: Für die dokumentarische Technik, mit der dieser Film entstand, wäre der Begriff „intimate cinema“ wohl angemessener. Denn der junge chinesische Regisseur Jin Jiang, Jahrgang 1989, und seine Kamera leben mit den Protagonisten zusammen. Die „Republic“ ist ein kleines, vollgestopftes Zimmer, eine Wohnhöhle unter einem Hochbett, in der sich Hauptbewohner Li Eryang und sein unüberschaubarer Freundeskreis versammeln.

Die „Republik“ ist nicht viel mehr als ein Bretterverschlag mit Außentoilette, irgendwo zwischen den Häusern der Großstadt (den genauen Ort erfährt man nicht, wohl aus Sicherheitsgründen): eine bessere Bruchbude, aber doch eine ganze Welt – Musikstudio, Partylocation, WG und soziales Experiment zugleich. Die Tür steht immer offen, oft herrscht drangvolle Enge.

Jin Jiangs mutiger, im Alleingang erstellter Film erlaubt einen unvermuteten Einblick in Chinas Undergroundszene. Oder zumindest in eine davon, eine Szene, die nicht von politischer Dissidenz geprägt ist, sondern von anderen Freiheiten. Der Freiheit, Drogen zu nehmen, das bisschen Geld zu sozialisieren, psychedelische Sounds unter dem permanenten Kreisen bunter Lichter zu kreieren und einer Art Hippie-Bolschewismus das Wort zu reden.

Wie ticken junge Menschen im Reich der Mitte? „Republic“ ist ein Film über Mao lesende Mittzwanziger, die sich über die Worte Xi Jinpings kabbeln, 24/7 Musik hören, unter Wolldecken kuscheln und auf dem Fußboden kochen. Irgendwo zwischen Gitarren, Laptops und Klamotten kauert ein winziger Kühlschrank.

Was ist der Wille der Partei, was ist freier Wille, freier Sex? Die Frauen in der Runde verwahren sich gegen manche männliche Übergriffigkeiten. Oft blickt man nicht durch bei den Auseinandersetzungen, auch vermisst man eine konsistente Dramaturgie. Im Winter ist es kalt in der Höhle, gefrorener Reis wird aufgetaut, die Freundin von Li Eryang verlässt ihn im Streit. Auch die Pandemie verdirbt die Stimmung.

Steht am Ende die Ernüchterung, die Depression? Zumindest die Erkenntnis, dass Freiheit fürs Erste eine Utopie bleibt. Nicht nur in China.
Republic“ im Forum: 16.2. 21.30 Uhr (Arsenal 1), 17.2.  12 Uhr (Silent Green), 22.2. 21.30 Uhr (Delphi), 25.2. 11 Uhr (Arsenal 1)

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